
Time is money, sometimes
Kunstinsert von Sam MeechIm Juni 2024 war Sam Meech im Kunsthaus Graz im Rahmen der Ausstellung 24/7 – Arbeit zwischen Sinnstiftung und Entgrenzung für seine Performance Punchcard Economy: 8 Hours Labour zu Gast. Der Künstler arbeitete dort exakt acht Stunden an einer Strickmaschine, genau jene Zeit, die ansonsten auch an einem üblichen Arbeitstag zu absolvieren ist. Das dabei entstandene Strickwerk hat in dieser Arbeit weniger Bedeutung als die genaue Dokumentation der Arbeit selbst, ihrer Überwachung über die Kameras und die exakte Aufschlüsselung von Honorar, Zeit und Kosten. Dabei kann das mechanische Konzept der Strickmaschine in einem genauen Zeitintervall als Gegenkonzept offener künstlerischer Arbeit gesehen werden. Wo gibt es den Achtstundentag für Künstler:innen? Das Projekt sieht hier sicherlich keinerlei Wertung. Vielmehr wird der Achtstundentag in der Performance in voller Konsequenz dargestellt. Er gestattet sich dabei nicht einmal eine Pause für die Toilette …
Der aus Huddersfield (Großbritannien) stammende Künstler, Pädagoge und Videomacher sieht die Arbeitswelt in einer Gesellschaft mit digitalen Medien und KI zunehmend verunklärt. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit lösen sich auf und führen uns immer mehr in Phasen unbezahlter Denkarbeit. Die Performance nahm auch auf den britischen Unternehmer und Sozialisten Robert Owen Bezug, der in den 1810er Jahren für den Achtstundentag eintrat: »Acht Stunden tägliche Arbeit sind genug für jeden Menschen, und unter angemessenen Vorkehrungen ausreichend, um eine reichliche Versorgung mit Nahrung, Kleidung und Unterkunft oder den Notwendigkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens zu gewährleisten, und für den Rest seiner Zeit hat jeder Mensch ein Recht auf Bildung, Erholung und Schlaf.« Die Strickmaschine mit ihren Lochkarten kann als Übergangsobjekt von der Mechanik in die digitale Welt verstanden werden.
Bis Ende Mai war in der Kunsthalle Wien die Ausstellung Radical Softwear: Women, Art & Computing 1960–1991 zu sehen, wo nicht zuletzt der Übergang von Lochkarten zu früher Computerkunst aufgearbeitet wird. Gerade hier findet sich die Verarbeitung von Mustern über Lochkarten als Vorform von Computertechnologie wieder. Die radikale Auseinandersetzung von Künstler:innen mit neuen Technologien in dieser Epoche, die noch mit kritischer Neugier auf diese Errungenschaften blickte, ist im Zusammenhang mit Sam Meechs analoger Performance zu betrachten. Im Zuge des wachsenden Einflusses von KI und dessen unabsehbaren Folgen für Arbeit in naher Zukunft, könnte seine Performance fast als romantisches Plädoyer für die Rückbesinnung auf nachvollziehbare, von Menschen geleistete Arbeit gelesen werden. Wäre
da nicht der bescheidene Hinweis in seinem Text auf das Missverhältnis von ›fair pay‹ für eine Performance im Kunstkontext zu davor und danach geleisteter unbezahlter Arbeit.
Sam Meechs Praxis verbindet Projektionsdesign, interaktive Videoinstallation, gesellschaftliches Engagement und digitale Textilien. Er arbeitete mit Organisationen wie: FACT (Liverpool, Großbritannien), The Lowry (Manchester, Großbritannien), Open Data Institute (Großbritannien), Royal Opera House (Großbritannien), National Film Board of Canada (Kalifornien), Quartier des Spectacles (Kalifornien), Mutek (Kalifornien), Liverpool Biennial (Großbritannien), British Film Institute (Großbritannien) oder Staro Riga Festival (Lettland) zusammen. Er war Co-Direktor von Re-Dock, einer Non-Profit-Organisation, die Kunstprojekte jenseits der Galerie entwickelt und erforscht. Derzeit arbeitet er an einem Filmprojekt in Montreal.
Barbara Holub / Paul Rajakovics
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Sam Meech
Barbara Holub ist Künstlerin und Mitglied von transparadiso, einer Platform für Architektur, Urbanismus und Kunst.
Paul Rajakovics ist Urbanist, lebt und arbeitet in Wien.