Thomas Ballhausen

Thomas Ballhausen, Autor, Film- und Li­te­r­­­a­turwissenschaftler, ist Mitarbeiter der Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur im Literaturhaus Wien / Leitung der Pressedokumentation.

Verena Bauer

Verena Bauer hat in Wien Vergleichenden Literaturwissenschaft und Romanistik studiert. Ihre Schwerpunkte sind Pop, Intermedialität und portugiesischsprachige Literatur.


»Scharfe Zähne« ist ein Buch wie keines zuvor: In Form eines epischen Gedichts, das ganz dem Rhythmus des Hip Hop und der Beat Poetry verschrieben ist, erzählt Toby Barlow seine Geschichte um den Hundefänger Anthony, der sich im Los Angeles der Gegenwart in eine mysteriöse Frau verliebt und in einen Machtkampf unvorstellbaren Ausmaßes hineingezogen wird. Rudel von Werwölfen ringen um die Vorherrschaft auf den Straßen und den verlassenen Gebäuden einer verfallenden Gesellschaft – unserer Gesellschaft. Barlow vereint in seinem international gefeierten Debütwerk die Coolness von Noir Krimis mit antiker Mythologie, er verkoppelt eine berührend aufrichtige Liebesgeschichte mit dem eindringlichen Porträt einer Stadt, die voller Träume und Alpträume steckt. Der folgende Text ist ein Ausschnitt aus dem jüngst bei Milena erschienenen Roman.

I Lass uns über diesen Mann dort drüben am Frühstückstisch singen, seine gebräunten Hände machen endlose Kreise über den Stellenanzeigen »Gesucht« »Gesucht« »Gesucht« kleine Jobs wenig Geld, aber man muss ja irgendwo anfangen.
Hier.
L.A.
East L.A.
Eine Viertelmeile von dort, wo sie an warmen Sommernächten die Mariachis abholen, zwei Meilen von La Serenada de Garibaldis wo die pantherschwarzen Autos auf ihren Hinterteilen lauern, während ihre blonden Frauen drinnen essen, die blutroten Male von ihren stillen Lippen wischend.
»Gesucht« »Gesucht« »Gesucht«
Sein Blick kreist über der Zeitung dann greift er nach dem Telefon atmet tief, beginnt.

»Nö, danke.«
»Der Job ist schon weg, alles Gute noch.«
»Haben Sie Erfahrung?«
»Hinterlassen Sie eine Nachricht.«
»Vergisses.«
»Sie klingen mexikanisch, ola, Du sein Mexikaner?«
»Rufen Sie Montag nochmal an.«
»Hmmm, davon weiß ich nichts.«
»Nein«
»Nein«
»Nein«
Dann fängt sein Widerhaken etwas. Eine dünne goldene Ader. Knospen der Hoffnung brechen durch die trockene weiße Erde: »Ja klar, komm vorbei, wie ist Dein Name?«

Hundefänger.

Sein Vater war kein Mensch, mehr ein schlafender Bulle, mit Händen wie Vorschlaghämmer und einem weichen Herz. Einmal brachte er vom Zwinger einen Hund mit für Anthony. Kaffetrinkend neben dem Telefon klingt diese kleine kläffende Hoffnung jetzt immer noch in seinen Ohren, Anthony lächelt, erinnert sich an die Art, wie der Welpe zwischen den starken Beinen seines Vaters saß, als sie da standen, sahen sie wie Götter auf die kauernde kleine Kreatur herab. Sie lachten. Der Welpe entspannte sich, wedelte mit seinem fetten Schwanz. Sein Vater war nett zu dem Hund, zu den Kindern, zu seiner Frau bis er eine Woche später auf der Sepulveda durch die Windschutzscheibe flog. Traf ihn so hart, dass es egal war, wo er schließlich landete.

Und danach war nichts nett, es war jeder gegen jeden und da waren keine Männer mehr, nur eine Witwe, ein paar Kinder und ein Hund, der in den Zwinger zurückging, eine neue Chance, eigentlich chancenlos. C’est la guerre. Über seinen Weg nachgrübelnd fragt sich Anthony nun, ob der Hund vielleicht kein schlechtes Omen gewesen war.

»Rudel von dreißig oder vierzig wandern herum wie Gauchos in ihren eigenen verdammten Geisterstädten. Sie kommen von den Hügeln, oben von den Arroyos. Wir wissen nicht wie viele, die Schätzungen variieren, aber jedes Mal, wenn sie kommen, gehen ein paar Haushunde mit ihnen mit. Wann immer sich Pudel und Kojoten mischen, wird’s interessant.« Calley ist so weiß, er ist rot. Gebleichte Züge, eingesalzen und verbrannt. Er zeigt Anthony, wie man sie anpackt, wie man die Schlingen zieht, die Drähte umlegt. Sie sitzen beim Schießstand. »Du schießt mit Betäubern, aber du kannst genau so gut mit Scharfen üben.« Calley zeigt Bissspuren an seinen Händen, Beinen und Armen. Sein Atem beißt auch: Kaffee, Zigaretten und einfach ranzig. »Ich werde für eine Zeitlang dein Partner sein, aber bei all den Kürzungen, die sie machen, müssen wir alleine fahren.« »Was passiert, wenn ich auf ein Rudel treffe?« »Triff ein Rudel, greif zum Funk.« Calley macht eine Pause, zieht an der Kippe, das Rot in seinen Augen ganz ähnlich dem Spinnennetz geplatzter Gefäße überall in seinem Gesicht, es ist ein vernebeltes, milchiges, blutunterlaufenes Starren, aber es gibt da immer noch ein mieses Leuchten. Er räuspert sich, »Magst Du Hunde?« »Ja, klar.« »Hmmm.« Er nickt. »Das gibt sich.«

II Da ist überall Blut, aber es sind die Kreaturen dort drüben am Rand, die an den Säumen der rubinroten Lache lecken, die Deine Neugier wecken. Stellen wir das mal klar, es ist nicht der Vollmond. Das ist so alt und überholt wie jeder Mythos. Ein Gedanke und das Blut rast, eine Disziplin entfaltet sich, so dass man sich selbst entzünden kann, neu formen, um etwas Hundegleicheres zu werden, noch immer bewusst, ein wenig hungriger. Es ist eine rohe Kraft der Muskeln, reiche Sexualität und das Essen schmeckt um einiges besser.

Stell Dir vor, zusammen mit dem Rudel schlafen, die Sicherheit, die Treue, der Schutz. Stell Dir diesen elementaren Trost vor.

Knochen, Liebe, Fleisch, Knorpel, Hitze, Wut, Erschöpfung, Trieb, Hunger, Blut, Fett, Mark. Fünfzehn Männer liegen in einem Haus. Hör auf die Nacht, in der sie leise knurren, irgendwer jagt irgendwas in seinen Träumen, verzweifelt nach Genugtuung dann still. Da gibt es eine Frau. Da gibt es einen Anführer. Das Rudel tut, was er sagt, sie kommt und geht wie es ihr gefällt.

Manche von uns haben Probleme, sie reden immer noch über Bone und was das Fett mit ihm macht. Er kann in keinen Hühnchenimbiss gehen. Der Geruch, der Duft verwandelt ihn sofort. Sie sagen, er hätte mal ein ganzes Popeye’s ausgelöscht. Es kam in den Nachrichten, ungelöst. Er hatte nur eine Stunde gebraucht. Er ging hinein, um einen Kübel Frittiertes mitzunehmen. Der Geruch traf ihn, die Verwandlung passierte und das ganze Lokal musste dran glauben. Hühnchen, Kunden, Kekse und Gravy. Lark sagt, dass Kontrolle alles ist. Es gibt keinen Anteil des Hasses für Deine eigene Natur, es ist einfach in Deinem Blut. Das ist jetzt etwa drei Jahre her, es gab ein wenig Aufregung, die Presse spricht von Gangs, Leute jaulen im Fernsehen, dann, wenig überraschend, geht das Leben weiter.

Zwischen Geld, Arbeit, und dem Alltag verliert Lark nie das große Ganze aus den Augen. Das Rudel hinterfragt niemals seine Absichten, wenn sie es täten, so spüren sie, gäbe es keine Antworten. Also folgen sie seinem Kurs und bleiben ruhig, halten sich ans Tempolimit und Bone kriegt sein Hühnchen aus dem Drive-Through.

Sie tun ihr Bestes, um sauber zu bleiben. Sie reden noch immer über den Letzten, der etwas versucht hatte. Baron, damals auf der Party in Irvine, dachte, ein paar Lines könnten Spaß machen. Die Presse spricht von Gangs, Leute jaulen im Fernsehen, aber es war nur Baron. Es gibt ein paar Probleme, aber, hauptsächlich, geht das Leben weiter.

IV Der einzige Grund aufzustehen, sind die Hunde, Anthony interessiert der Job nicht, die Männer sind alle Arschlöcher, sie riechen nach Reinigungsmittel sie wollen ihn als Teil ihrer Gang Calley, Mason, Malone. Wenn er sie beobachtet, wie sie die Hunde zusammenschlagen steht Anthony am Rand, rauchend, grübelt, dass Hass und Liebe gleichweit strahlen im Inneren und Äußeren des Fleisches, deswegen haben, so sagt man, gütige Menschen ein gutes Herz während diese Bastarde einfach nur schlecht riechen.

Ein paar carne asada tacos, sechs Dollar, die er eigentlich nicht hat, auf drei aufgeteilt in dem Zwinger, für drei Hunde, die zu wissen scheinen, dass sie bald dran sind. Keiner von ihnen lebt wegen Anthonys kleiner Geste auf, sie schlingen einfach alles hinunter. Anthony streichelt den Gescheckten, der nicht aufsehen will. Anthony blickt hinüber, hört ein Jaulen, als Calley einen Hund tritt. »Das Leben ist kurz und beschissen«, sagt Calley Ich hasse diesen verdammten Job, denkt Anthony.

Anthony nippt in der Bar an seinem Bier und hofft auf einen Themenwechsel, aber diese neue Beschäftigung ist ein gesellschaftliches Minenfeld, weil jeder und ohne Ausnahme wirklich jeder eine Hundegeschichte zu erzählen hat. Die meisten von ihnen konzentrieren sich auf das grausame und plötzliche Ende: der Bus, der Pickup, der betrunkene Teenager, der elektrische Zaun, der unglückliche Vorfall auf den Schienen, das Rattengift, die plötzliche lähmende Krankheit, die Herzattacke, der schleichende, blähende Verfall. Die heutige Bedienung sagt etwas über einen großen Afghanen-Sonstwas-Hund, den sie irgendwann in den Siebzigern mal hatte, »als das Hundefutter noch richtig schlecht war«, sagt sie. Junge, denkt Anthony, woher sie das wohl hat?

Aber in all diesen Geschichten ist der Hund die unschuldige Sternschnuppe, auf die wir unsere Wünsche laden, bis sie ausbrennt, schnell altert und hinter unserem zerklüfteten Horizont verschwindet. Jeder Hund markiert einen Teil unseres Lebens und am Ende verfüttern wir sie an die Dunkelheit, begraben sie, während wir weitermachen. Was Anthony irgendwie daran erinnert, dass es vielleicht nett gewesen wäre, wenn dieses Auto anstatt seines Vaters einen Hund erwischt hätte. Noch ne Runde. Noch ne Runde. Noch ne Runde.

Oder, hey, es geht um die Tricks. »Warum er mit Eiern im Maul laufen, Chopin spielen, Ungeziefer und Gesindel aufstöbern, Hula tanzen, das Wetter vorhersagen, einen Lügner am Geruch erkennen, die Post sortieren, die Blinden führen, echte Tränen weinen konnte.« Aber niemand schien sich an die erhabene Form eines Hundes zu erinnern, wenn sie eingerollt wie ein Komma in den kühlen erfrischenden Sommerschatten dort unter dem Bett liegt. Oder an die absolute Befriedigung, die man an der stillen Anmut der Muskeln ablesen konnte, wenn ein Hund stürmisch etwas Gutes frisst. Oder der Freudentanz in den Hundeaugen wenn sie dich aufmerksam beobachtet, darauf wartend, dass du genau das tust, was sie will, dass du tust. »Tu es«, sagt sie, »tu es jetzt.«

In der Ecke der Bar bemerkt Anthony eine Frau, dunkles Haar, alleine sitzend, mit besseren Schuhen als diese Bar verdient. Sie kommt Anthony ein wenig vertraut vor. Aber das ist sie nicht. Noch nicht. Zurück bei den weißen Betonblöcken und den Käfigen heißt es, dass Mason seit drei Tagen nicht aufgetaucht ist. Irgendjemand kommt endlich dazu, anzurufen, aber erhält weder auf dem Mobiltelefon noch zuhause eine Antwort. Er lebt, keine Überraschung, alleine. Die Belegschaft spricht beim Lunch darüber, Calley sagt, Anthony soll mit ihm mitgehen, um nach dem vermissten Mann zu sehen. »Ich brauche dein Kung Fu, Kleiner.« »Judo«, korrigiert Anthony. »Was auch immer, gehen wir.«

Sie fahren dort hin. Schon bald haben sie einander nichts mehr zu sagen, Calleys Radio ist kaputt. Aber der Mann erträgt die Stille nicht. »Hast du eine Freundin?« Anthony denkt darüber nach, nicht zu antworten, murmelt dann: »Nein.«

Judo erweist sich als unnötig, als sie ankommen, denn Mason ist vollkommen weg, und es sieht nicht danach aus, als würde ihn jemand finden können. Anthony wundert sich, woher soviel Blut bloß herkommen kann.

Jetzt wünscht er sich nach Hause oder in die Bar oder zurück in die Arbeit, und nicht in ein Gespräch mit diesem Polizisten, Peabody. Anthony erzählt ihm, wie er mit Calley vor dem Haus vorgefahren ist, niemand die Vordertür öffnete, und sie deswegen nach hinten gegangen sind, wo sie die Erkerfenster eingeschlagen vorgefunden haben, und er, Jesus, tief einatmend, würgend, 911 auf dem Mobiltelefon gewählt hatte, während Calley in die Büsche kotzte.

Der Typ von der Forensik kommt von hinten heran, unterbricht sie, er ist ein gruselig aussehender Typ – Jesus, jeder hier sieht gruselig aus – doch die Plastikhandschuhe des Kerls machen es nicht besser. Was sagt er? »Hatte Mr. Mason einen Hund?« Große, rote Abdrücke auf der Veranda, auf den Böden, sehen Sie, verschlepptes Blut auf dem kleinen Flecken grünen Gras, das sich in der Alley verliert. »Nein«, sagt Calley. »Er hasste Hunde.«

VI Peabody, der Cop, ist zurück, spricht mit dem Hausmeister des Tierheims, erstarrt, als er Anthony erkennt, der gerade eintritt. Anthony richtet sich instinktiv ebenfalls auf. Er will nicht noch mehr von all dem. »Ihr Kumpel Mason war seit drei Tagen abwesend, warum haben Sie ihn nicht früher angerufen?« Wassollderscheiß, denkt Anthony, aber er beantwortet die Routine­fragen, hasst den Columbo-und-Verdächtiger-Dialog die ganze Zeit über und denkt, »Warum fühle ich mich verdächtig? Ich bin kein Verdächtiger. Ich mochte Mason nur nicht und jetzt fühle ich mich schuldig, weil ich nicht traurig bin, dass er tot ist. Deshalb fühle ich mich wie ein Verdächtiger. Oder vielleicht mache ich mir auch wegen nichts Gedanken.« Jeder Tod sollte sich wichtig anfühlen, profund, aber, ganz ehrlich, dieser ist einfach nur ein bisschen schräg. »Im Ernst«, denkt Anthony, »Ich bin unschuldig, man kann mir nur Hass oder Gleichgültigkeit vorwerfen. Und wer wäre dann nicht schuldig?«
Er konzentriert sich auf den Cop und seine Fragen. »Er war nicht mein Freund.«
»Warum sind Sie dort hingefahren?«
»Weil Calley das wollte.«
»Sie waren auch nicht Calleys Freund?«
»Nicht wirklich.«
»Warum sind Sie dann gefahren?«
»Weil ich Judo kann, Calley hat mich darum gebeten.«
»Wofür würden Sie Judo brauchen, nur um nach einem Freund zu sehen?«
»Ich dachte, er spinnt bloß rum.«
»Judo. Okay. Nun, wie lange arbeiten Sie schon hier?«
»Seit fünf Wochen.«
»Wen haben Sie ersetzt?«
»Ich weiß nicht viel über ihn. Ein Typ namens Turner.«
»Wo ist Turner jetzt?«
»Sie sagen, er ist eines Tages nicht aufgetaucht.«
»Hat irgendjemand nach ihm gesehen?«
»Keine Ahnung.«
»Was soll diese Einstellung, Anthony?«
»Was?« »Was soll diese Einstellung, Anthony?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Ehrlich.«
»Okay, ich melde mich bei Ihnen.«

Anthony fährt seine Runden, zwei Meldungen über durchgeknallte Pitbulls kommen herein, er treibt einen im Park in die Enge, er ist nicht verrückt, aber auch nicht nett. Das Lasso wird übergeworfen, der Pit wandert in den Truck. Er ruft die Zentrale, bekommt aber keine Antwort, das Büro ist nicht besetzt. Momente später erhält er eine Nachricht über ein Rudel, das eine Hündin jagt, oben in der Nähe des Observatoriums, und die Jogger auf dem Bergweg in Angst und Schrecken versetzt, die eben daran erinnert wurden, dass sie nur warmes und wohlriechendes Fleisch sind. Und langsam noch dazu. Dafür bittet er per Funk um Unterstützung, wenn sie die Hündin umzingeln können, wären sie vielleicht in der Lage, die anderen zusammenzutreiben, aber es ist niemand verfügbar – das Büro ist bereits überlastet – und Calley ist heute nicht aufgetaucht. Also kann das Rudel heute ungestört durch die Hitze jagen, während Anthony weiterfährt. Es nervt, durch die Gegend zu fahren, hunderte von Meilen zurückzulegen, ohne L. A. je zu verlassen. Er hält an einem Yucca Taco Hut, holt sich seine carne asada tacos, sans salsa, für die drei in den Käfigen und fährt zurück.

VII Möchtest Du etwas über Larks Arithmetik wissen?

Fakt ist, er weiß, dass es zwei andere Rudel gibt doch soweit er es ausmachen kann, wissen sie nichts über ihn. Er hat den Geruch von einem beim Lesen der Zeitung aufgenommen, Geschichten über seltsame Verbrechen, voller Spuren und Hinweise, die nur jemand bemerken würde, der sich auskannte. Das ist in Long Beach, in der Nähe der Docks. Er schnappte ein Gerücht auf, über jemanden, der einen Graumarkt betreibt unten im Warehouse District, eine Gang, die manchmal mit vielen Hunden auftauchte und manchmal gar keine zu haben schien.

Die andere Spur war etwas undeutlicher, unten in der Nähe von San Pedro nur etwas, das ihm in einem Polizeidienstbuch untergekommen war. Zu viele Berichte über streunende Hunde die herumwandern und verschwinden, bevor die Cops vor Ort sind. Wahrscheinlich nichts. Einen Blick wert.

Lark hat Penn hinuntergeschickt, um der Spur zu folgen. Penn kehrte zurück, sagt, es riecht eigenartig. Lark schickt ihn erneut hin, Jag weiter.

Er glaubt, dass das Long Beach Rudel die dunkleren Märkte des Importhandels am Laufen hält. Während er keine Ahnung über San Pedro hat, ist Lark sich fast hundert Prozent sicher, dass das Long Beach Rudel wirklich existiert. Er schickt Baron in den Süden, befiehlt ihm, in alles hineinzuschlüpfen, was es dort gibt. Sich herumzutreiben, ihre Anzahl herauszufinden, ihre Pläne, ihre Struktur, ihre Mittel zu wachsen.

Indessen kommt Penn aus San Pedro mit nichts zurück. Nicht dass es notwendigerweise viel zu erfahren gab. Zwielichtige Hunde kamen alle zehn Jahre oder so, ein Streuner von einem entfernten Rudel, der eine Gang zusammenstellt, es einfach versucht, sich einbildet, eine Nische in dieser Stadt besetzen zu können, bis sie den Russen, den Crips oder irgendjemand anderem mit einem Gespür für Territorien über den Weg laufen. Wolf oder Hund oder Mann, sie alle sind den Kugeln untergeordnet und verschwinden, niemand wird daraus klüger.

Lark denkt weiter. Selbst wenn beide existieren, niemand außer ihm spielt in der Oberliga, niemand außer ihm macht wirklich viel Geld, niemand sonst besitzt irgendetwas im nördlichen Teil der Stadt, und nichts kommt Larks Plan für die Zukunft nahe.

Es ist okay. Der langsame Plan strömt vorwärts, er sendet Barons kleinen Bruder Bone in die Stadt um den Job im Tierheim diesmal zu erledigen. Die Dinge bröckeln ein wenig, niemand spielt gerne drei Partien zur gleichen Zeit. Aber das ist nichts, worüber man sich Sorgen machen muss, das langsame Spiel wird langsam weitergespielt, so lange er nur aufmerksam bleibt.

Fakt ist, er weiß, dass einer von fünf Menschen in Los Angeles einen Hund hat, einen echten Hund, was die Hundepopulation gleichgroß macht wie die Anzahl aller in Atlanta lebenden Menschen.

Fakt ist, er weiß, dass es unmöglich ist, einen Wolf von einem Menschen zu unterscheiden wenn er nur sein Kinn oben und seine Zähne sauber hält.

Fakt ist, es gibt Mächte in dieser Stadt die noch unsichtbarer sind als seine. Jemand hat nach einem Rudel Männer fürs Grobe gefragt, diese Fragen gingen mit weiteren Fragen über Hunde einher. Lark riecht die Hinweise, versuchte ihnen zu folgen, aber sie führten ins nichts. Die Fragen ebbten ab, die Gerüchte verflüchtigten sich, ließen Lark denken, dass wer auch immer gefragt hat, so etwas wie eine Antwort gefunden haben muss. Irgendwie fühlte sich das nicht richtig an. Also grub er weiter, verfolgte sie bis er auf Clubs stieß, die keine Mitglieder aufnehmen, und mit Spielen, die keine­r mitspielen kann. Aber es gibt Wege hinein, da ist er sicher, er stocher­t weiter.

Ein Hinweis kam von einem Concierge, der unter anderem, mit Kindern handelte. Wohlhabende Pädophile sammelten ein, was sie von ihm brauchten, er sammelte dabei Dreck und Gerüchte auf, die er verkaufen konnte. Lark erhielt einige Tipps von dem Concierge, etwas über einen seltsamen Mann mit einem großen, stillen Begleite­r. Lark hörte dem Geplapper weiter zu, als sie in einer kanariengelben Hotelsuite saßen. »Dieser Mann, dieser kleine Mann ist schrullig er wollte etwas über Kampfhunde wissen«, sagte der Concierge, trommelte mit den Fingern auf die Armlehnen des Sessels.

»Ich sag ihm, ›Mann, das ist das Einzige, was ich nicht verkaufe. Ich hasse Hunde. Ich liebe Drogen, alle Drogen, ich liebe Pussys, junge Pussys, weißt Du, aber keine Hunde. Auf keinen Fall.‹ Der kleine Mann fragte auch nach einem Mädchen, jemand speziellen, Mitte Zwanzig, blond, und ich sage, hey, willkommen in Südkalifornien.

Ich meine, viel Glück, oder?« Lark lächelte, blieb dran, plauderte und gab vor mitzuspielen, brachte alles in Erfahrung, was es über diese beiden geheimnisvollen Männer zu wissen gab, entschuldigte sich dann, verschwand zur Toilette. Im Hineingehen ließ er die Tür ein wenig offen. Dort, während er dem Concierge zuhörte, wie er einen beliebten Song pfiff, legte Lark alle seine Kleider ab und verwandelte sich, stupste die Tür mit der Nase auf und trottete zurück in die Suite.

Der Concierge verließ die Welt blutig und verängstigt. Er wurde mit fließender Anmut beseitigt, der Raum saubergeleckt, makelloser als ein Zimmermädchen ihn je verlassen könnte.

Lark folgt dem Hinweis zu einem Kartenspiel. Er schickt die Smarten, Cutter und Blue, um herumzufragen, die Spieler auszukundschaften, sich einzunisten. Irgendetwas geht dort vor. Es ist lästig, aber wert, herumzuschnüffeln. Er weiß, es wird kommen, er fühlt es, er wartet. Wie jemand einst sagte »paciencia y barajar« Also halte an Deiner Geduld fest und misch die Karten weiter.

Toby Barlow
Scharfe Zähne
Übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Verena Bauer und Thomas Ballhausen. Mit einer Einleitung von Carl Weissner
exquisite corpse – Schriften zu Ästhetik, Intermedialität und Moderne 2.
Wien: Milena Verlag 2009
380 Seiten, 23,50 Euro