... sie nannten es Niemandsland, aber keiner wußte so genau wovon er sprach
Die Grammatik ist »Geschichte« oder »historisches Dokument«: Sie ist »Photographie« einer bestimmten Entwicklungsphase einer nationalen (kollektiven), historisch entstandenen und in ständiger Entwicklung begriffenen Sprache, oder sie enthält die grundsätzlichen Elemente einer solchen Photographie. Die praktische Frage kann sein: Wofür eine solche Photographie? Um einen Aspekt der Kultur in seiner Geschichte zu beschreiben, oder um einen Aspekt der Kultur zu verändern?
Antonio Gramsci: Notizen zur Sprache und Kultur
Die Grammatik ist »Geschichte« oder »historisches Dokument«: Sie ist »Photographie« einer bestimmten Entwicklungsphase einer nationalen (kollektiven), historisch entstandenen und in ständiger Entwicklung begriffenen Sprache, oder sie enthält die grundsätzlichen Elemente einer solchen Photographie. Die praktische Frage kann sein: Wofür eine solche Photographie? Um einen Aspekt der Kultur in seiner Geschichte zu beschreiben, oder um einen Aspekt der Kultur zu verändern?
Antonio Gramsci: Notizen zur Sprache und Kultur
Die Realität des Psychothrillers arbeitet mit der Fiktion, psychische Angst zu erzeugen. Ein solcher Film verbindet Elemente des Kriminalromans mit denen des klassischen Horrors. Die Identität des Täters befindet sich im Verborgenen, während sein Blick, der Aufschluß über seine rituelle Handlung des Tötens gibt, gezeigt wird. Die Profession des Filmes ist es den Eindruck zu erzeugen, der Täter sei anwesend, ohne seine tatsächliche Identität zu zeigen. Das Spannungsmoment wird durch die physische Abwesenheit des Täters erzeugt: man weiß nicht, wo er sich befindet; aber man weiß - durch den Blick den die Camera erzeugt und der dem Zuschauer so erscheint, als befinde er sich an der Stelle des Täters - daß er da ist und sein Ritual fortsetzen wird. Der Blick, den die Camera zur Verfügung stellt stammt aus der Perspektive des Mörders, andererseits deutet er von der Reflexionsfläche der Leinwand auf den Zuschauer und läßt diesen als Opfer erscheinen.
Das optische Auge
Das Projektionszentrum der Camera - dort von wo der Blick ausgeht - setzt sich über den Standort eines Betrachters hinweg. Die Wirklichkeit, die die Camera durch ihre Aufnahme produziert, ist nicht an die Anwesenheit eines Beobachters gebunden. Ein Automat erzeugt einen Blick, der das Verhältnis Projektionszentrum - >Bild< nicht kennt. Nimmt man das inzwischen fast schon anachronistisch anmutende Zelluloid des aufgenommenen Materials zum Vorbild, hat das Negativ nur eine scheinbare Existenz; es benötigt eine weitere Projektion (mit dem Projektionszentrum ´Projektor`) um den Informationswert des Filmstreifens zu verbrauchen. Diese Art der Projektion stellt dem Beobachter eine Leinwand zur Verfügung. Die Blickrichtung, die dieser Automat erzeugt, ist folgende: Der Betrachter sitzt mit dem Rücken zum Projektionszentrum, sein Blick fällt auf die Leinwand, die das Bild auffängt - diese ist nur scheinbare Projektionsfläche des, das eigentliche Geschehen spielt sich hinter dem Betrachter ab. Die Realität, die auf diese Weise (den eindringlichsten Vergleich bildet wiederum der Psychothriller: es wird am Eindruck gearbeitet, der Täter befinde sich hinter dem Zuschauer) erzeugt wird, stellt einen paranoiden Mechanismus dar: Die Realität, die sich vor den Augen bildet, bildet sich aufgrund eines Verfolgers der nicht sichtbar ist. Eine solche Realität wird von Außen als wahnhaftes Geschehen enttarnt - die Vorstellung, die vom Betrachter ausgeht, stimmt nicht mit der Realität überein.
Der chirurgische Blick
Die Psychatrie (die Chirurgie der Psyche) sieht den paranoiden Mechanismus als psychotische Störung. Die Praxis empfiehlt das Wahngebäude eines solchen Patienten nicht zu betreten. Die Bilder, die dieser erzeugt werden nicht als Symbolisch empfunden, der Ort wo sich eine geordnete Wirklichkeit befindet. Diese Art der Chirurgie erkennt das Bild, als imaginäre Projektionsfläche des Wahns, das durch das Projektionszentrum des Verfolgers erzeugt wird. (Dieses Zentrum, das von der Psychiatrie als Erklärung für den Wahn dient, findet seine Darstellung in der Fiktion, als überdimensionales Auge - es wird allgemein als Realität/utopischer Ort beschrieben, der die menschliche Wahrnehmung übersteigt ) Eine solche Fiktion meint eine Art der Wahrnehmung die über dem menschlichen Auge steht. Diese räumliche Metapher sollte nicht irreführen, man könnte auch dahinter schreiben, die Wahrnehmung durch den Menschen geschieht durch zwei Augen, erst ein nicht bildhaft erklärbarer Akt, setzt die zwei Wahrnehmungssequenzen zu einer Seheineinheit zusammen. Unsere Fähigkeit in Bildern zu sehen, bildet sich durch Gewöhnung. (Zum Verständnis: Die Kunst arbeitet unter anderem daran, diese Gewohnheit zu unterbrechen)
Die Gewohnheit, die das Projektionszentrum Camera erzeugt, handelt davon verschieden Bilderwelten für den Innenraum des Gesellschaftskörper zu erzeugen, dieses Zentrum läßt die Frage offen, wo sich die Körperteile wieder zusammensetzen lassen, wo sich das imaginäre Zentrum befindet.
Von einer Welt ohne imaginäres Zentrum, erzählt der Einsatz der modernen Camera-Technik in der praktischen Chirurgie. Auch hier wird der Blick entkörpert - er kennt die imaginäre Projektionsfläche des Bildes nicht (dieselbe Eigenschaft beschreibt eine Glasfläche, die man nicht sieht - der Blick geht hindurch) Die Camera wird in das Innere der beschädigten Person geführt wird, um einen Eingriff zu überwachen. Hier handelt der Arzt woanders, als sein Blick hinfällt. Das Verfahren trennt Auge und Hand. Diese Art der Aufnahme übersteigt die Realität des Betrachters, indem das technische Auge in Territorien vordringt, die der Wahrnehmung durch das natürliche Auge - und damit dem Körper des Betrachters - nicht zugänglich ist. Setzt man den gewöhnlichen Körper des Arztes wieder zusammen, ist es als ob der Arzt hinter dem Bildschirm operieren würde.
Was ein solcher Blick sichtbar machen kann, ist daß der imaginäre Ort des Bildes durch eine gewisse Täuschung erzeugt wird. Im Gegensatz zum technischen, braucht der materielle Beobachter, die illusionäre Materialität des Bildes, um den Standpunkt seines Betrachtens beziehen zu können - seine Wahrnehmung ist abhängig vom der Illusion des Bildes, die darin besteht, sich durch eine Täuschung von der Umgebung abzuheben. Als solcher Ort der Täuschung kann die Bühne beschrieben werden, auf der eine bestimmte Vorstellung erzeugt wird.
Zwei Pole der Realität: optische Auge und chirurgischer Blick
Folgt man Walter Benjamins Beschreibungen des Verlusts des authentischen Ortes des Kunstwerks, trifft man in Bezug auf den Film (und seiner Bühne) auf die Gegenüberstellung zwischen Chirurg und Magier: »Der Chirurg stellt den einen Pol einer Ordnung dar, an deren anderm der Magier steht.« - es geht um das Machtverhältnis des Bildes und der Projektionsfläche das zum einen in der Lage ist über sein Projektionszentrum Auskunft zu geben (den Ort seines Betrachtens) zum anderen eine Projektionsfläche sichtbar machen kann - das Bild in seiner gleichzeitigen Funktion als Abbild der Wirklichkeit (auf einer imaginären Projektionsfläche) und einer illusionären Wirklichkeit (auf einer realen Materialität). Während der Magier, analog zum Blick des Maler, die Stelle des Bildes als Ort der Täuschung betrachtet, dringt der Chirurg in seine Materialität ein: »zum Unterschied vom Magier (der auch noch im praktischen Arzt steckt) verzichtet der Chirurg im entscheidenden Augenblick darauf, seinem Kranken von Mensch zu Mensch sich gegenüber zu stellen; er dringt vielmehr operativ in ihn ein.«
Der chirurgische Blick anerkennt das Bild nicht als Begrenzung der Wahrnehmung; das optische Auge sieht keine Bühne - dort wo sich im Gegenüber der Betrachter bilden könnte. Damit ist es der wissenschaftlichen Aufnahme möglich, sich über ´natürliche` Grenzen der Sichtbarkeit hinwegzusetzen. Die Folge ist die Auflösung des imaginären Begriff des >Bildes<. Das Beispiel des Einsatzes der modernen Cameratechnik in der Medizin führt zu der Realität in das Innere des menschlichen Körpers vorzudringen. Diese Realität übertrifft die Vorstellungskraft des Betrachters und entbehrt der Magie (auch wenn es so erscheint). Die Wahrnehmung des Betrachters endet bei der Physiognomie des menschlichen Körpers (seiner äußeren Erscheinung); der chirurgische Blick macht vor der Haut keinen Halt, das technische Auge dringt durch diese Oberfläche, die das Psychische vom Physischen trennt; ein solches Verfahren muß das Projektionszentrum als autonom betrachten. Die Camera arbeitet als eigenständiger Automat, das heißt sie erzeugt eine Wirklichkeit, in der der Blick an keinen Körper gebunden ist. Eine solche Wirklichkeit ist eigentlich Fiktion.
Technische Sozietät: The Inspection House
Die künstliche Frage, die man einer solchen Wirklichkeit stellen kann, ist nicht wo das Projektionszentrum stattfindet, sondern welche Vorstellung es erzeugt. In einer Wahrnehmung, die vom menschlichen Körper begleitet wird, befindet es sich in dessen Rücken. Ein solcher paranoider Blick kann gegen den Beobachter eingesetzt werden, wenn er auf die Realität zurückgreift, in der dieser sich befindet. Die Erzeugung einer solchen paranoiden Vorstellung, muß den Verfolger im Verborgenen halten, während sie die Realität, in der sich der Betrachter befindet, offen zur Schau stellt. Ein solcher Beobachter wird durch den Vorgang seines Betrachtens zum Beobachtenden. Das Verhältnis zwischen Projektionszentrum und Projektionsfläche dreht sich um.
Eine Fiction, die 1791 entwickelt wurde, zeigt deutlich die Möglichkeit einer Architektur, zur Erzeugung einer solchen Umkehrung. Der Körper des Gebäudes, das er sich für öffentliche Gebäude vorstellt, ist ganz aus Glas. Die Realität, in der sich die Insassen befinden, ist von außen einsehbar. Es ensteht die Vorstellung, die auch in der ideologischen Zugehörigkeit des Geistigen Vaters des Vorhabens Jeremy Bentham - das alles was sichtbar ist, auch der Realität entspricht. Ein solcher Bau verdeutlicht die Verschränkung von Architektur und Macht, allerdings nur, wenn man sich das Geschehen aus der Sicht des Gefangenen vorstellt. Die Realität, die im Inneren des Turmes erzeugt wird, stellt in den Mittelpunkt des kreisrund angelegte Gebäudes einen uneinsehbaren Kontrollturm. Dieser Kontrollpunkt, der den Insassen nicht zugänglich ist, ermöglicht einen Blick, von dem aus das ganze Geschehen überblickt werden kann. »Die völlig ausgeleuchteten Zellen kontrastieren mit dem nicht einsehbaren Wachturm im Zentrum, so daß das Ungleichgewicht Sehen ohne gesehen zu werden bzw. Gesehen werden ohne selber zu sehen allein durch die Architektur und ihre Geometrie garantiert ist« ein solches architektonisches Verfahren ersetzt die physische Gewalteinwirkung durch eine Psychische. Wie beim Psychothriller kennt der Insasse die Identität, der sich im Turm befindlichen Kontrollperson nicht. Der Blick, der dieser zur Verfügung steht geht durch den Gefangenen hindurch, erkennt seine Realität nicht an. Dieser befinden sich im Wahn, das die Realität (der Außenraum des Gefangenseins) sich zu beiden Seiten befindet. Der öffentliche Raum (indem sich die Glasarchitektur befindet) und der Privatraum (des nicht einsehbaren Projektionszentrum - das ebenfalls öffentlich zugänglich ist) erzeugt einen Blick, der jedesmal von außen an den Innenraum herangetragen wird. Der Einsatz eines solchen Blickes, von dem der Beobachter nicht sagen kann, von wo er geworfen wird, erzeugt einen wahnhafte Wirklichkeit. Ein solches Verfahren entwirklicht letztenendes den Beobachter, indem es die Wirklichkeit auf den Blick verschiebt, den dieser von sich und auf sich wirft.
Jonas Marosi