Schwarze, aggressive Drogenhändler vs. korrekte, vorbildliche Polizisten
Seit Mitte der 90er Jahre gelangen regelmäßig Berichte über Polizeiübergriffe auf Schwarze in Zusammenhang mit Drogenrazzien und Kontrollen an die Öffentlichkeit. Dabei sagt die Zahl der Fälle, die medial präsentiert werden und wurden, noch gar nichts über die wahren Verhältnisse aus. Bei Befragungen und Projektstudien stellt sich immer wieder heraus, dass es kaum Menschen mit dunkler Hautfarbe gibt, die noch nicht rassistisch beschimpft oder diskriminiert worden sind. Obwohl von hohen Polizeibeamten immer wieder angekündigt wird, die Fälle »restlos aufzuklären«, werden schlussendlich doch fast immer die PolizistInnen von jeglicher Schuld freigesprochen, womit ihr Handeln als rechtlich gedeckt gilt.
Seit Mitte der 90er Jahre gelangen regelmäßig Berichte über Polizeiübergriffe auf Schwarze in Zusammenhang mit Drogenrazzien und Kontrollen an die Öffentlichkeit. Dabei sagt die Zahl der Fälle, die medial präsentiert werden und wurden, noch gar nichts über die wahren Verhältnisse aus. Bei Befragungen und Projektstudien stellt sich immer wieder heraus, dass es kaum Menschen mit dunkler Hautfarbe gibt, die noch nicht rassistisch beschimpft oder diskriminiert worden sind. Obwohl von hohen Polizeibeamten immer wieder angekündigt wird, die Fälle »restlos aufzuklären«, werden schlussendlich doch fast immer die PolizistInnen von jeglicher Schuld freigesprochen, womit ihr Handeln als rechtlich gedeckt gilt. Obwohl es äußerst unwahrscheinlich ist, dass immer die PolizistInnen die Wahrheit sagen und kaum einmal die von Rassismus Betroffenen, und obwohl es in vielen anderen Großstädten ganz ähnliche Probleme gibt, und dort auch gelegentlich eingestanden wird, dass es sich keineswegs nur um ein marginales Problem handelt, das ein paar »schwarze Schafe« betrifft, sondern dass es sich vielmehr um strukturellen Rassismus handelt, kam es in Wien noch zu keinen grundlegenden Änderungen in der Polizeiarbeit, in der Ausbildung oder in der Zusammensetzung der Polizei. Ein Menschenrechtsbeirat oder ein paar Stunden Ausbildung, in denen gelehrt werden soll, wie PolizistInnen mit »AusländerInnen« umzugehen haben, haben bis jetzt nicht verhindert, dass Schwarze von vielen BeamtInnen in erster Linie einmal für potentielle DrogendealerInnen gehalten werden, wie die Beispiele weiter unten zeigen sollen.
In London wurde im Februar 1999 nach achtmonatiger Untersuchung ein von der Regierung bestellter Bericht über die Polizeiarbeit im Mordfall Lawrence[1] veröffentlicht, der die Londoner Polizei als »riven with pernicious and institutionalized racism« beurteilt. »Institutionalized racism« wird dabei als »the collective failure of an organization to provide an appropriate professional service to people because of their color, culture or ethnic origin« definiert, die sich in »processes, attitudes and behavior« zeigt »which amounts to discrimination through unwitting prejudice, ignorance, thoughtlessness an racist stereotyping.« Der Bericht führte zu tagelangen Diskussionen in ganz England, alle Zeitungen berichteten über mehrere Tage seitenweise.
Ungefähr zur selben Zeit war der Sengalese Ahmed F. bei seiner Verhaftung in Wien ums Leben gekommen. ZeugInnen hatten angegeben, F. sei, am Boden liegend, von PolizistInnen geschlagen worden. Der damalige Innenminister Schlögl gab dazu folgenden Kommentar ab: »Die Vorgangsweise der Beamten war korrekt und vorbildlich.« Kritik am Vorgehen der Polizei wies Schlögl »aufs Schärfste zurück« (Die Presse 3.2.99) Laut Innenministerium war die Todesursache eine sogenannte Drogenkugel, die den Luftröhreneingang versperrt hatte. Warum es F. nicht gelungen war, die Kugel zu schlucken oder wieder auszuspucken, war offensichtlich nicht von Interesse, obwohl es laut einem Bericht in Format (5/99) gängige Praxis bei DrogenfahnderInnen sei, durch Zudrücken am Hals zu verhindern, dass der Dealer im Mundbereich befindliche Suchtgiftkugeln verschluckt. Das Innenministerium war nicht dazu zu bringen eine unabhängige Untersuchung zuzulassen, wie von den Grünen gefordert, obwohl es, da ja angeblich alles »korrekt und vorbildlich« abgelaufen war, nichts zu befürchten gehabt hätte. Nach dem Motto »was es nicht geben darf, das gibt es auch nicht«, nämlich Rassismus bei der Polizei, der vielleicht dazu führt, dass es an den Voraussetzungen mangelt »to provide an appropriate professional service to people because of their color, culture or ethnic origin«, werden die eigenen BeamtInnen in Schutz genommen und die Opfer von rassistischen Übergriffen dadurch oft ein zweites Mal verhöhnt. Dabei könnten die Schwarze-Schafe-Theoretiker der Polizei sogar in der Zeitschrift ihres eigenen Ministeriums (Öffentliche Sicherheit 1-2/98, Rassismus und Polizeiarbeit) nachlesen, dass es bei der österreichischen Polizei an Problembewusstsein im Bereich Rassismus mangelt. In dem erwähnten Artikel von Peter Glanninger werden »dauerhafte Einrichtungen und Maßnahmen zur ständigen Bearbeitung dieser Problemstellungen« empfohlen.
Mitte Juli 1996 war Fred Onduri, ein Finanzplaner aus Uganda, der sich auf Einladung des Finanzministeriums in Wien aufhielt, als mutmaßlicher Drogendealer in einer U-Bahn-Station verhaftet worden. In den Augen, der ihn verhaftenden BeamtInnen, hatte sich Fred Onduri verdächtig gemacht, weil er Ananassaft aus einem Trinkkarton trank. Drogendealer verschlucken ihre Drogenkugeln, Drogendealer sind meistens Schwarze, der Verdächtige macht Schluckbewegungen und ist schwarz, folglich ist die Wahrscheinlichkeit, dass er Drogendealer ist, groß genug, um ihn zu verhaften. So oder so ähnlich muss die Assoziationskette bei den beiden Beamten wohl funktioniert haben. Fred Onduris Pech war, dass er keinen Ausweis mit sich führte, was es den Beamten erleichterte ihn festzunehmen, weil sie ihn deswegen fremdenpolizeilich beamtshandeln konnten. Im Wachzimmer musste sich der Verhaftete ausziehen und eine Rektal-Visitation über sich ergehen lassen. Später berichtete er, von den Beamten geschlagen und rassistisch beschimpft worden zu sein. Nach zwölf Stunden wurde Fred Onduri, bei dem keine Drogen gefunden worden waren, freigelassen. Er zeigte die Beamten wegen Körperverletzung an, worauf diese ihn wegen Verleumdung verklagten. Beide Verfahren wurden von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Onduris Anwalt wandte sich an den Unabhängigen Verwaltungssenat, der die Polizisten sowohl vom Vorwurf der unbotmäßigen Zwangsgewalt, als auch vom Vorwurf der diskriminierenden Behandlung freisprach. (Standard 11.06.98) Auch die Disziplinarverfahren gegen die beiden Beamten wurden eingestellt. Polizeipräsident Stiedl hatte schon unmittelbar nach dem Vorfall gemeint, es handle sich um einen »sauberen Akt«, weil die Verhaftung aufgrund des fehlenden Passes zurecht durchgeführt wurde. (Standard 14.12.96)
90 Minuten war Alpha Diop, ein Wissenschaftler aus Mali, der zu einem internationalen Symposium an die TU eingeladen worden war, in Wien, als er in der U-Bahn-Station Keplerplatz festgenommen wurde. Ihr Einschreiten begründeten die amtshandelnden PolizistInnen damit, dass sich Alpha Diop auf einem von Drogenhändlern »stark frequentierten« Platz befand, ein »offensichtlich Fremder« war und beim »Ansichtigwerden« der Beamten scheinbar fliehen wollte. Diop wurde nach Geld, Wohnanschrift und Ausweis gefragt, als er sich weigerte, der Aufforderung, sich in der Öffentlichkeit für eine Visitation zu entkleiden, nachzukommen, wurde er auf das Kommissariat in der Van-der-Nüll-Gasse gebracht. Nach mehreren Stunden wurde er freigelassen. Sein Geld wurde ihm zur »Sicherstellung der Verwaltungsstrafe« (ATS 2000.- wegen »ungebührliches Benehmen, Verletzung des öffentlichen Anstandes und Störung der öffentlichen Ruhe«) abgenommen. Alpha Diop soll »Österreich ist Scheiße, ich bin nur von Trotteln umgeben« geschrien haben. Drogen wurden keine gefunden. Polizeipräsident Stiedl: »Er hat ja die Möglichkeit, in einer Berufung gegen das Verwaltungsstrafverfahren sich dazu zu äußern.« (Standard 3.8.96)
Als sich Mitte der Neunzigerjahre die Drogenszene rund um den Westbahnhof aufhielt, war es für Schwarze fast unmöglich, diese Gegend im Blickwinkel eines Polizisten zu passieren, ohne als Drogendealer verdächtigt und kontrolliert zu werden. Der Rechtsanwalt Richard Soyer erinnert sich, mehr als 100 AfrikanerInnen vertreten zu haben, die während eines Zeitraumes von zwei, drei Jahren wegen des Verdachts der Drogenkriminalität dort verhaftet worden waren. Einer dieser Verhafteten war Felix Osuyi, der in der Mariahilfer Straße auf der Suche nach einem Sportgeschäft war, um Tischtennisbälle zu kaufen. Er wurde von zwei Zivilbeamten in ein Auto gezerrt und zum Wiener Sicherheitsbüro gebracht. Dort wurde er, seinen Angaben nach, von den Polizisten geschlagen, und es wurde ihm verweigert, seine Frau oder einen Rechtsanwalt anzurufen. Seine Frau erfuhr erst drei Tage nach seiner Verhaftung von derselben. Felix Osuyi, der in fester Anstellung als Mechaniker arbeitete und seit drei Jahren mit einer Österreicherin verheiratet war, wurde zuerst vorgeworfen, in großem Stil mit Drogen zu handeln, obwohl bei einer Hausdurchsuchung keine Drogen gefunden wurden und die 0,4 Gramm Kokain, die Osuyi den beiden Beamten Rupert H. und Walter B. angeboten haben soll, nicht einmal bei der Verhandlung als Beweismittel auftauchten. Osuyi wurde zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt. Vier Wochen nach dem Urteil erließ die Fremdenpolizei ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot. Die Ehe zu seiner Frau, die von einer Vielzahl von ZeugInnen bestätigt wurde, befand die Polizei als »Scheinehe« und inexistent. Damit war die Möglichkeit geschaffen, Felix Osuyi in das Land abzuschieben, das auf seinen Kopf eine dokumentierte Ergreiferprämie von ATS 250.000 ausgesetzt hatte. (Falter 15/96)
In einer U-Bahn-Station wird Mohamed S. wegen angeblichen Drogenhandels festgenommen. Die Verhaftung ist laut Angaben der beteiligten PolizistInnen außer Kontrolle geraten, weil Mohammed S. massiv Widerstand leistete. Fünf ZeugInnen, die ihre Aussagen auch öffentlich machten, sahen die Amtshandlung anders. Sie berichteten von rassistischen Beschimpfungen (»dreckige Negersau«), von Schlägen und Tritten auf den Kopf des am Boden Liegenden etc. Von Widerstand des Verhafteten hat keineR der ZeugInnen etwas bemerkt. Über den Fall wurde relativ ausführlich in den Medien berichtet, was den damaligen Innenminister Schlögl wohl auch dazu veranlasste, die ZeugInnen zu einem Gespräch einzuladen. Eine für Vorfälle dieser Art einzigartige Reaktion von offizieller Seite. Doch bald wird klar, dass Polizeipräsident Stiedl und Innenminister Schlögl nur an einer Beruhigung der Lage, aber nicht unbedingt an der Wahrheit, interessiert waren. Mohammed S. hatte nur das Ziel, Österreich so schnell wie möglich verlassen zu können, und wollte sich in seinem Verfahren vor Gericht nicht mehr erinnern, ob ihn die Polizei verprügelt hatte oder nicht, und gestand seine »Schuld« (Widerstand gegen die Staatsgewalt)[2] ein. Die ZeugInnen waren zu dem Verfahren erst gar nicht eingeladen worden. Das Verfahren gegen die Polizisten wurde eingestellt. Offiziell war wieder alles in Ordnung: ein schwarzer, randalierender Drogenhändler auf der einen und unschuldige Polizisten, die in der »linksfortschrittlichen« Öffentlichkeit schlecht gemacht werden sollen, auf der anderen Seite. (Falter 10,12,16/99)
Die angeführten Fälle sind nur eine kleine Auswahl von relativ gut dokumentierten Fällen und sollen zeigen, dass es während der letzten Jahre genug Anlässe gegeben hätte, das Problem Polizei und Rassismus einmal grundsätzlich anzugehen. Geschehen ist jedoch nichts, ganz im Gegenteil wurde das Bild des Schwarzen Drogendealers durch interne Papiere und Studien weiter gestärkt.
Fußnoten
Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.