Queer Johnson
Besprechung von »Raum, Macht & Differenz« von Dörte KuhlmannDörte Kuhlmann
Raum, Macht & Differenz
Wien: edition selene, 2003
248 S., EUR 22,40
Die Buchveröffentlichung von Dörte Kuhlmanns Habilitationsschrift präsentiert sich als mit zahlreichen Beispielen illustrierter Querschnitt durch Konstruktionen von genderspezifischen Schemata in Kunst-, Sozial- und vor allem Architekturgeschichte. Stellenweise ist das reichlich wirr, wenn soziale und rassistische Abgrenzungsmechanismen wie Dienstbotentreppenhäuser oder Einbahnstraßensysteme, die »bessere«, sprich »weiße« US-amerikanische Wohnviertel von »schlechteren« bzw. »schwarzen« aus de facto unzugänglich machen, mit geschlechtsspezifischen durcheinander geworfen werden. Oder wenn die Geschlechtertrennung in katholischen Kirchen angeprangert wird, während die weitaus rigidere, augenfälligere und sich vor allem auch architektonisch manifestierende in Synagogen und Moscheen nur äußerst verschämt Erwähnung findet.
In den folgenden Kapiteln räumt Kuhlmann dank ihres sachlichen Zugangs aber mit einigen Untoten der Kulturgeschichte auf, zum Beispiel der strikt freudianischen Phallus-Konnotation von Hochhäusern oder der plakativ weiblichen von höhlenartigen Räumen und runden Formen. Von einer Darstellung weiblicher Lebensweisen in der Antike geht es bis zur Moderne. Entthront werden dabei unter anderem Größen wie Walter Gropius. In seiner Funktion als Bauhaus-Direktor führte er angesichts der aus heutiger Sicht erfrischend normalen Tatsache, dass sich am Bauhaus etwa gleiche viele Männer und Frauen bewarben, zuerst höhere Studiengebühren für Studentinnen ein. Als sie sich auch dadurch nicht fernhalten ließen, wurden sie auf Betreiben des Rektors – wohl auch aus Sorge um den Ruf einer Hochschule, die Gefahr lief, in den damals der seriösen Architekturausbildung nicht unbedingt förderlichen Ruf einer Art Frauenkunst(gewerbe)schule zu gelangen – sukzessive von fast allen Werkstätten ausgeschlossen, so dass ihnen zeitweise nur noch die Weberei blieb. Die Architektur sollte ihnen nach Gropius’ Wunsch auf jeden Fall verwehrt bleiben. Da hätte es natürlich interessiert, wie sich die Geschlechterverteilung und ihre Steuerung unter den beiden folgenden Bauhaus-Direktoren Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe entwickelten. Man erfährt es nicht; Mies van der Rohe kommt allerdings in Form einer Analyse der komplexen Raum(-zonen)nutzungen im Haus Tugendhat vor. Die alles andere als unemanzipierte Hausherrin arbeitete dort immer an einem der Schreibtische ihres Mannes – in dessen Schlafzimmer oder im Wohnraum. Sie selbst hatte keinen Arbeitsplatz und auch nie einen eingefordert, obwohl sie, standesgemäß nicht berufstätig, aber besonders seit 1933 karitativ für ExilantInnen engagiert, im Gegensatz zu ihrem Mann, der den Textilbetrieb der Familie leitete, ihrer Tätigkeit vorwiegend zu Hause nachging.
Im ganzen Buch, dessen Layout von der Autorin gestaltet wurde, wären bessere Illustrationen ein dringendes Desiderat gewesen. Statt des briefmarkengroßen, unterbelichteten Bildchens von Philip Johnsons Glashaus, das für jene, die das Haus kennen, ebenso wenig Aussagewert hat wie für die, die es nicht kennen, hätte man sich beispielsweise eine Abbildung des beschriebenen »Gästehauses« gewünscht, das trotz seines Namens als »queer space« für Johnsons weniger öffentliches (sexuelles) Privatleben konzipiert war: »Die Wände sind pinkfarben gehalten, und es gibt weiße, mit Lammfell bezogene Sitzkissen, die Johnson selber entworfen hat.« Das hätte man doch, anstelle des tausendfach reproduzierten Standard-Fotos in schlechter Qualität, viel lieber gesehen! Am Ende muss man jedenfalls Kuhlmanns Resümee zustimmen: Nämlich »dass es wenig Grund gibt zu glauben, dass die Architektur eher von biologischen als sozialen Faktoren abhängt.«
Dörte Kuhlmann
Raum, Macht & Differenz
Wien: edition selene, 2003
248 S., EUR 22,40
Iris Meder