Projekt www.muSIEum.at
Museum und Gender: ein schwieriges VerhältnisMuseen, Sammlungen, Archive, Bibliotheken, sie stellen Räume der Öffentlichkeit dar. Wie die Öffentlichkeit in und an diesen Räumen partizipieren kann, wie die Öffentlichkeit in diesen Räumen eingeschrieben ist, führt uns zu den schwierigen Verhältnissen zwischen Anteilhabe und Repräsentation, zwischen Einschlüssen und Ausschlüssen. Museen und Sammlungen legen Zeugnis ab. Aus dem Bewahrten schaffen sie über die Zeit einen Kanon des Bewahrenswerten. Und so stellen diese öffentlichen Räume auch Zeugnis aus über das, was von vergangenen Öffentlichkeiten geblieben ist, sie repräsentieren, wie die Gegenwart über dieses Verbliebene befindet.
Museen, Sammlungen, Archive, Bibliotheken, sie stellen Räume der Öffentlichkeit dar. Wie die Öffentlichkeit in und an diesen Räumen partizipieren kann, wie die Öffentlichkeit in diesen Räumen eingeschrieben ist, führt uns zu den schwierigen Verhältnissen zwischen Anteilhabe und Repräsentation, zwischen Einschlüssen und Ausschlüssen. Museen und Sammlungen legen Zeugnis ab. Aus dem Bewahrten schaffen sie über die Zeit einen Kanon des Bewahrenswerten. Und so stellen diese öffentlichen Räume auch Zeugnis aus über das, was von vergangenen Öffentlichkeiten geblieben ist, sie repräsentieren, wie die Gegenwart über dieses Verbliebene befindet.
Gesellschaftliche Rollen und Funktionen, Fluchtpunkte des Imaginären und die Ordnung des Symbolischen sind in diesem Bewahrten im doppelten Wortsinn aufgehoben. Je besser sie aufgehoben sind, desto weniger wird nach ihnen gesucht. Man nimmt das für gegeben, was an der Oberfläche in Erscheinung tritt. Um dieser Aufhebung entgegenzuarbeiten, gilt es den vergangenen Sinn in seiner Vielfalt, das Funktionieren der Objekte in ihrer Multidimensionalität, zu bergen. In dieser Aufhebung partizipiert die Gegenwart, partizipieren unsere Interessen und Beziehungen mit dem Bewahrten. Vergangener Zeitgeist weht in die Gegenwart. Aber das Sichtbare fällt mit dem Sagbaren nicht in eins. Das Sagbare ist mit dem Sichtbaren nicht ident. Und genau diese Differenz ist der Auftakt für die Erklärungsbedürftigkeit der Relikte, der gesammelten Artefakte. Hier erfolgt der Einsatz für den Kommentar.
Für den Kommentar wiederum gelten ähnliche Spielregeln wie für den Kanon des Bewahrens und Sammelns selbst. Soziale Rollen, Funktionen, Ordnungen sind in all ihrer Überzeugungskraft in ihn eingeschrieben. Beginnt man über diese unausgesprochenen Spielregeln des (beg-)leitenden Kommentierens zu reflektieren, so wird bald augenfällig, woran es herkömmlichen Museen und Sammlungen strukturell mangelt. Die Woge des Mainstreams reißt die Interpretation mit. In ihrem manchmaligen Zurückweichen, in den Ablagerungen und Sedimentierungen, die sich im Abseits ereignen, gilt es fündig zu werden, will man Zusammenhänge ins Bewusstsein rufen, in den Vordergrund rücken, die vordergründig vom patriarchal-hegemonialen Diskurs überdeckt werden.
Subtile Differenzierungen, andere Blickpunkte, andere Zugänge zu den Speichern des Wissens und der Vorstellungen der Vergangenheit, fallen in diesem Mainstream nicht ins Gewicht. Vorstellungen über Geschlechterdifferenz, über Gender, über cultural diversity, über ethnic minorities, über marginalisierte Lebenszusammenhänge, sie stehen nicht im Zentrum des musealen Blicks. Wenn sich diese Perspektiven an das Museum anlegen, dann kommen sie aus der Peripherie. Doch die binären Unterscheidungen in zentral/peripher, in lokal/global, in alternativ/Mainstream haben den festen Boden unter den Füßen verloren. Und in diesem Wankendwerden öffnen sich neue Räume, Zwischen-Räume, in denen die Gelenktheit des öffentlichen Blicks auf den Bestand von Museen und Sammlungen sich ablenken lässt, produktiv wird für andere Fragen und Zusammenhänge, in denen die Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit der Verhältnisse zwischen dem Sichtbaren und dem Sagbaren produktiv zu werden beginnen.
Museen verwalten unser kulturelles Erbe. In diese Verwaltung, in das Sammeln und Bewahren, Ausstellen und Kommentieren sind die Blickachsen der Moderne eingeschrieben, die direkt in unsere Gegenwart führen und zentral mit Einschlüssen und Ausschlüssen operieren. »Museen und Ausstellungen gehören zu den Sinnagenturen der Moderne.«[1] Was Museumsreife erlangt, ins Museum kommt und von diesem auch ausgestellt wird, gilt als Spiegel der Kultur. Im Raum des Museums herrschen die Gesetze der Repräsentation und der Konstruktion. Nie ist dieser Raum frei von Macht und Interessen, frei von zeitgeschichtlichen Prägungen und Vorlieben. Diese werden jedoch kaum Gegenstand der Befragung. Selten werden sie überhaupt als solche wahrgenommen. Museum macht Eindrücke. In diese Eindrücke ist das eingeschrieben, was der dominierende Blick auf die Geschichte für die Gegenwart auswählt. Was entlang dieser Blickachse nicht vorkommt, das tritt im Museum nicht in Erscheinung, hat keinen Eindruck gemacht und kann keinen hinterlassen. In dem Ausmaß, wie Museen Kultur zeigen und Vergangenheit im Augenblick der Gegenwart vergegenwärtigen, werden Beziehungen zwischen Dingen, Ereignissen, Menschen und Entwicklungen nahe gelegt.
Genauso spannend ist es, nach dem zu fragen, was im Museum nicht sichtbar wird, was da ist, aber unter die museale Wahrnehmungsschwelle fällt. Eine Differenz, die Objekte des Museums in sich tragen, die aber vom Museum in Displays und Vermittlung höchst selten markiert wird, ist die der Geschlechterdifferenz. »Ansatzpunkt für die Kritik der feministischen Bewegung an der Institution Museum war die mangelnde Repräsentation von Frauen, die sowohl an der Sammel- als auch an der Ausstellungspraxis festgemacht wurde.«[2] Der scheinbar neutrale und objektive Blick der Institution Museum macht Geschlecht. Zugleich bringt dieser Blick Geschlechterdifferenz zum Verschwinden und setzt an die Stelle der Differenzierung einen patriarchal-hegemonialen Zugang. Ähnliches passiert bei »reinen« Frauenausstellungen. »Indem vor allem der Referent Mann ausgeblendet blieb, trugen feministische Ausstellungen dazu bei, dass Frauen als ‘das Andere’, das der besonderen Darstellung bedarf, wahrgenommen wurden.«[3] In der gängigen musealen Praxis ist der Zugang zum gewählten Thema nicht Thema der Ausstellungspraxis. Wer, wie, warum, mit welchen Objekten, welchen Texten zu wem spricht, das bleibt unausgesprochen.
An diesem entscheidenden Punkt notwendiger, aber mangelnder Differenzierung setzt das virtuelle Museum www.musieum.at an. Dieses Projekt des Wiener Frau-enbüros, kuratiert von Elke Krasny und Nike Glaser Wieninger, versammelt an die vierzig Objekte aus vier Wiener Museum, dem Wien Museum, dem Jüdischen Museum Wien der Stadt Wien, dem Technischen Museum Wien sowie dem Österreichischen Museum für Volkskunde. Diese unter einem genderspezifischen Blickpunkt ausgewählten Objekte sind in dreizehn vernetzten Wissensräumen zueinander und miteinander in Beziehung gesetzt. Da Objekte immer vielschichtige Bedeutungen in sich tragen, ist jedes der ausgewählten Objekte in mindestens zwei thematischen Räumen beheimatet. www.mu sieum.at nutzt die Logik des Mediums Museum als Konfiguration für den virtuellen Raum. Und der virtuelle Raum entfaltet für diese Logik neue Möglichkeiten der Interaktivität, neue Möglichkeiten der Navigation. Durch die Besuche der UserInnen entfaltet sich die Sammlung in ihrer Interaktivität, Objekte können schon immer vorhandene Aspekte ihrer Bedeutung freilegen.
So ist das Ölgemälde Die Barrikade auf dem Michaelerplatz in der Nacht vom 26. auf den 27. Mai 1848 von Anton Ziegler in den Themenräumen Krieg, Autonomie und Öffentlicher Raum vertreten. Dieses Bild ist ein Paradebeispiel für das Verhältnis zwischen dem, was sich im Museum zeigt, und dem, was gezeigt wird. Im nächtlichen Revolutionsgeschehen sind lichtdramaturgisch in Szene gesetzt viele Frauen zu sehen. Im begleitenden Text des Wien Museums sind die Revolutionstage des Jahres 1848 um die Frau Biedermeier auf den Barrikaden wieder ärmer geworden. Was den Blick der MuseumsbesucherInnen auf das Bild lenkt, ist ein Kanon, der das Sichtbare nicht in Sagbares verwandelt und so Geschichtsüberlieferung entlang eines hegemonialen Diskurses weiter schreibt.
Das schwierige Verhältnis zwischen Museum und Gender verlangt nach Rekontextualisierungen, nach geschlechtersensibler Museumsarbeit. Wie unterschiedlich die Lebensbedingungen von Frauen und Männern historisch waren, welche Differenzen die Geschlechterdifferenz in Alltag und Politik, im symbolischen wie im kulturellen Haushalt nach sich gezogen hat, wäre ein weites und anregendes Arbeitsfeld für kulturhistorische wie technikgeschichtliche Sammlungen. In www.musieum.at geht es nicht um das Abwesende, nicht um die Feststellung unter-repräsentierter weiblicher Lebenswelten in Museumsobjekten, sondern um einen differenzierenden Zugang zum Bestand, der sich unter unterschiedlichen Bezugspunkten öffentlich sichtbar machen lässt und somit der Geschichte als kanonisierender, eindimensionaler Überlieferungstradition eine Vielstimmigkeit entgegenzusetzen sucht.
Für die BesucherInnen des virtuellen Musieums setzen die grafischen Zugänge auf navigierende Erfahrungen. Die Objekte führen durch die Wissensräume, die Objekte leiten weiter, sie leiten über, führen durch die Navigationsspur der BesucherInnen der Site zu Räumen und Begriffen. Zwischen den Objekten und den zuordnenden, assoziierenden Begriffen entfalten sich über Bild und Text kulturelle Prozesse. Und kulturelle Prozesse sind immer auch geprägt von den unterschiedlichen Ausgangspositionen, die die Akteure und Akteurinnen in diesen Prozessen haben. »Der Erfahrungshorizont der Vergangenheit mit seinen geschlechterspezifischen Codierungen würde sich erweitern. Idealiter ginge es nun nicht um eine Darstellung von Männertechnik und Frauentechnik oder Männerkunst und Frauenkunst oder Männergeschichte und Frauengeschichte, sondern um einen differenzierenden und sensibilisierten Blick auf die Objekte selbst und das, was an Lesarten in ihnen steckt.«[4] Aber ob das Museum schon in die Geschlechts-Reife gekommen ist, diese Frage bleibt offen. Wie Wolfgang Kos, Direktor des Wien Museums, in einem der Audiofiles auf www.musieum.at feststellt, handelt es sich bei Museen eben um »langsame Wender« ...
Fußnoten
Martina Eberspächer, Gudrun Marlene König, Bernhard Tschofen (Hgg.), Gottfried Korff, Museumsdinge deponieren – exponieren. Köln u. a. 2002, S. IX. ↩︎
Roswitha Muttenhtaler, Regina Wonisch, Zum Schauen geben. Ausstellung von Frauen- und Geschlechtergeschichte in Museen, in: MA 57 – Fauenförderung und Koordinierung von Frauenangelegenheiten (Hg.), Guide to ... mu- SIEum, Wien 2003, S. 53. ↩︎
a.a.O. ↩︎
Nike Glaser Wieninger, Elke Krasny, Museum Macht Geschlecht, in: MA 57 – Frauenförderung und Koordinierung von Frauenangelegenheiten (Hg.), Guide to ... muSIEum, Wien 2003, S. 62f. ↩︎
Elke Krasny ist Kuratorin, Stadtforscherin und Professorin für Kunst und Bildung an der Akademie der bildenden Künste Wien.