Manuel Castillo


TschuschenPower ist ein Zusammenschluß von in Österreich lebenden Menschen unterschiedlichster ethnischer Herkunft, die die gesellschaftspolitischen Zustände inakzeptabel finden und sich aktiv für einen konstruktiven Veränderungsprozeß einsetzen.
TschuschenPower definiert sich als Plattform, die Freiraum zur Gestaltung und zum Ausdrücken eigener Formen und Positionen ermöglicht, aber dennoch als geschlossene Gruppe agiert.
Die Mehrheitsgesellschaft nimmt sich das Recht heraus, andere Ethnien mit bestimmten Begriffen zu definieren: Tschusch, Nigger, Kümmeltürke, usw. Alle diese Begriffe sind Ausdruck einer Definitionsmacht, die dazu genützt wird, festzulegen, wer wir sind, wie und was wir zu sein haben. TschuschenPower nimmt diese Definitionsmacht nicht mehr hin! Aus diesem Grund kehren wir den Begriff »Tschusch«(en) als rassistischen Sammelbegriff bewußt um, und schmieden ein neues, positiv besetztes Widerstandsinstrument.
In diesem Sinne vernetzt TschuschenPower Menschen, die den Diskurs über sich nicht mehr nur von anderen führen lassen wollen, sondern ihn selbstbewußt mitgestalten und sich somit politisch und gesellschaftlich - jenseits folkloristischer Darstellung - sichtbar machen.
Aus unterschiedlichsten Lebens- und Arbeitswelten kommend, stoßen wir in die Bereiche, die bisher von der Mehrheitsgesellschaft dominiert waren, vor.
TschuschenPower will eine vollkommene, gesellschaftliche Gleichstellung aller in Österreich lebenden Menschen.
Es entspricht dem rechtsstaatlichen Selbstverständnis von TschuschenPower, daß es in einer demokratischen Gesellschaft nicht darum geht, daß bestimmte Werte von allen Mitgliedern dieser Gesellschaft geteilt werden müssen, sondern daß bestimmte Regeln von allen Mitgliedern dieser Gesellschaft eingehalten werden müssen und, darauf aufbauend, daß diese Regeln im politischen Prozeß (d.h. wenn sie unter strikt demokratischen Gesichtspunkten mehrheitsfähig sind) veränder­ und verhandelbar sind. Wenn aber die komplette, rechtliche Gleichstellung zwischen In- und AusländerInnen in Österreich in den Mittelpunkt gezogen wird, beharrt TschuschenPower ausdrücklich auch für AusländerInnen auf die Anwendung von dem in der österreichischen Gesetzgebung tief verankerten Gleichheitsprinzip, das in Österreich auf Menschen nichtösterreichischer Herkunft nicht komplett angewandt wird. Das langfristige, ausdrückliche, klare Ziel von TschuschenPower ist, daß diese Rechtsanspruchserweiterung in der österreichischen Grundverfassung ausdrücklich festgelegt wird, auch wenn jetzige oder künftige Mehrheitsverhältnisse im österreichischen Parlament (aufgrund der Nicht-Erreichung des verfassungskonformen 2/3-Quorums) die Umsetzung dieser politischen Forderung kurzfristig nicht möglich machen. Mit dieser eindeutigen, ausdrücklichen, politischen Forderung will TschuschenPower zum Aufbau einer gerechteren österreichischen Gesellschaft beitragen, die auf die gegenseitige Anerkennung der Individuen basiert und die den eigenen Lebensstil nicht zur verpflichtenden Normalität umdefiniert und wo die eigene Kultur und ethnische Herkunft Residualphänomene, im besten Fall erfreuliche Ergänzungen sein werden.

Ottakring (Wien), April 2000

Schluß mit fremd

Falls Sie den Aufbruch der österreichischen Zivilgesellschaft nach der Angelobung der ÖVP /FPÖ-Regierung mit Befremden verfolgen, das fremdartige Treiben bei den Donnerstag-Demos Sie äußerst verfremdet, und Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen, daß wildfremde WandererInnen harmonisch, friedlich und frei von weltfremden Ideologien Widerstand leisten, lesen Sie bitte nicht weiter. Sparen Sie sich eine fremdenfeindliche Aufregung, indem Sie erfahren, daß jetzt sogar die Fremden aufmucken. Überfremdende Fremdlinge von hier aus der ganzen Welt, die mit ihrer fremdländischen, frechen Art sich jetzt selber »Tschuschen« nennen.
Falls Sie doch weiterlesen, haben Sie keine Angst: das Wort »fremd« kommt im Text nicht mehr vor... Ab jetzt ist nur von Tschuschen die Rede. »TschuschenPower« ist im Rahmen der Widerstandsbewegung gegen die Beteiligung der rechtsextremen FPÖ an der Regierung entstanden. Wir sind klein. Aber Gott behüte nicht fein. Wir haben keinen Vorstand, denn wir sind nicht einmal ein Verein (Reim unbeabsichtigt). Vorgangsweisen werden hauptsächlich per Email und Handy diskutiert und gemeinsam beschlossen. Und trotzdem klappt's. Es klappt, daß wir langsam Tschuschen in Österreich politisch anders »sichtbar« machen, und daß wir bereits dabei sind, einen anderen »Ausländerdiskurs« in diesem Land zu starten, einen selbstbewußten Diskurs ohne Pathos. Ohne Betroffenheitsdiktion. Rotzig, wenn es sein muß. Frei von Sentimentalismen. Mit Vermeidung von Kathartischem. Das »Folkloristische« und die Betonung der kulturellen Unterschiede liegen uns fern. Gelinde gesagt. Sollte, zum Beispiel, die niederösterreichische, moslemische Gemeinschaft eine Moschee in Mariazell bauen, würden wir es natürlich total cool finden. Wir wüßten aber nicht, was wir bei der Moschee-Einweihung verloren hätten. Wir sind parteiunabhängig, gewaltfrei und nichtkonfessionell.
Wir verstehen »Ausländersein« in Österreich nicht nur als ein Leben in der Beschränkung, als eine Mangelerscheinung. Natürlich kämpfen wir gegen Benachteiligung und Diskriminierung. Weil wir hier nicht geboren sind. Weil wir keinen österreichischen Blut-und-Boden­ Paß haben, obwohl wir hier geboren sind. Weil wir lange Jahre in diesem Land ohne ersichtliche, kollaterale Schäden in unserer Persönlichkeitsstruktur überlebt haben, aber mit dem neuen österreichischen Paß immer noch als diskriminierbar gelten. Wir kämpfen für eine Zukunft, in der die totale Angleichung der Rechte und Pflichten von allen in Österreich lebenden Menschen, egal welcher ethnischen Herkunft, möglich sein wird.
Neu an diesem Kampf ist, daß wir ihn selber antreten wollen. Es ist schön, wenn gutmeinende ÖsterreicherInnen unsere Anliegen politisch artikulieren. Jetzt sind aber Tschuschen aufgerufen, dies selber zu tun. Unösterreichisch konsequent wollen wir hier sein. Als schlechtes Rollenmuster, sozusagen. Um die Tschuschen zur Teilnahme am gesellschaftspolitischen Leben zu motivieren. Neu an diesem Tschuschenkampf soll auch sein unpathetischer Charakter sein. Im tierfreundlichsten Land Europas wollen wir ohne tierischen Ernst kämpfen. Sogar mit einem Hauch menschlicher Gelassenheit und unalpenländischer Nonchalance. Südländisch schlampig, meinetwegen (wenn es mir jetzt gelingt, das geschundene Wort auszusprechen). Zum Beispiel gegen das mit der bajuwarischen, reinrassigen Muttermilch eingesaugte Obrigkeitsdenken.
Neu an diesem gelassenen Tschuschenkampf ist, daß er auch intellektueller Natur sein soll. Wir als Tschuschen können uns leisten, intellektuell sein zu wollen, ohne dafür die argwöhnischen Blicke zu ernten, die österreichische MitbürgerInnen bekommen, wenn Sie den gleichen Anspruch erheben. Fast nirgendwo auf dieser Welt ist Intellektualität so weit zum Schimpfwort verkommen, wie in diesem geistesfeindlichen Bernhard-Land der Menschenfeinde. Aber, gleich auf die Sterne schauen? Nein, auch die Trekkies unter uns können und müssen ihren Intellekt mit ihren (demonstrierenden) Füßen in Verbindung setzen.
Neu an diesem gelassenen, intellektuellen Tschuschenkampf ist auch, daß wir uns unsere Verbündete ganz genau aussuchen werden. Denn gegen Rassismus zu sein ist Billigware im politischen Supermarkt. Gegen eine rassistische Regierung zu demonstrieren kann jede(r). Sogar verkappte RassistInnen aller politischen Couleurs, für die Omofuma nur eine Betriebstörung war, mit der sie »leben« konnten, und die einmal im Jahr ihr schlechtes Gewissen bei einer antirassistischen Großdemo reinwaschen. Aber dann am Bierstammtisch kuschen. Oder beim Mittagessen mit den netten BürokollegInnen. Oder auf dem Urlaub im schönen Kärnten. Oder bei der Gewerkschaftssitzung. Omofuma, der Kristallisationspunkt. An Omofuma unsere Hommage
(Achtung: jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen ist rein zufällig und unerwünscht)

»Du Omofuma, du guter Mensch sein. Aber du krank sein. Du selber schuld, daß du sterben. Nix verstehen? Deutsche Sprache, schwierige Sprache«
»Geh'Oida. Mundkleber net lockerlassen. Der Bimbo könnte beißen«.

Ja, ab jetzt werden die Bimbos ihre Zähne zei­gen.
Hinter breitem Tschuschenlächeln.
Unter dem »TschuschenPower«-Transparent.
Jeden Donnerstag, am Ballhausplatz, um 19:00 Uhr
Jetzt erst recht.


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