politik braucht gewissen - ein gebiss - oder gewissensbisse ...
präsidentschaftskandidatin und außenministerin benita ferrero-waldner wird seit der angelobung zu ihrer ersten amtszeit – durch den fauxpas des amtierenden bundespräsidenten klestil – gerne »benito« genannt. wollte klestil sich damals an ihr rächen, oder wollte er – der vorzeigediplomat, der kontrolleur der macht – seinen unmut an einer regierungskoalition kundtun, die ihm nicht besonders zusagte, die er aber immerhin angelobte? ferrero-waldner profilierte sich in der öffentlichkeit durch ihr lächeln, durch ihre inkompetenz, durch ihr styling, durch ihre politische wankelmütigkeit, durch ihr frau-sein, ohne feministin zu sein und durch ihr politisches versagen den inhaftierten mitgliedern der volxtheaterkarawane in italien gegenüber. von den ceiberWeibern im frühjahr 2002 interviewt, beantwortet ferrero-waldner die frage nach der diskriminierung als frau im amt der außenministerin: »Da haben Sie sicher recht, denn in unserer Gesellschaft reden alle davon, wie wichtig die Rolle der Frau ist, und betonen ein neues Rollenbild der Frau im Beruf. Nun bin ich eben die erste Außenministerin, und damit kommen die Männer in der Opposition, aber auch andere, nicht immer zurecht.« Aus dem Interviewende: »Nach einer etwaigen Kandidatur als Bundespräsidentin habe ich zwar nicht gefragt, aber ... wenn Österreich für die erste Außenministerin reif ist, sollte auch mal eine Bundespräsidentin möglich sein, oder?!« diese frage ist grundsätzlich mit ja zu beantworten, aber trifft das auch zu, wenn die einzige weibliche kandidatin ferrero-waldner heißt? die politik der bundesregierung zeigt, welche rolle sie den frauen in der gesellschaft zugesteht. überspitzt: gottesfürchtige, treue, hauptberufliche mutter – die eventuell noch ein bisschen dazuverdient, damit die familie sich »was leisten« kann. von ferrero-waldner können sich frauen nichts erwarten. ferrero-waldner als »alibi-frau« im höchsten amt des staates (wobei ich nicht davon überzeugt bin, dass die reaktionäre klientel der övp sie hinaufhievt), die zeigt, dass frau auf dem aufbauen kann, was frauen in den letzten mehr als hundert jahren mühsam erkämpft haben, ohne sich mit deren geschichte und kampf auseinanderzusetzen. die frau also, der der muttertag näher ist als der 8. märz. warum sollen frauen für benita ferrero-waldner stimmen? detto könnte ich fragen: warum sollen frauen heinz fischer ihre stimme geben? frau-sein als politisches konzept ist ein schuss ins bein. was fehlt, ist eine kandidatin, die feministische anliegen vertritt, damit die frauen, die nach dem geschlecht wählen, um zu demonstrieren, dass ihnen feministische anliegen und politik wichtig sind, eine wählbare kandidatin vorfinden. und der politische diskurs weg vom herzen zum hirn geht. damit die frage der farbe des kostüms und der dazu passenden ohrclips wieder ausschließlich in boulevardgazetten verhandelt wird. und damit nicht die diktatur des herzens herrscht im reich des kitsches.
Christina Nemec