Schlampen und Genderfucker
Räume werden von Machtstrukturen durchdrungen und materialisieren diese dadurch. Ein Raum ist wohl schwer von seiner Funktion zu trennen, vor allem weil letztere meist untrennbar mit der Räumlichkeit selbst verquickt ist. Sich mit diesen Machtstrukturen kritisch auseinanderzusetzen, verändert das Verhältnis zum Raum. Wie das aussehen kann und wo die Grenzen der Veränderung liegen, will ich hier versuchen zu zeigen. So ist es zwar möglich, die herrschaftlichen Verhältnisse, die durch Räume versteinert werden, aufzudecken und anzugreifen, doch kann eine bloße Auseinandersetzung mit dem gebauten Raum nicht reichen, eben jene Verhältnisse zu verändern, die sich in die Menschen selbst eingeschrieben haben. Räume sind die Kulisse der gesellschaftlichen Verhältnisse und strukturieren, beeinflussen diese gleichzeitig.
Es gab immer und in allen Kulturen Orte, an denen Frauen unter sich waren. Das sagt allerdings nichts über die Modalität oder Funktion dieser Orte und Räume aus, die es vor allem gab, um Frauen aus anderen Räumen fernzuhalten. Auch heute bedeutet »Frauenraum« nicht unbedingt bzw. in den seltensten Fällen, dass es sich um selbstgewählte Räume und Orte handelt, die von Frau(en) nach Lust und Laune besetzt werden können. Frauenklos und Frauenknäste sind da nur zwei Beispiele, die wohl kaum einen emphatischen Begriff von Frauenräumen entsprechen, gibt es sie doch auch als männliches Pendant und verweisen sie doch so eher auf eine versteinerte Form der Geschlechtertrennung. Wenn es um Frauen und Räume gehen soll, sind dabei Machtverhältnisse mitzudenken. Allgemein sind das gesellschaftliche und im besonderen betreffen sie ganz bestimmte Frauen-Räume.
Allein die Tatsache, dass zunehmend über die Machtverhältnisse im Raum nachgedacht wird und Frauenräume geschaffen werden – und darunter fallen meines Erachtens neben staatlich definierten Frauenräumen wie Frauenknast und Frauenklo Kneipen von und für Frauen und Frauenhäuser –, spricht für sich: Frauen wollen, brauchen und nehmen sich diese Räume. Um was für Räume es dabei geht, warum sie notwendig sind und was daran problematisch ist, ist Thema dieses Artikels.
Genderfuck-Klo und Schlampenkneipe...
An der Bremer Uni gab es in den letzten Wochen des Sommersemesters 2003 eine Überraschung: Eine Männertoilette im Hauptgebäude wurde zum Genderfuck-Klo erklärt. Die in (halb)öffentlichen Gebäuden grundsätzlich in Mauern gegossene Geschlechterdichotomie der Toiletten-Räumlichkeiten wurde in Frage gestellt und schlichtweg umbedeutet in Klo – ohne »Herren« oder »Damen« an der Tür, stattdessen wurde dort ein Schild mit der Aufschrift »genderfuck« angebracht. Dort konnte, wer wollte, die ganze Gender-Scheiße lassen und sich nicht weiter darum kümmern. Drinnen gab es viel Deko und lustige Fotos. Die neue Besetzung dieses monofunktionalen Raums wurde einfach so hingenommen, es gab keinen Skandal[1], nur einige verwirrte männliche Studenten, als plötzlich Frauen aus den Kabinen kamen und an den Pissoirs vorbeigingen. Dass die Geschlechtertrennung qua Klotrick aufrechterhalten wird, hat Folgen, die bei weitem die bloße Banalität übersteigen. In einem taz-Artikel wird so beispielsweise beschrieben, dass Betriebe oft immer noch keine Frauen einstellen oder ausbilden – mit der Begründung, dass sie keine getrennten Toiletten und/oder Umkleideräume haben. Auf diese Weise wurden Frauen bis in die neunziger Jahre aus bestimmten Erwerbszweigen ausgeschlossen, und das aufgrund von biologistischen, physiologischen, sozialpolitischen und – erschreckenderweise immer noch so genannten – »sittlichen« Annahmen. Was die Toilettenregelung betrifft: »Die Vorschriften über getrennte Räumlichkeiten gehen auf die Gewerbeordnung von 1869 (!) zurück. Auch wenn diese Paragraphen inzwischen tot sind: Die alten Vorstellungen, was sich für Frauen ziemt und was nicht, sind quicklebendig.«[2]
Da Toiletten normalerweise nicht als Ort fröhlichen Beisammenseins gelten und in ihrer Monofunktionalität ausschließlich sanitären Bedürfnissen gerecht werden wollen (was sie allerdings keinesfalls immer schaffen!), besteht der politische Ansatz des Genderfuck-Klos eher darin, die totale Geschlechtertrennung und ihre Aufrechterhaltung bewusst zu machen und damit in Frage zu stellen. Dafür eignen sich Toiletten überhaupt gut, siehe Klosprüche ...
Eine andere Raumauffassung findet sich in der Schlampenkneipe. Einmal in der Woche ist das Vereinshaus zakk (zentrum für aktion, kultur und kommunikation) »männerfrei!« und bedient sich damit des Geschlechts als positiver Abgrenzung: Hier können Frauen unter sich sein, ohne männlichen Anmachen ausgesetzt zu sein. »Männerfrei!« bedeutet im Kontext des zakk allerdings nicht, dass nur Frauen hineindürfen. Es geht um Menschen, die sich nicht in erster Linie als Männer wahrnehmen und vor allem auf andere nicht so wirken. Dabei kann es durchaus zu kontroversen Diskussionen kommen, die auch zugelassen werden und zu großen Teilen zu der Dynamik der Veranstaltung beitragen. Da sich diese Abende herumgesprochen haben und (auch) wegen der Abgrenzung gut ankommen, hat sich hier ein Frauenraum im emphatischen Sinne gebildet, wenn auch nur an einem Abend in der Woche. Überall auf der Straße, in Kneipen, an der Uni etc. sind Frauen offenem und verstecktem Sexismus ausgesetzt, deshalb brauchen wir – so das Motto der Schlampenkneipe – Räume, in denen wir davon verschont werden und ungestört von blöden Sprüchen zusammen sein können. Insofern begreift sich die Schlampenkneipe auch als Schutzraum vor unerwünschten Übergriffen.
So verschieden die beiden Projekte sind, beschäftigen sie sich jeweils mit einem ganz spezifischen Geschlechterverhältnis im sozialen Raum, auf das sie kritisch reagieren. Ist es zum einen die anerzogene, gesellschaftlich durchgesetzte Geschlechtertrennung auf dem Klo, welche zu Veränderung drängt, ist es in der Kneipe die absichtliche Abgrenzung, die eingefordert wird. Die Genderdiskussion der letzten Jahre wird praktisch ausprobiert, propagiert und schlägt sich somit auch in Räumen nieder.
oder doch a room of one’s own?
Allein eine Eingrenzung der Begriffsklärung von Raum ist hier möglich, um nicht den Artikel-Raum zu sprengen. Raum ist nicht einfach als kubische Formel, sondern als soziale Konstruktion und Produktion zu sehen. In erster Linie sind Räume an Funktionen und Handlungen gebunden, und spätestens an dieser Stelle kommt die zeitliche Dimension hinzu, denn die Funktion der Räume hängt auch von dieser ab. Damit erhalten Räume und Orte ein ambivalentes Flair: Es kommt immer auf die Besetzung und Verwendung von Orten an. So kann der Stadtpark, der tagsüber zum Flanieren einlädt, nachts abstoßend wirken; ebenso das Businessviertel, in dem am Tag mehrere tausend Menschen arbeiten und nachts die Security durch die menschenleere Gegend streift. Allein die Funktion eines Gebäudes verweist auf ein Machtverhältnis, drückt diese sich doch auch in der Form und Gestaltung von Raum (und Zeit) mit aus.
Indem Frauenräume Frauen Räume geben, in denen sie die von Männern geschaffenen und nicht selten von ihnen selbst mitgetragenen Machtverhältnisse ausblenden können, die sie täglich und überall erfahren (müssen), und deshalb offen angreifen, werden sie immer wieder zu Rückzugsorten, an deren Wichtigkeit nicht zu zweifeln ist. Eine solche Institution jedoch als frei oder Blümchenwiese wahrzunehmen, wäre unreflektiert, wenn nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse als ganze für abschaffenswert, weil herrschaftlich, gehalten werden: Lauter neue Genderfuck-Klos und Schlampenkneipen zu schaffen, um die soziale Realität damit abzuwenden, kann bestehende Verhältnisse inklusive Geschlechterdichotomie nicht abschaffen, sondern bestätigt sie vielmehr. Deshalb geht es nicht darum, Frauenräume per se affirmativ darzustellen, sondern eher darum, das trügerische Gefühl von »Befreiung« nicht als wahre Befreiung zu verstehen. Frauenräume zu schaffen, kann somit als Schritt in die richtige Richtung verstanden werden, bei dem jedoch nicht stehen zu bleiben ist. »Verstecken« sich Frauen in neuen, männerfreien Räumlichkeiten, wird sich dadurch keinesfalls automatisch etwas an der patriarchal strukturierten Gesellschaft ändern.
Fußnoten
annaconda