Spekulation als Sorgebeziehung
Anmerkungen zum SchwerpunktSpekulation – die Schwerpunktausgabe einer Zeitschrift für Stadtforschung so zu betiteln mag Bilder von Finanzialisierung von Wohnraum, immobilienwirtschaftlicher Verwertung, automatisiertem Handel mit Finanzinstrumenten, Luxussanierungen im Bestand und den immer gleichen Neubaufassaden überteuerter Eigentumswohnungen aufrufen. Die überdrehten Superlative des Hochhausbaus etwa könnten, wie Owen Hatherley in der jüngsten Ausgabe des Jacobin mit dem Titelthema Speculation argumentiert, als materielle Ausdrucksform und zugleich Stabilisatoren spätkapitalistischer Logiken und eines ins Extreme getriebenen Wachstumsparadigmas kaum passender sein. Um die solchen Logiken zugrundeliegenden Regierungsmechanismen und entsprechende Elitenkompatibilität begrifflich zu fassen, wird seit den frühen 2010er Jahren der Begriff des Speculative Urbanism diskutiert (Goldman 2021). Daran anschließend wird kritisch beobachtet, dass Finanzialisierungsstrategien in Städten rund um den Globus zwar ähnlich sind, zugleich jedoch historisch gewordene globale Ungleichheiten und Abhängigkeiten im urbanen gebauten Raum festschreiben (etwa: Wjiburg et al. 2018; Heeg 2020; Aalbers 2020).
Aktuelle Arbeiten in der Stadtplanung, Urbanistik und kritischen Stadtforschung befassen sich zunehmend mit
dem Konzept des spekulativen Urbanismus auch jenseits seiner etablierten Verankerung in ökonomischen und finanziellen Logiken (Leitner & Sheppard 2023; Taskale 2025). In Erweiterung und Ergänzung richtungsweisender und weiterhin dringend notwendiger Analysen von Wohnungsmärkten und Wohnungspolitiken, immobilienwirtschaftlichen Investitionsstrategien und verräumlichten Logiken der Kapitalakkumulation, möchten wir im Anschluss hieran den Bereich des spekulativen Urbanismus für diverse Arten aspirationaler Imagination öffnen. Darunter verstehen wir einen Handlungsraum, in dem unterschiedliche Akteur:innen zukünftige, wünschenswerte und noch nicht realisierte urbane Zukünfte entwerfen und zu verwirklichen versuchen. Diese Zukunftsvorstellungen sind weder homogen noch zufällig, sondern werden durch soziale Positionierungen, politische Interessen und konkurrierende Narrative darüber geprägt, wie die Stadt der Zukunft aussehen soll – und zwar insbesondere solche Zukünfte, die ohne, jenseits, oder in Abgrenzung zu kapitalozentrischen Ansätzen (Fields 2023) erdacht und entworfen werden. In diesem erweiterten Verständnis tritt auch eine vielfältigere Gruppe von Akteur:innen in den Vordergrund. Wo frühere Analysen häufig die Rolle von Projektentwickler:innen, Finanzinstitutionen und anderen Immobilienakteur:innen fokussieren, zeigt die jüngere Forschung, dass spekulativer Urbanismus ebenso Landvermittler:innen, private Kleinvermietende, staatliche Institutionen und deren Verwaltungsapparate und etwa auch die Bewohner:innen informeller Siedlungen umfasst – insbesondere jene, die von Vertreibung bedroht sind, zugleich jedoch selbst in unterschiedlicher Form spekulative Strategien verfolgen (Simone 2025). Diese Akteur:innen entwickeln ihre Strategien oft als Antwort auf Dynamiken des Ausschlusses, die nicht zuletzt auf den durch Finanzialisierung von Boden und Wohnraum überhitzten Wohnungsmärkten metropolitaner Räume deutlich werden. Dazu im Kontrast stehen Formen emanzipatorischer Spekulation, die wir als kollektive Sorgepraxis verstehen: als gemeinsamen Versuch, im Miteinander Bedingungen für weniger oppressive, für alle zugängliche Städte der Zukunft zu schaffen (Summers & Fields 2024).
Dabei rückt auch eine Vielfalt spekulativer Räume (also etwa Stadtnatur), Methoden (z. B. Kartierungen) und sozio-technische Infrastrukturen (z. B. städtische Wasserversorgungssysteme) in den Fokus. Diese werden in spekulative Praktiken eingebunden, auch um die Frage nach der Bedeutung von städtischen Flüssen nicht allein der technischen Seite der Stadtplanung zu überlassen. Wenn eine Gruppe aus Künstler:innen, Aktivist:innen und Wissenschaftler:innen einem flurbereinigten und begradigten Fluss – spekulativ – Individualität, Rechte und historische Bedeutung zuschreibt, weist ihre Praktik die anthropozentrische Grundannahme der Naturbeherrschung zurück. Das Cover der vorliegenden Ausgabe von dérive zeigt ein solches im erweiterten Sinne kollektives und spekulatives Stadt-Machen am Beispiel einer Brache im Stadtteil Bela Vista von São Paulo. Nach jahrelangen Protesten von Anwohner:innen und Aktivist:innen gegen Bodenversiegelung und Kaufhausbau, erwarb die Stadtregierung von São Paulo das Grundstück von einem privaten Investor. Der grafische Zukunftsentwurf positioniert damit auch Praktiken und Ideen für Stadträume als »Orte der Heilung und der Reparation« im Moment des Klimanotstands (Rolnik 2024). Die auf dem Cover dargestellte Offenlegung und Renaturierung des seit Jahrzehnten eingerohrten Flusses Bixiga machen deutlich, dass Stadt immer auch als umkämpftes Gefüge materieller, ökologischer und politischer Auseinandersetzungen um urbane, »planetare Zukünfte« zu verstehen ist (Verne et al. 2025) und als Ort, an dem sich neue, mehr-als-menschliche Kollektive bilden, die Geschichten des gemeinsamen Werdens schreiben und aushandeln (Kemmer 2024). Solche Versuche, die Zentrierung auf den Menschen zu verschieben und auszuweiten, markieren eine andere Form des theoretischen Zugriffs auf spekulativen Urbanismus. Aus emanzipatorischer Perspektive kann dieser als ein komplexes, vielschichtiges Feld erschlossen werden, in dem städtische Zukünfte aktiv und kollektiv imaginiert, verhandelt und hervorgebracht werden, um transformatorische Prozesse in Gang zu setzen oder mindestens am Laufen zu halten. An dieser erweiterten Idee von Spekulation als transformatorischer Praxis und Forschung in und über urbane(n) Räume(n) setzen die vier Beiträge zum vorliegenden Schwerpunkt an – sie lenken unsere Aufmerksamkeit auf ›andere‹ Räume, Akteur:innen und Objekte der emanzipatorischen Spekulation. Verstanden als raumzeitliche Öffnung, markiert das Spekulative hier also eine Hinwendung zu einer Vielzahl möglicher urbaner Zukünfte und wird so für die kritische Stadtforschung auf andere Art relevant. Was macht ein solches Nachdenken über multiple, möglicherweise bessere, jedenfalls emanzipatorische und machtkritische urbane Zukünfte aus? Vorneweg: Ein emanzipatorisches Momentum des Spekulativen ist kein Automatismus, kein Selbstläufer. Denn auch autoritäre, reaktionäre und rechtsradikale Bewegungen und Akteur:innen bedienen sich der Spekulation als Zukunftstechnik (Braun & Schwarz 2025; Higgins 2025); Jordan S. Carrolls etwa fasst dies kritisch unter dem Begriff der Speculative Whiteness (2024). Diese Formen des Spekulierens dienen jedoch weniger der Öffnung von Möglichkeitsräumen – sie betreiben vielmehr eine Reproduktion von Exklusion, Hierarchie und Gewalt und sind folglich keine Entwürfe im Sinne einer aspirationalen Imagination.
Gerade in Abgrenzung zu den techno-utopischen Phantasien einer autoritären Rechten begreifen emanzipatorische Ansätze spekulative Entwürfe nicht als Zwangsformeln oder alternativlose Heilsversprechen. Vielmehr insistieren sie darauf, Spekulation als kritische Perspektive auf gegenwärtige wie historisch sedimentierte Ungleichheiten, Abhängigkeiten und Machtkonstellationen zu verstehen. Die Kraft des Spekulativen liegt somit nicht in der Flucht vor der Frage der Umsetzbarkeit oder Wirkungsmacht von imaginierten Alternativen, sondern in der radikalen Erweiterung des Möglichkeitsraums. Emanzipatorische Spekulationen markieren reale Risiken wie zum Beispiel die subtilen wie offenen Mechanismen der Herrschaft, eine fortschreitende Marginalisierung und die Normalisierung von Gewalt. Zugleich benennen sie Bedingungen, unter denen weniger brutale, gerechtere Zukünfte überhaupt denk- und lebbar werden. Mehr noch: emanzipatorische Spekulation beschränkt sich nicht auf abstrakte Möglichkeitsformeln – sie könnte, mit Bini Adamczak (2017), als Quelle und Mittel kollektiver, intersubjektiver und intergenerationaler Sorgebeziehungen gedacht werden. Auch Formen des solidarischen Preppens und der Trauerarbeit (etwa: Müller 2024), die angesichts des drohenden Klimakollapses antreten, sind in diesem Spektrum verortet. Emanzipatorische Spekulation praktiziert also Zukunft, indem sie alternative Welten entwirft, Szenarien konkretisiert oder durch kritisches World Building, oft in dystopischen Tönen, die Folgen gegenwärtiger autoritärer und klimaschädlicher Politiken so plausibel in die Gegenwart projiziert, dass sie Impulse zum Handeln im Hier und Jetzt zu geben vermag (Müller & Schwarz 2024) – so ist zu hoffen.
Wie sich historische Objekte in aktuelle politische Kämpfe um Anerkennung und Raum einschreiben können, zeigt eine Collage von Lúcio Telles (Abbildung S. 04). Vor dem Hintergrund einer Metrobaustelle rückt sie eine Ausgrabungsstätte ins Bild, die bei Tiefbauarbeiten in einem zentralen Stadtteil São Paulos zutage kam, und macht so ihre Bedeutung in den Auseinandersetzungen der Schwarzen Community sichtbar. Denn zwischen Baggern und Beton traten Artefakte ans Licht, die auf die frühere Präsenz eines Quilombos, also einer Ansiedlung ehemals versklavter Menschen und damit auf afro-brasilianische Kultur verweisen. Aktivist:innen unterbrachen daraufhin die Bauarbeiten und beteiligen sich seither an Debatten um die Benennung und Anerkennung dieser Funde. ›Spekulation‹ entfaltet sich dabei in mindestens zwei Richtungen: Zum einen steht der Metrobau für Aufwertung, steigende Mieten und die Verdrängung der ärmeren, häufig Schwarzen Bevölkerung. Zum anderen verweist die archäologische Spurensuche auf die Möglichkeit, Geschichte neu zu deuten, also eine Form des spekulativen Erzählens, mit der die lokale Bewegung Räume, Praktiken und Geschichten miteinander verknüpft und so ihre Erfahrungen urbaner Ungleichheit sichtbar macht.
Laura Kemmer und Kolleg:innen knüpfen in ihrem Beitrag ausdrücklich an diese spekulative Technik des Überlagerns und Hervorhebens an. Mit Verweis auf Telles’ Arbeit zeigen sie, wie im Stadtviertel Bixiga, im Herzen São Paulos, das Suchen nach Spuren und Kartieren des ›verschwundenen‹ – oder treffender: überbauten – Flusses Saracura zu einer widerständigen Praxis wird. Diese bringt heterogene Akteur:innen, Bündnisse und mögliche Zukünfte hervor und stellt sich jener finanziellen Spekulation entgegen, die Territorien und Leben zur Ware macht. Spekulation als emanzipatorische Praxis wird so selbst zu einem Akt kritischer Korrektur dominanter Geschichtserzählung. In ihr verwandelt sich der Boden von Bixiga, materiell wie symbolisch, in ein umkämpftes Objekt zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Er steht zunehmend unter dem Druck der Immobilienspekulation und ist zugleich ein Ort kulturellen Widerstands, an dem alternative Formen von Urbanisierung erprobt werden.
Auch Johanna Hoffmann und Diane E. Davis widmen sich in ihrem Text der Kartierung von Wasser, in ihrem Fall in Mexiko-Stadt. Für sie ist das Kartieren ebenfalls mehr als eine rein technische Praxis. Die Autorinnen zeigen, wie Karten, die im Auftrag der Machthabenden erstellt wurden, über Jahrhunderte hinweg systematisch jenes Wasser negierten, auf dem Mexiko-Stadt buchstäblich errichtet ist. In offiziellen Plänen ausgeblendet, provozierte diese Verdrängung, so Hoffmann und Davis, nicht nur Überschwemmungen, sondern auch wiederkehrende Dürren. In jüngerer Zeit jedoch nutzen NGOs, Künstler:innen und Forschende das Medium der Karte als Praxis der Umkehrung, als Werkzeug, um alternative Zukünfte zur ›Null-Wasser-Stadt‹ sichtbar zu machen. Ähnlich wie im Fall von Bixiga entwickeln diese Gruppen in Mexiko volumetrische Karten, die verdeutlichen, wie unterschiedliche Wasserpraktiken, etwa der Zugang zu Frischwasser, die Entwässerung oder die Abwasserbehandlung, ober- und unterirdisch miteinander verwoben sind. Diese volumetrischen Methoden der Verbildlichung zeigen, dass Wasser als aktiver Akteur innerhalb spekulativer Praxis wirksam werden kann. In der Tradition der literarischen Gattung der Speculative Fiction stellt eine kritische, emanzipatorische Praxis der Spekulation immer auch die radikal offene Frage nach einem ›Was-wäre-wenn?‹ (etwa: Older 2020). Diese Suche passiert nicht im luftleeren Raum, sie speist sich vielmehr aus unterschiedlichsten Daten und Materialien. Die prominente SF-Autorin Octavia E. Butler etwa, deren Anfang der 1990er erschienene Parable Duology sich in ihrer 2024 ansetzenden Erzählzeit als besorgniserregend nah an heutigen Autoritarismen, Gated Communitys und Extremwetterereignissen der US-Westküste erwiesen hat, beschrieb ihren kreativen Prozess einmal so: »All I did was look around at the problems we’re neglecting now and give them about 30 years to grow into full-fledged disasters« (Butler 2000, S. 164). Ganz ähnlich arbeitet das Autor:innenduo J.C. Vogt, deren Werke der Progressiven Phantastik Welten voller alternativer Beziehungsweisen, gemeinschaftlicher Wohnformen und alternativer Stadträume entwerfen. Für dérive tauschten sie sich mit Anke Schwarz über spekulative Schreibtechniken und ihren jüngst erschienenen Roman Anarchie Déco 1930 aus, der Antifaschismus und Magie höchst charmant miteinander verwebt.
Auch die literarische Gattung des Solarpunk mit ihrem charakteristisch hoffnungsvollen Weltenbau entwirft alternative urbane Zukünfte und bezieht sich dabei auf anarchistisch-kommunitaristische Vordenker:innen wie Murray Bookchin. Das leicht romantisierte Grassroots Organizing, die urbanen Gemeingüter und ökotopischen Stadt-Umland-Beziehungen des Solarpunk-Genres stehen, so argumentiert Anja Heron Lind in ihrem Essay, in scharfem Kontrast sowohl zu den dystopischen, ewig in flackerndes Neonlicht getauchten fiktionalen Häuserschluchten des Cyberpunk als auch den allgegenwärtigen, nur mehr grün angehauchten Architekturvisualisierungen des neoliberalen Städtebaus, zu besichtigen an jeder zweitbesten Baustelle.
Diese Beiträge zur Stadtforschung aus Kunst und Designforschung, Anthropologie, Architektur und Literaturwissenschaften machen deutlich, welche Aufmerksamkeit Spekulation in unterschiedlichen Disziplinen erlangt hat. Zugleich ist Spekulation immer auch genuin geographisch. Denn Spekulation, wenn sie derart materiell und objektorientiert vorgeht, verlangt nach einer sorgfältigen Reflexion der Verbindungen zwischen »thinking and the earthly« (Williams & Keating 2022, S. 13). Wenn es darum geht, greifbare urbane Utopien zu entwerfen, die ein lebbares Leben für alle ermöglichen können, scheint es wichtig, ›mit dem Boden zu denken‹: Dies ist ein Aufruf, das Verhältnis von Konzeptionellem und Materiellem im Blick zu behalten, also zu fragen, wie abstrakte Ideen mit unterschiedlichen Umwelten oder Terrains interagieren und diese transformieren. Anknüpfend an Williams’ und Keatings Überlegungen möchten wir Spekulation daher sowohl als theoretische wie auch praktische Tätigkeit verstehen, die sich auf die Konsequenzen von explizit visualisierten oder erzählten Zukunftsentwürfen richtet. Besonders interessiert uns, wie diese unser Verständnis von Erfahrungen prägen und neue Möglichkeiten der Beobachtung eröffnen, ganz im Sinne von Martin Savranskys Verständnis des Spekulativen als einer »situierten Kunst des Bemerkens« (Savransky 2018, S. 6).
Angesichts der emanzipatorisch-transformativen Ansprüche beinhaltet spekulative Praxis für situierte Subjekte daher die Infragestellung einer linearen, objektiven, distanzierten Perspektive auf ›die‹ urbane Zukunft. Stattdessen schlagen wir vor, alle spekulativen Akte als ›situiert‹ zu begreifen, das heißt: stets geformt durch die besonderen Umstände und Kontexte des spekulierenden Subjekts. Mit Savransky gesprochen sind spekulative Zukunftsentwürfe »kreative und experimentelle« Kunstgriffe, welche sich »mit Abstraktionen und ihren Folgen, mit Praktiken und deren Träumen, mit Ereignissen und den Möglichkeiten, die sie hervorbringen«, befassen (2018, S. 6–7). In einer urbanen Lektüre dieses Verständnisses erscheint Spekulation als eine vielfältige Methode, um wohlinformierte Vermutungen oder Hypothesen darüber anzustellen, wie sich urbane Szenen, Territorien, Ökologien, Nachbarschaften oder Konflikte entwickeln könnten, und sollten.
Das spekulative Moment kritischer Stadtforschung wird, so unser Argument und die Essenz aus den Beiträgen des Schwerpunkts, dort emanzipatorisch aktiv, wo es sich auf offene Zukünfte richtet. Hier zeigt sich eine Verwandtschaft zur narrativen spekulativen Fabulation, also einer Technik, die Donna Haraway in Staying with the Trouble (2016) auf ein sorgendes Multispezies-Storytelling anwendet. Beginnend im Jahr 2025 entwerfen The Camille Stories fünf zukünftige Generationen von menschlichen Sorgetragenden für mehr-als-menschliche Gattungen. Solche intersubjektiven und intergenerationalen Beziehungsformen, die sich mehr sorgend als reproduzierend gestalten, verschieben mithin auch den Zugang zum Zeitlichen. »Parenting is about caring for generations, one’s own or not; reproducing is about making more of oneself to populate the future, quite a different matter«, wie Haraway (2011) es formuliert. Auf den urbanen Raum übertragen könnte dies für urbane Aktivist:innen, Planer:innen und Stadtforschende bedeuten, sich von den im spekulativen Urbanismus und Kapital verankerten Logiken einer mehr oder weniger mechanischen Reproduktion urbaner Formen abzuwenden zugunsten eines Sorgetragens für genuin ›andere‹ urbane Zukünfte.
Frank I. Müller ist Humangeograph mit Schwerpunkt auf politischer und urbaner Geographie. Er forscht und lehrt zu Wohnraum, mehr-als-menschlichen Umweltbeziehungen, Toxizität, Gewalt und Kriminalität vor allem in Lateinamerika. Derzeit ist Frank als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung Gastwissenschaftler an der Universidade de São Paulo.
Anke Schwarz ist Humangeographin mit Schwerpunkten in der Politischen Geographie und der kritischen Stadtforschung. Sie arbeitet insbesondere zu Raum und Regression, territorialer Subjektivierung sowie Geographien der Speculative und Science Fiction, derzeit an der Universität Halle-Wittenberg.
Aalbers, Manuel B. (2020): Financial geography III: The financialisation of the city. In: Progress in Human Geography, 44(3), S. 595–607.
Adamczak, Bini (2017): Beziehungsweise Revolution. 1917, 1968 und kommende. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Braun, Johann & Schwarz, Anke (2025): Regression als Aufbruch? Kritische Geographien rechter Zukunftsentwürfe. Debatte. In: sub\urban — zeitschrift für kritische stadtforschung, 13(1), www.doi.org/10.36900/suburban.v13i1.1021.
Butler, Octavia E. (2000): A Few Rules for Predicting the Future. In: Essence Magazine, 31(1), S. 164–166.
Carroll, Jordan S. (2024): Speculative Whiteness. Science Fiction and the Alt Right. Minneapolis: University of Minnesota Press.
Colven, Emma (2022): A political ecology of speculative urbanism: The role of financial and environmental speculation in Jakarta’s water crisis. In: Environment and Planning A: Economy and Space, 55(2), S. 490–510.
Fields, Desiree (2023): Speculative urbanism. In: Environment and Planning A: Economy and Space, 55(2), S. 511–516.
Goldman, M. (2021): Speculative urbanism and the urban-financial conjuncture: Interrogating the afterlives of the financial crisis. In: Environment and Planning A: Economy and Space, 55(2), S. 367–387.
Haraway, Donna (2016): Staying with the Trouble. Making Kin in the Chtulucene. Durham: Duke University Press.
Haraway, Donna (2011): Speculative Fabulations for Technoculture’s Generations: Taking Care of Unexpected Country. In: Australian Humanities Review. www.australianhumanitiesreview.org/2011/05/01/speculative-fabulations-for-technocultures-generations-taking-care-of-unexpected-country.
Hatherley, Owen (2025): High Rise, Hard Times. Jacobin 58, S. 35–38.
Heeg, Susanne (2020): Wohnungen als Finanzanlage. In: Schipper, S. & Vollmer, L. (Hrsg.): Wohnungsforschung. Ein Reader. Bd. 2. Bielefeld: transcript Verlag, S. 391–419.
Higgins, David M. (2025): Antrieb oder Fortschritt? Die Grenzen des reaktionären Futurismus. In: sub\urban — zeitschrift für kritische stadtforschung, 13(1), www.doi.org/10.36900/suburban.v13i1.1031.
Kemmer, Laura (2024): Spurensicherung — Retaining Traces. The Urban Ground as an Archive of Reparative Ecologies. In: arte :lugar :cidade, 1(2), S. 72–100.
Leitner, Helga, & Sheppard, Eric (2023): Unleashing speculative urbanism: Speculation and urban transformations. In: Environment and Planning A: Economy and Space, 55(2), S. 359–366.
Müller, Frank I. & Schwarz, Anke (2024): Take root among the stars? Emancipatory homemaking as critical worldbuilding in Octavia Butler’s Parables. In: cultural geographies, online first, www.doi.org/10.1177/14744740241293136.
Müller, Tadzio (2024): Zwischen friedlicher Sabotage und Kollaps. Wie ich lernte, die Zukunft wieder zu lieben. Wien: Mandelbaum.
Older, Malka (2020): Speculative Fictions, Everywhere We Look. Uncanny Magazine, www.uncannymagazine.com/article/speculative-fictions-everywhere-we-look/, letzter Zugriff 10.10.2025.
Rolnik, Raquel (2024): É pelo direito à cidade: conflito em torno do Parque do Rio Bixiga vai além do embate entre Zé Celso/Teatro Oficina e o Grupo Silvio Santos.
www.labcidade.fau.usp.br/conflito-ze-celso-teatro-oficina-silvio-santos/, letzter Zugriff 17.11.2025
Savransky, Martin (2018): Isabelle Stengers and the Dramatization of Philosophy. In: SubStance, 47(19), S. 3–16.
Simone, Maliq (2025): »No More Proletariat, or Unhappy People, or Oppressed«: Living Besides and the Collective Sensibilities of ›Urban Popular Territories‹. In: Global Studies Quarterly, 5(3), ksae048, www.doi.org/10.1093/isagsq/ksae048.
Summers, Brandi & Fields, Desiree (2022): Speculative Urban Worldmaking: Meeting Financial Violence with a Politics of Collective Care. In: Antipode, 56(3), S. 821–840.
Taskale, Ali R. (2025): Subverting speculative urbanism. Cityscape in ›New York 2140‹. In: Urban Studies, online first, doi.org/10.1177/00420980241307571.
Verne, Julia, Nadine Marquardt & Stefan Ouma (2025): Planetary Futures: On Life in Critical Times. In: Geography Compass, 19(1), e70015.
Williams, N. & Keating, T. (2022). From Abstract Thinking to Thinking Abstractions: Introducing Speculative Geographies. In: Williams, N. & Keating, T. (Hrsg.): Speculative Geographies. Singapore: Palgrave Macmillan.
Wjiburg, Gertjan; Aalbers, Manuel B. & Heeg, Susanne (2018): The Financialization of Rental Housing 2.0: Releasing Housing into the Privatized Mainstream of Capital Accumulation. In: Antipode, 50(4), S. 1098–1119.