Katharina Held

Katharina Held studierte Kultur der Metropole an der HafenCity Universität in Hamburg und schloss ihren Master in Urban Studies am University College in London ab.


Hamburg, die Perle an der Elbe, das Tor zur Welt, die Hafenstadt mit Metropolanspruch. Hamburg ist rau, aber schön – verregnet, aber schön – rot, aber schön.
Soweit die Klischees und Gemütsbewegungen, die mit der Hansestadt verbunden werden. Hamburg ist aber auch: eine Stadt, in der die Schere zwischen Reichtum und Armut extrem weit auseinander klafft. Tiefe Spaltungen bei Einkommen und Vermögen, bei Chancen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt und im Gesundheitswesen, ungleich verteilter Zugang zu (Aus-)Bildung, Pflege, Ernährung und, wie auch der Klappentext des Buches verrät, Spaltungen „zwischen den Geschlechtern, im Bereich der Migration, innerhalb der Generationen sowie zwischen sozialen Schichten und Klassen – und in den Stadtteilen und Quartieren“ kennzeichnen den städtischen Alltag. Im bundesweiten Vergleich der residentiellen Segregation nimmt Hamburg regelmäßig einen der obersten Plätze ein: Arm und Reich, diese Gegensätze liegen hier dicht beieinander.
Die zunehmende räumliche und soziale Polarisierung schafft neue urbane (Armuts-)Realitäten innerhalb der Hansestadt, die sich oftmals auch räumlich lokalisieren lassen. Aus dem Stadtgeflecht werden diese Problemstadtteile und –quartiere herausgeschält, definiert und bearbeitbar gemacht für die Stadtentwicklungspolitik.
Diese setzt in Hamburg nur fragmentär an – bisweilen gelingt es gar nicht, Armut und soziale Spaltung nachhaltig zu bekämpfen – und ist zu stark auf die Stärkung der lokalen Wirtschaft ausgerichtet, konstatieren die AutorInnen des Buches Hamburg: Gespaltene Stadt? Soziale Entwicklungen in der Metropole und fordern mehr soziale Gerechtigkeit, zivilgesellschaftliches Engagement, politische Regulierungen und eine gezielte Armutsbekämpfung.
Das Buch, das schon auf seinem Umschlag die Frage: „Warum ist die Metropole Hamburg trotz des Wirtschaftsaufschwungs der letzten Zeit sozial gespalten?“ aufwirft, versucht in elf Texten aktuelle Tendenzen und Entwicklungen in den Bereichen Armut, Chancengleichheit, soziale Verdrängung und Stadtentwicklungspolitik darzustellen und den aktuellen Forschungsstand zum Thema zu fassen.
Herausgeber des Sammelbandes sind Gerd Pohl (Sozialwirt und Soziologe) und Klaus Wicher (Betriebswirt und Handelslehrer), die zwei Jahre zuvor den Band Armes Reiches Hamburg – in dem sie bereits auf die sozialen Schieflagen und Fehlentwicklungen in der Stadt ‚mit den meisten Millionären Deutschlands‘ eingingen – aufgelegt haben.
Nicht nur thematisch bietet der Sammelband einen Querschnitt deutschlandweit relevanter sozialpolitischer Probleme; auch die Perspektiven und Standpunkte der einzelnen Texte sind von unterschiedlicher Qualität, was aufgrund der verschiedenen Hintergründe der AutorInnen jedoch wenig überrascht.
Unter der Überschrift ‚Kalkulierbare Segregation?‘ beleuchtet Simon Günther, Professor für Sozialwissenschaften/Sozialpolitik an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg/HAW, drei Perspektiven der sozialräumlichen Polarisierung (Sozialstatistik, Wohnungsmarkt, Integrationsleistung der Wohnquartiere), erläutert Eckpunkte einer sozialen Stadtentwicklung und versteht seinen Text als Plädoyer „für eine soziale Stadtpolitik […], die ihr Verhältnis zur residentiellen Segregation klärt und sich nicht mit der oberflächlichen Bearbeitung von Symptomen zufrieden gibt“.
Der Text von Laura Crcic, Cordula Tillmann, Nicole Wegener und Johanna Wessels (alle im Arbeitskreis Angewandte Sozialpolitik der HAW) zu Menschen in Erwerbsarmut hingegen nimmt insbesondere deren Lebenslagen, die Armutssituation und Teilhabechancen am Wohnungsmarkt in den Blick und versucht die Frage zu klären, wie diese verbessert werden können.
Im Beitrag ‚Mittelschicht in Abstiegsangst?!‘ der sozialpolitischen Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion Katharina Fegebank setzt sich die Autorin zunächst neutral mit Ängsten vor Armut und Statusverlust auseinander, bewirbt in abschließenden Kapiteln jedoch ihr Parteiprogramm. Auch Heike Sudmanns (Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion Die Linke für Stadtentwicklung, Verkehr und Wohnungspolitik) Analyse der Leitbilder der Stadt Hamburg seit 1983 und deren Zusammenhangs mit den Entwicklungen des Wohnungsmarktes und den Aufwertungs- und Verdrängungsprozessen in Hamburg ist politisch gefärbt und übt massive Kritik an der Stadtentwicklung des SPD-Senats.
Gerd Pohls Ausführungen zu Ernährungsarmut betrachten diese aus einer wissenschaftlichen Perspektive – der Sozialwissenschaftler übt Kritik an Hamburgs „unsozialer Sparpolitik“.
Ingrid Breckner, Professorin für Stadt- und Regionalsoziologie an der HafenCity Universität Hamburg/HCU, ruft in ihrem Beitrag zu Effekten auf Spaltungsprozesse, die vom Stadtteil HafenCity ausgehen, zu konstruktiver und offener Kritik auf. Und Marion Fisch fordert eine sozial orientierte Stadtteilpolitik auch für den Osten Hamburgs.
Insgesamt liefert der Sammelband, der außerdem noch auf die Themen Sozialstaatsgebot und Schuldenbremse, seniorengerechte Stadt, Chancengerechtigkeit in der Bildung und soziale Verdrängung in Hamburg-St. Georg eingeht, einen fundierten Überblick über die Themen und Probleme der Stadtteil- und Sozialpolitik in Hamburg. Teilweise ist jedoch die Grenze zwischen wissenschaftlicher Auseinandersetzung und Information, eigener Meinung und politischen Zielen schwer zu definieren. Dennoch zeugen die Texte von einem (Armuts-)Problem, das in Hamburg nicht erst seit der letzten Finanzkrise Blüten treibt und auf unterschiedlichen Ebenen wahrgenommen wird. Die Verbindung dieser Perspektiven innerhalb eines Bandes macht definitiv deutlich, dass es Veränderungen und neuer Wege in der Stadtpolitik und -entwicklung Hamburgs bedarf, um alle BewohnerInnen an der Stadt teilhaben zu lassen.


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