Temporäre visuelle Praktiken: FlucQuader Wien
Fluc
Praterstern
Das mittlerweile in der Wiener Bar-Club-Kunst-Musikszene unabdingbar gewordene und für viele zum permanent-temporären Wohnzimmer mutierende Fluc überraschte Anfang März erneut mit einem visuellen Eingriff an der Rückseite des Pratersterns, wo WürstelbudenbesitzerInnen abendlich ihre Ware an- und abtransportieren, JoggerInnen für Stretching-Einheiten verweilen oder die letzten PraterbesucherInnen noch einen Parkplatz zu finden glauben. Als temporäre Kunstplattform, die im Herbst 2002 mit Andrea Ressis »Urban Signs« das Terrain für Interventionen im Bereich des »Kunst im öffentlichen Raum«-Diskurses eröffnete, dient die gläserne Außenfassade des Fluc seither als permanenter Gradmesser für gegenwärtige künstlerische Praktiken im Spannungsfeld der schillernden Aktivitäten rund um den Praterstern.
Nach den bisher auf die Interaktion zwischen BesucherInnen und dem sie umgebenden Innen- bzw. Außenraum fokussierenden künstlerischen Interventionen, deren Projektionsfläche sich im Wesentlichen auf eine zweidimensionale Ebene erstreckte, wurde die äußere Zugangsfront nun um einen von der Künstlergruppe dy’na:mo gestalteten Container erweitert. Als Andockstelle fungierte eine der zahlreichen Glasflächen der ursprünglichen Fassade, die nun nach vorne versetzt und als transparentes Display bzw. als Videoscreen bespielbar gemacht wurde. Zusätzlich zeigt die weiß angemalte Containerseite, die BesucherInnen zu einer der beiden Eingangstüren geleitet, das projizierte Logo dieser neuen »Kunsthalle Praterstern«: FQ. Als Abkürzung, gesprochen [flu:qua:], evoziert dieses eine inhaltliche und visuelle Homologie mit dem mittlerweile ubiquitär gewordenen Begriff des MQ, wodurch sich der FlucQuader gleichzeitig als latente Institutionskritik eines inhaltsschwangeren Großkulturareals versteht. Während der Buchstabe F in der gewohnt perforierten Punktschreibweise ausfällt, ähnelt das Q in seiner grafischen Umsetzung dem Museumsquartier-Logo, mit der einzigen Ausnahme, dass es sich hier in der Mitte nicht um einen Punkt, sondern um einen Quader handelt.
Strukturell schließt der Container an die Baulandschaft rund um den Praterstern an, der als Bahnhof Wien Nord umgebaut und inhaltlich zu einer Art Shopping Mall umfunktioniert werden soll. Die Umsetzung dieses Vorhabens zwingt ein Lokal wie das Fluc zu einer neuen Standortbestimmung, die gleichzeitig mit seinem Konzept der Fluktuation von Raum und Zeit und der ihr inhärenten künstlerischen Visualität und Narrativität korreliert. Als Transitlokal muss daher der Raum im Fluc in absehbarer Zeit dem eigenen Raum weichen und seine Spuren in der unmittelbaren Umgebung des gegenwärtigen Standpunktes weiterziehen. Die Kunsthalle Praterstern bildet einen ersten visuellen Signifikanten für diese architektonische und künstlerische Entwicklung, die die Transformation urbaner Prozesse in jenem spezifischen Teil des öffentlichen Raums reflektiert.
Als Element symbolisiert der FlucQuader eine der möglichen künftigen Erscheinungsformen des »neuen« Fluc, das sich in noch nicht genau bestimmbarer und in Synchronisation mit dem Umbau des Bahnhofs Wien Nord zu bringender Zeit auf dem Vorplatz des gegenwärtigen Lokals befinden soll. Was sich physisch als schrittweise Annäherung innerhalb der Fluc’schen Fluktuation von Raum erweist, manifestiert sich künstlerisch als Video- und Soundinstallation des Künstlervereins und Fluc-Betreibertrios dy’na:mo. An der Konvergenzfläche zwischen Innen- und Außenwelt des Quadervorsprungs zeigt die Einstellung der Kamera das Geschehen am Vorplatz bei Tag, das den meisten BesucherInnen stets verborgen bleibt und zu nächtlicher Stunde sowohl den PassantInnen draußen als auch den BetrachterInnen im Inneren des Cube auf einer Rückproleinwand demonstriert wird. Der Blick des Kameraauges ersetzt somit den Ausschnitt zu jenem Teil der Wirklichkeit, den normalerweise der Blick durch die versetzte Glasfront generiert. Seine Richtung verweist auf jene Position neben öffentlichen WC-Anlagen, Straßenbahnschienen und Grünfläche, die auch die Wirklichkeit der künftigen Fluc-Realität bestimmen soll.
Fluc
Praterstern
Walter Seidl