Tito’s bunker, Mercedes, Washing Machine and Vampyr
Kunstinsert von Selma SelmanFür die in Bosnien geborene Selma Selman ist ihre Roma-Herkunft ein wesentlicher Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Arbeit. In ihren Performances thematisiert sie vielfach geschlechtsspezifische und rassistische Diskriminierungen, Verfolgungen, Traumata und Spannungen. Dabei benutzt sie oft ihren Körper als Lautsprecher, um Verzweiflung, Wut, Angst, Widerstand und dem Kampf ums Überleben Ausdruck zu verleihen. Sie kann als eine der jüngsten Vertreter*innen einer langen Tradition kritischer und politisch engagierter Performance aus dem ex-jugoslawischen Raum gesehen werden. Die Art und Weise, wie Selma Selman ihren Körper, ihren weiblichen Zustand sowie ihren südosteuropäischen Hintergrund als Romni für politische Inhalte einsetzt, zeigt eine Neuinterpretation des Performance-Diskurses und knüpft an Praktiken von Künstler*innen wie Katalin Ladik oder Tanja Ostojić an.
Im dérive-Insert zeigt Selma Selman eine Auswahl von Arbeiten, die ihre Rolle als Frau in einer patriarchalen und von sozialer Ungleichheit geprägten Gesellschaft ebenso radikalwie direkt thematisieren. In Mercedes Matrix zerstört Selma Selman mit ihrer Familie auf der Kampnagel-Piazza in Hamburg ein Statussymbol – den Mercedes Benz. Durch den Akt des Zerstörens dieses Fahrzeugs setzt sie die Mechanismen der Performance ein, um die körperliche Arbeit ihrer Familie in der Kunst zu positionieren. Dabei öffnet ihr biographischer Hintergrund noch eine weitere wesentliche Ebene: Selma Selmans Familie ist darauf angewiesen, Metallabfälle in Ressourcen zu verwandeln, um das Wohlergehen der Familie zu unterstützen.
In Self-portrait I & II zerstörte die Künstlerin eine Waschmaschine und einhundert Staubsauger mit einer Axt. Die Künstlerin sagt dazu: »Diese früheren Arbeiten visualisieren die Zerstörung von Haushaltsgeräten, die mehr als ein Jahrhundert lang mit der Versklavung von Hausfrauen in Verbindung gebracht wurden, aber auch einen Moment der Katharsis, in dem ich die inneren Spannungen, die mich sowohl zerstören als auch konstruieren, abbauen konnte.« Auch hier transformiert Selma Selman wieder ihre biographischen Wurzeln einer patriarchalen (Roma-)Gesellschaft in einen performativen Befreiungsakt.
Was ist ein sicherer Ort? Bunker werden als sichere Orte wahrgenommen, weil sie Menschen Schutz vor der physischen Bedrohung durch Luftangriffe bieten. In Mercedes 310/ Iron Curtain thematisierte die Künstlerin für die Biennial of Contemporary Art D-0 ARK Underground in Sarajewo (2015) den Mercedes 310 als sichersten Ort, weil ihre Familie dieses Auto zum Sammeln und Verkaufen von Eisen benutzte. Der Eiserne Vorhang war einst ein Symbol des ideologischen Konflikts zwischen zwei konkurrierenden Systemen. Als solches fungierte er nicht nur als physische, sondern auch als psychologische Barriere. »Ich habe den psychosozialen ›Eisernen Vorhang‹, der die Praktiken von marginalisierten Menschen stigmatisiert, abgebaut, um eine symbolische Öffnung zu erreichen und einen Boden zu schaffen, auf dem die Menschen zusammenkommen können« (Selma Selman).
Selma Selman lebt derzeit zwischen Bihać und New York, wo sie an der University of Syracuse tätig ist. Sie war unter anderem im Roma-Pavillon der Biennale in Venedig 2019 vertreten und erhielt bereits zahlreiche Preise, u. a. den Young European Artist Award von trieste contemporanea. In ihrer Heimatstadt Bihać gründete sie die Organisation Mars To School / Go The Heck To School, die insbesondere den Schulbesuch von Romnija-Mädchen unterstützt.
Weitere Informationen: www.selmanselma.com
Selma Selman ist eine bosnische Künstlerin und lebt derzeit zwischen Bihać und New York, wo sie an der University of Syracuse tätig ist. Sie war unter anderem im Roma-Pavillon der Biennale in Venedig 2019 vertreten und erhielt bereits zahlreiche Preise, u. a. den Young European Artist Award von trieste contemporanea.
Paul Rajakovics ist Urbanist, lebt und arbeitet in Wien.
Barbara Holub ist Künstlerin und Mitglied von transparadiso, einer Platform für Architektur, Urbanismus und Kunst.
Markdown aber keine Medien. Last, First (Hg.): The Title, City 2000