— und daß es hier nichts zu sehen gibt, es sei …
Kunstinsert von Maria HahnenkampAnlass für dieses Insert war die im Juli zu Ende gegangene umfassende Werkschau von Maria Hahnenkamp in der Fotogalerie Wien im WUK. »Ihr zentrales Thema ist die Auseinandersetzung mit Fotografie als mediale Macht, die den (vor allem weiblichen) Körper in den Medien und der Werbung in einen engen Bildraum zwingt. In ihrer (Anm.: fotografischen) Arbeit verweigert Hahnenkamp diese Schaulust, sie führt hinter die ›schöne‹ Bildoberfläche und versucht die unsichtbare Gewalt in den Medien und in der Gesellschaft sichtbar zu machen.« (Katalogtext) Maria Hahnenkamp lässt die Bilder in ihrer Überfülle erzählen, bis diese wie von selbst einen Nachdenkprozess bei den RezipientInnen generieren. Dann findet man ein zweites (freigelegtes) Bild hinter der Oberfläche, welches, von oberflächlichen Inhalten befreit, eine Reduktion auf das Wesentliche freigibt.
Besonders radikal zeigte dies eine 1,50 x 7,50 m große, zentral im Raum gehängte Fotoarbeit bestehend aus abgeschmirgelten und zusammengenähten Farbfotografien. Im Katalog ist dazu anstatt eines Titels zu lesen: Analoge Farbfotos, Gelatinschicht bis zum Papierträger mittels Bohrmaschine und Schleifaufsatz abgeschmirgelt / Feinschliff händisch / maschinell zusammengenäht / ursprüngliches Fotomotiv: weibliches Modell bei Schönheitspflege / 1995.
Es handelt sich also – um es mit Bruno Latour zu sagen – um eine ikonoklastische Geste, die das Bild manuell entfernt, um es noch viel stärker im Imaginären zu suchen. Das neu entstandene Bild wird durch die Beschreibung der Eingriffe in die Fotooberfläche überformt. Die handwerklichen Tätigkeiten (schleifen, nähen, usw.) sind – obwohl nicht sichtbar – wesentlich stärker als die Mutmaßung des weggearbeiteten Bildes.
Genau hier setzt auch das vorliegende Insert von Maria Hahnenkamp an. Sie bezieht sich auf Guy Debords Film Hurlements en faveur de Sade aus dem Jahr 1952, als dieser noch Mitglied der Lettristischen Internationale war. »Der Film besteht aus einem Wechsel von leeren Schwarzweiß-Bildflächen und gesprochenen Texten in Französisch. Die Untertitel standen wie üblich am unteren Ende der leeren Bilder. Das hat mich zu der Arbeit mit den vorgefundenen Texten angeregt, und mir endlich zu meiner lang gesuchten Problemlösung verholfen.«
Die in dérive vorgestellten Textarbeiten waren – kontextualisiert durch die Architektur des Ausstellungsraums JesuitenFoyer – im Format 70 x 90 cm dieses Frühjahr ebendort bereits zu sehen. Die verwendeten Textzitate sind auch für andere Werke der Künstlerin von Bedeutung.
Barbara Holub und Paul Rajakovics
Nachweis der Zitate:
»Und daß es hier nichts zu sehen gibt, es sei denn, rein intensiv.«
Meyer, Eva (1993): Trieb und Feder. Frankfurt: Stroemfeld/Nexus.
»Man muß alles wegnehmen, damit sich ein neues Fenster öffnet.«
Bachelard, Gaston (1997): Die Poetik des Raumes. Frankfurt: Fischer Wissenschaft.
»Mit Weiß läßt sich vieles überdecken.«
Jarman, Derek (1995): Chroma. Ein Buch der Farben. Berlin: Merve.
Barbara Holub ist Künstlerin und Mitglied von transparadiso, einer Platform für Architektur, Urbanismus und Kunst.
Maria Hahnenkamp
Paul Rajakovics ist Urbanist, lebt und arbeitet in Wien.