Und wer zahlt das?
Besprechung von »Funding the Cooperative City. Community Finance and the Economy of Civic Spaces« herausgegeben von Daniela Patti & Levente PolyákDaniela Patti & Levente Polyak
Funding the Cooperative City. Community Finance and the Economy of Civic Spaces
Wien: Cooperative City Books, 2017
Englisch, 244 Seiten, kostenloses eBook beziehbar über:
cooperativecity.org
Es ist noch nicht einmal ein Jahr her. Mitte 2017 musste in Wien der Kulturverein mo.ë seinen Standort nach knapp sieben Jahren aufgeben. Das Geld und die Rendite mit Immobilien hatten gesiegt. Es verschwanden nicht nur sieben Jahre Kulturarbeit, auch die Räumlichkeiten sind nun dem Gemeinwohl für immer entzogen. Am mo.ë hat man deutlich gesehen, dass es Ideen, Modelle und Zeit braucht, um zu Geld und letztendlich zu Raum zu kommen. Wenn BürgerInnen in solchen Fällen keine Finanzierungsmodelle bei der Hand haben, ziehen sie gegenüber UnternehmerInnen immer öfter den Kürzeren. Auf Subventionen oder Hilfe von der Stadt können sich Initiativen nicht mehr verlassen.
Nach wie vor gibt es diese Orte und immer öfter sind es tatsächlich BürgerInnen, die zu StadtmacherInnen oder RaumunternehmerInnen werden, wenn sich eine günstige Gelegenheit bietet und sowohl der Glaube in die eigenen Fähigkeiten als auch der Leidensdruck groß genug sind. Die Räume, die durch solche Initiativen entstehen, sind offen zugänglich und bieten Möglichkeiten für soziale Aktivitäten, dazu zählen freies Arbeiten oder kultureller Austausch und damit wohl der derzeit wichtigste zivilgesellschaftliche Beitrag zur Wahrung des Gemeinwohlinteresses im öffentlichen Raum. Doch wie lassen sich solche Räume finanzieren? Wie lassen sie sich betreiben und für möglichst viele unterschiedliche Menschen zugänglich halten? Wie können sie kostendeckend arbeiten, ohne gewinnorientiert sein zu müssen?
Die ArchitektInnen Daniela Patti und Levente Polyák haben sich auf eine Erkundungstour durch halb Europa begeben, um den ökonomischen Bedingungen solcher civic spaces auf den Grund zu gehen. Entstanden ist daraus eine Art Reisebericht mit 28 Fallbeispielen und ihren vielschichtigen Ansätzen, die zum Ziel führen. Von Rumänien bis Portugal und von Rom bis Nordengland, sowohl in Zentrumslagen wie in der Peripherie, zeigen sich Möglichkeiten, wo und wie sich gemeinschaftlich finanzierte Projekte umsetzen und langfristig erhalten lassen.
Die HerausgeberInnen identifizieren bei ihrer Arbeit drei wesentliche Schwerpunkte: Die Beschaffung von Fremdkapital (Kapital erschließen), die interne Verteilung und Instandhaltung der dadurch ermöglichten Räume (Gemeinschaften organisieren) und das Mit- oder Nebeneinander mit der öffentlichen Verwaltung (Arbeiten mit Institutionen). Zur Kapitalbeschaffung dienen beispielsweise ethische Banken, Stiftungen und Schwarmfinanzierungsmodelle. Die Finanzierung dient zur Aufrechterhaltung des Betriebs, vor allem aber für Instandsetzungsmaßnahmen oder den Liegenschaftskauf.
Nach innen sind die Projekte meist genossenschaftsähnlich organisiert und es finden sich viele Parallelen zu den Erfahrungen aus selbstorganisierten Wohnprojekten. Wie werden Entscheidungen getroffen, wie wird mit zeitlichen Ressourcen umgegangen oder wie wird Inklusion gesichert. Die Projekte sind zum Teil zwischen dem privatunternehmerischen und dem zivilgesellschaftlichen Sektor angesiedelt und haben oft auch keine Scheu vor einem soliden Geschäftsplan. So lassen sich Aspekte ihrer Projekte zu »vermarktbaren Produkten« machen, wie der einzigartige Veranstaltungsraum der Markthalle Stará Trznica in Bratislava. Mit den kommerziellen Unternehmungen lassen sich die für das Projekt wesentlichen Merkmale querfinanzieren.
Weitere typische Aspekte sind Multifunktionalität, Offenheit und die Mischung verschiedener Nutzungen. Durch die räumliche und organisatorische Nähe zwischen dem Ort und den Entscheidungsträgern können sie, im Unterschied zu traditionellen öffentlichen Angeboten und zu klassisch gewinnorientierten Geschäftsmodellen, rasch auf Entwicklungen und Veränderungen eingehen.
Der Maßstab der Projekte umfasst ein breites Spektrum. Eine genossenschaftliche Bäckerei, ein Theaterproberaum, oder ein Makerspace finden sich im Buch neben sehr großen und komplexen Strukturen wie der genossenschaftlich organisierten Afrikaanderwijk Coöperatie in Rotterdam. Diese erstreckt sich auf eine ganze Nachbarschaft. Sie kombiniert Arbeitsstätten für ProduzentInnen, soziale Organisationen und einen Markt miteinander und organisiert einen Lohntransfer. Die Skalierbarkeit hängt auch von den jeweiligen Einflussmöglichkeiten auf die Stadtpolitik ab. In Berlin hat letztendlich auch der politische Druck, der über Graswurzelbewegungen auf die Bodenpolitik ausgeübt wurde, dazu geführt, dass Grundstücke entgegen dem Interesse großer InvestorInnen vermehrt zum Fixpreis an das beste Konzept vergeben werden.
Die Projektbeschreibungen kommen von Personen, die selbst in die Projekte involviert sind. Die Fragen der HerausgeberInnen dienen auch zur Gliederung der Beiträge und erleichtern den Einstieg beim Querlesen. Das Buch bietet einen guten Überblick für interessierte sowie bereits engagierte StadtaktivistInnen als auch für EntscheidungsträgerInnen, die sich ein Bild der Möglichkeiten verschaffen wollen. Was allen Projekten gemeinsam ist, sind die kurzen Wertschöpfungsketten und ein bisschen, dringend notwendiger Unordnung, die solche Orte wieder in unsere immer stärker reglementierten Städte bringen. Wer wissen will, was derzeit der State of the Art in Sachen civil spaces ist, ist hier gut aufgehoben.
Ernst Gruber ist Architekt, Grafik- und Kommunikationsdesigner.