Resonanzen
In der siebten Ausgabe haben wir bereits über Maria Theresia Litschauers Arbeit landscapes_ berichtet, die Ausstellung war im Frühjahr in der Kunsthalle Krems zu sehen. Mittels Fotos und Statistiken wurde dort die zunehmende Annäherung von Stadt und Land thematisiert, wie sie auch im noch ursprünglich geglaubten Waldviertel immer sichtbarer wird. Drei der Motive hat Maria Theresia Litschauer nun für eine Plakataktion ausgewählt: in Zusammenarbeit mit der heimatwerbung niederösterreich wurden sie von Juli bis August an 900 Plakatwänden in ganz Niederösterreich affichiert.
In der siebten Ausgabe haben wir bereits über Maria Theresia Litschauers Arbeit landscapes_ berichtet, die Ausstellung war im Frühjahr in der Kunsthalle Krems zu sehen. Mittels Fotos und Statistiken wurde dort die zunehmende Annäherung von Stadt und Land thematisiert, wie sie auch im noch ursprünglich geglaubten Waldviertel immer sichtbarer wird. Drei der Motive hat Maria Theresia Litschauer nun für eine Plakataktion ausgewählt: in Zusammenarbeit mit der heimatwerbung niederösterreich wurden sie von Juli bis August an 900 Plakatwänden in ganz Niederösterreich affichiert.
Niklas Luhmann betrachtet die moderne Gesellschaft als ein System, das von so hoher Komplexität ist, dass es nicht möglich ist, es in einfachen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen zu beschreiben. Vielmehr wird »der Zusammenhang von System und Umwelt dadurch hergestellt, dass das System seine Selbstreproduktion durch intern zirkuläre Strukturen gegen die Umwelt abschließt und nur ausnahmsweise, nur auf anderen Realitätsebenen, durch Faktoren der Umwelt irritiert, aufgeschaukelt, in Schwingung versetzt werden kann. Eben diesen Fall bezeichnen wir als Resonanz.«[1] Maria Theresia Litschauers Plakate arbeiten mit eben dieser Methode. Was sie abbilden, ist die zunehmende Überformung der Landschaft, ihre fortschreitende Umwandlung in nutzbare Infrastruktur. Sie zeigen damit, was ohnehin sichtbar ist, meist auch in unmittelbarer Umgebung der Plakate, die vor allem für den Blick aus dem Auto gedacht und daher in jenen suburbanen Zonen situiert sind, die von den Plakaten problematisiert werden. Auf den ersten Blick sind sie auch nicht von jenen Werbeplakaten zu unterscheiden, die auf diesen Flächen üblicherweise präsentiert werden; das Medium Plakatwand macht Litschauers Bilder zu Bestandteilen jener Geschäftswelt, deren Produkte sie darstellen. Gleichzeitig entziehen sie sich aber jener zielgerichteten Intensionalität, der die Werbung größtenteils immer noch folgt; ihr Ziel bleibt unklar, ihre Botschaft mehrdeutig. Auch wenn sie in hohem Grade Teil des gegenwärtigen Systems sind, dessen Sujets und Techniken sie übernehmen, transponieren sie diese auf eine andere Ebene. Gerade ihre scheinbare Affekt- und Ziellosigkeit, die Struktur der intensionslosen Wiederholung macht den Unterschied und macht auch ihren Kunstkontext deutlich. Die Wiederholung unterbricht den normalen Funktionszusammenhang, schiebt ihn auf, affiziert ihn mit sich selbst und versucht, ihn in Schwingung zu versetzen.
Der Ausgang eines solchen Unterfangens ist freilich ungewiss: das Beschallen in der Eigenfrequenz führt nicht zwangsläufig zum Zusammensturz des Systems, seine Bestärkung ist ebenfalls möglich. Die Reaktionen der BetrachterInnen sind in hohem Maße von deren Voreinstellungen abhängig, vor allem von deren Verhältnis zu Autoritäten. Auch wenn man in Österreich wie auch anderswo die Gewohnheit pflegt, sich über PolitikerInnen zu mokieren, muss dies nicht von tiefsitzender Autoritätsgläubigkeit abhalten – die hierzulande besonders tiefsitzt.
Was auf Plakaten abgebildet wird und dann noch die Signatur des Landes Niederösterreich trägt, das die Aktion finanziell unterstützt hat, genießt Vertrauen und wird ernst genommen. So zumindest hat es die Künstlerin auf ihrer Fototour von einer von ihrem Land und seinen Plakaten begeisterten Anrainerin erfahren. Auch wenn man als vom ökologischen Zeitgeist geprägter Mensch geneigt ist, das Ende von Fortschrittsglaube und Modernisierungswillen Anfang der 70er Jahre anzusetzen, existieren andere Zeitgeister ungebrochen daneben. Werbung für ein positives Image von Verkehrs- und Gewerbeflächen kann dann auch als legitimer Aufruf zur Anpassung an die Erfordernisse der Zeit erscheinen. Und der Eindruck entstehen, dass es sich um eine Werbekampagne des Landes handelt, eben um »Heimatwerbung« – was ja auch am oberen Ende jeder Plakatwand steht.
Was geschieht, wenn Kunst und Werbung gemeinsame Wege gehen, bleibt eine noch zu beantwortende Frage. Wahrscheinlich ist jedoch, dass die Flexibilität kommerziellen Handelns der Kunst eine Nasenlänge voraus hat: die Werbung hat längst von ihr gelernt und nimmt ihre Arbeitsweisen für sich in Anspruch. Mittlerweile weiß nicht nur Luhmann, dass direkte Manipulation schlecht ankommt, die Imagination der Menschen will angeregt werden.
900 Plakate waren in ganz Niederösterreich im Format von 2,38 m auf 3,36 m in Farbe zu sehen. Nach diesem Folgeprojekt, das die Arbeit landscapes_ aus dem Museum in den öffentlichen Raum transferiert hat, erweitert Maria Theresia Litschauer ihr Projekt um eine weitere Folge. Sie hat nun einen großen Teil der Standorte bereist und die Plakate in ihrem Kontext fotografisch festgehalten. Die abgebildeten Fotos zeigen einen kleinen Ausschnitt einer dokumentarischen Arbeit, von der geplant ist, sie noch in ihrem ganzen Umfang zu publizieren.
Fußnoten
Niklas Luhmann: Ökologische Kommunikation, Opladen 1988, S. 4 ↩︎
Christa Kamleithner
Maria Theresia Litschauer