Orte und Objekte
Besprechung von »Orte. Architektur in Niederösterreich 2002-2010« herausgegeben von Eva Guttmann, Gabriele Kaiser, Franziska Leeb und dem Architekturnetzwerk Niederösterreich ORTEDer dritte Band der vom Architekturpublizisten Walter Zschokke initiierten niederös-terreichischen Leistungsschau in Sachen Architektur, herausgegeben vom Architekturnetzwerk ORTE, ist vor kurzem erschienen. Zschokke ist 2009 verstorben, und so findet sich auch im Vorspann ein Nachruf auf den Schweizer Architekturtheoretiker, der seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt in Wien hatte. Die Autorinnen Eva Guttmann, Gabriele Kaiser und Franziska Leeb führen das Projekt nun weiter und haben gleichzeitig eine eigene Note eingebracht.
Die Auswahl der Projekte orientiert sich an einer den Einzelprojekten innewohnenden Qualität und verzichtet auf die Huldigung einzelner AkteurInnen und Stars. Der Band ist bautypologisch in Kapitel unterteilt. Präsentiert werden die Projekte in Schwarzweißfotos und gut lesbaren Plänen. Die beschreibenden Texte sind einfach und präzise und vergessen auch nicht, auf den Kontext zu verweisen, in dem die dargestellten Objekte verortet sind. Den Kapiteln werden so auch Übersichtskarten vorangestellt, die zumindest auf die raumplanerische und städtebauliche Dimension verweisen. Die Reduktion des Layouts fördert die vergleichende Analyse und konterkariert auf nicht unangenehme Weise die übliche Vormachtstellung des Hochglanzfotos. So wird eine Qualität der allgemeinen Baukultur sichtbar, die sich weniger an Dogmen oder Trends zu orientieren scheint als an Fragestellungen, die aus der Auseinandersetzung mit den Spezifika einer Bauaufgabe und dem konkreten Ort, in dem diese implementiert wurden, abgeleitet wurden. Prestigeobjekte wie der Wolkenturm in Grafenegg werden so in einem allgemeinen Diskurs eingebettet. Ein Schwerpunkt liegt allein quantitativ auf dem Wohnbau. Die Vielzahl der beschriebenen Einfamilienhäuser erscheint in Hinblick auf das Gesamtkonzept dann doch als ein leichter Rückschritt und als ein kleines Zugeständnis an die »Schöner-Wohnen-Gemeinde«. Allerdings zeigen auf der anderen Seite die versammelten Ausprägungen verdichteter Wohnformen, dass man auch kompakter und urbaner leben kann, ohne dass die Qualität verlorengehen muss. Ein Beispiel dafür sind etwa die Projekte Ernst Linsbergers, die die in Österreich von Roland Rainer geprägte Tradition des verdichteten Flachbaus auf intelligente Weise weiterführen. Rainers gerade posthum fertig gestellte Gartenstadt St. Pölten findet sich auch in dem Band.
Zu wünschen wäre, dass der im dritten Band eingeschlagene Weg im vierten Band noch deutlichere Spuren hinterlassen wird. Was wäre, wenn man überhaupt nur maßgebende ORTE auswählen würde und dann Projekte, die diese auf spannende Weise exemplifizieren?
Andre Krammer ist selbstständiger Architekt und Urbanist in Wien.