Toronto Barbeque / Im Vorfeld
Der Blick aus dem Fenster fällt auf streng geschnittene Eibenhecken. Sie begrenzen gemeinsam mit Streifen aus Natursteinplatten die kleinen Rasenfelder. Vor der Hütte dominiert Grillgeruch und eifriges Plaudern. Einige Meter weiter wird Tischtennis gespielt, daneben in kleinen Swimmingpools geplanscht. Aber nein – wir sind nicht in einer der Schrebergartensiedlungen Wiens, wir befinden uns im Zentrum der Stadt, am Vorplatz des »zukunftsweisenden innerstädtischen Kulturviertels«, des Museumsquartiers Wien.
Der Blick aus dem Fenster fällt auf streng geschnittene Eibenhecken. Sie begrenzen gemeinsam mit Streifen aus Natursteinplatten die kleinen Rasenfelder. Vor der Hütte dominiert Grillgeruch und eifriges Plaudern. Einige Meter weiter wird Tischtennis gespielt, daneben in kleinen Swimmingpools geplanscht. Aber nein – wir sind nicht in einer der Schrebergartensiedlungen Wiens, wir befinden uns im Zentrum der Stadt, am Vorplatz des »zukunftsweisenden innerstädtischen Kulturviertels«[1], des Museumsquartiers Wien.
Die Sommeraktion »Toronto Barbeque«[2] der ArchitektInnengruppe feld72 und LandschaftsarchitektInnengruppe nan interpretierte das Vorfeld der Kultur neu.
Vom 24. bis zum 30. Juli wurde es durch die AktivistInnen »kultiviert«[3]. Eine Assoziation vor Ort, eine direkte Reaktion auf die vorhandene Gestaltung dieses öffentlichen innerstädtischen Raumes bildete den Ausgangspunkt der Aktion. Es wurde ein »Gartensujet«[3:1] errichtet und die VeranstalterInnen »besetzten«[3:2] den Raum permanent durch ihre Anwesenheit zu jeder Tages und Nachtzeit. Es gab während der Veranstaltung nur wenige fix vorgesehenen »Events«, wie ein Diskussionsforum oder ein Tischtennisturnier, welche Publikum an diesen Ort hätten locken sollen. Ungeplante Tagesabläufe mussten sich langsam entwickeln, die AktivistInnen in die Situation einleben, bis zur Performance im Stillen – das Übernachten in den Blockhütten. Das »alltägliche« Handeln der vor Ort befindlichen AktionistInnen war Zentrum des »Toronto Barbeque«. Über die gesamte Woche hinweg wurde durch einen Wettbewerb die aktive Auseinandersetzung der BesucherInnen gefordert. Ideen für den Vorplatz mussten an eine Ideenspinne geheftet werden, um an der Verlosung einer der Gartenhütten teilnehmen zu können.
Mit zwei in der Längsrichtung geteilten Bereichen, einem zur Fischer von Erlach Fassade orientierten Boulevard und einem »begrünten« Rasenbereich auf der der Straße zugewandten Seite, sowie in Querrichtung unterteilten »Feldern« im Rasenbereich bietet dieser Platz auf den ersten Blick keine adäquat nutzbare Stadtfläche im Hinblick auf den umliegenden Kontext an. Vor (die Bauzauninstallation der querkraft Architekten) und während (der Projektor von propeller z im Zuge der Veranstaltungsreihe »live_forms«) der Bauphase fanden noch temporäre Installationen ihren Platz im musealen und städtischen Vorfeld. Diese kehrten durch ihre Konzeption das innere Programm des MQ nach außen. Die letztendliche Ausgestaltung des MQ Vorplatzes geriet jedoch zum »Platzhalter«. Sie weist, so wie die dominante Fischer von Erlach Fassade in keinster Weise auf die dahinterliegenden Museumsbauten hin. So kann der Vorplatz das Gesamtprojekt nicht »retten« wenn in der Grundkonzeption des Areals die Vermittlung nach Außen in die Stadt nicht berücksichtigt wurde. Das überdimensionale Hinweisschild, ein Versuch die StadtbenützerInnen auf die verborgenen Museen aufmerksam zu machen, erinnert eher an »Learning from Las Vegas« von Venturi / Scott Brown.
Das einwöchige Festival der Provokation hatte wohl nicht zum Ziel, zur Umgestaltung des Ortes zu führen, sondern auf die Bedeutung der räumlichen Konzeption für die Interpretation und Benutzbarkeit dieses öffentlichen Raumes auf fröhliche ironische Weise hinzuweisen. Das Gartenhaus, die feiernden Menschen regten zum Mitfeiern und gleichzeitig zum Nachdenken an. Die Wahrnehmung während der Aktion fokussierte sich so sehr auf die »Vorfelder«, dass die stadtrandliche Benützung ohne Ablenkung stattfinden konnte.
Als TeilnehmerIn waren weder das MQ noch der nahe vorbeiführende Verkehr wahrzunehmen, sondern man befand sich in einem Raum, in dem das übernächste Feld und die dort Feiernden schon allzu weit entfernt schienen. Das Paradoxon MQ / Schrebergarten war direkt erfahrbar – die Parzellendimension wurde zur Grenze der Gemeinschaft und damit zur Gegenwelt des MQ als öffentlichem großdimensioniertem »Allgemeingut«. Der Vorbereich wurde auf eine aktive und sichtbare Weise »privatisiert«. In ökonomischer Hinsicht und nicht sichtbar ist er es bereits, wurde doch den AktivistInnen von Seiten des MQ der Vorplatz »unentgeltlich zu Verfügung gestellt«.
Die Gruppe feld72 »kultivierte«[3:3] das Vorfeld mit dieser Aktion insofern, da sie diesen Bereich in einen kontrastierenden Zusammenhang mit seiner Umgebung stellte. Das räumliche Umfeld wurde somit nicht als passive Verpackung für unsere Handlungen verstanden, sondern die durch ihre Gestaltung produzierten räumlichen Vorgaben und Bilder anhand einer Intervention interpretiert. Im Falle des Vorplatzes des MQ wurde durch feld72 eine seiner nicht offensichtlichen Bedeutungen aufgedeckt.[4]
Fußnoten
Selbstdefinition des MQ auf seiner Website www.mqw.at ↩︎
Toronto ist die Produktbezeichnung der verwendeten Blockhütte. Gleichzeitig – neben der unterschiedlichen Auffassung über die Herleitung – liefert der Stadtname Toronto mit den Bedeutungen „Treffpunkt“ (Huronen) oder „Treffpunkt nahe den Bäumen im Wasser“ (Irokesen) noch eine weitere Bedeutungsebene. (Dass die Mohawk die Fischreusen der Huronen „Tkaronto“ nannten und sich der Name daher ableitet, soll hier der Vollständigkeit halber erwähnt werden.) ↩︎
Im Gegensatz dazu wird die in Kürze erfolgende Ausschreibung eines Wettbewerbes für diesen Bereich inklusive eines Leitsystems – dessen Ausschreibung bereits darauf hin deutet, dass es im Masterplan nicht berücksichtigt wurde – nichts an der Situation des Gesamtareals ändern können. ↩︎
Erik Meinharter
feld 72