Une petite histoire entre nous, arrangements #1,2,3,4
Tiphaine CalmettesTiphaine Calmettes gehört zu einer Generation von Künstler*innen, die sich nicht damit zufrieden geben, die Auswirkungen der Moderne auf die Welt kritisch (oder nostalgisch) zu betrachten. Ihre Arbeit begibt sich direkt in die Untiefen vormoderner Aktivität. Sie vollzieht natürliche Prozesse nach, töpfert, bäckt Brot, gräbt in die Erde, bearbeitet Lehm, Teig und Pflanzen mit ihren Händen und ihrem Körper, erforscht die Verbindungen zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Lebensformen. In ihren Objekten, Installationen und sozialen Ereignissen provoziert sie Entropie und Kontrollverlust und beweist dennoch eine große Sensibilität für die Möglichkeiten künstlerischer Form.
Sie schreibt über ihre Arbeit: »Through a gustatory reading, I approach the ritual of food absorption to reveal senses, in order to put forward the sensitivity of a shared experience, to give a shape to the words and a voice to what lives in us. I attend to bring a temporality to the objects, wishing to animate them with a vital force thus engaging sensory relations with the bodies in contact. I manipulate form by confronting them with space, bodies and elements in a dialogue written through time: to create open narratives, to imagine together new meanings once again where it seems that we have lost it.«
Für ihren Beitrag für dérive kombiniert Tiphaine Calmettes Bilder aus ihrem Atelier zu einem ausschnitthaften Bildatlas. Installationsdetails, Materialtests, ungebrannte Tonobjekte, Bilder aus ihren Literaturrecherchen und missglückte Brennversuche gruppieren sich vor ganzseitigen Hintergründen zu theatralischen Tableaus. Die Hintergründe zeigen transitorische Momente aus der Arbeit, mit dem Mobiltelefon festgehalten und teilweise auf Instagram veröffentlicht: frischer Ton, ein Betonrelief, feuchte Erde auf einer Plastikplane. Sie interessiert sich für Material im Stadium der Transformation und zeigt auch Requisiten und Hilfsmittel – die Tannenzapfen etwa verwendet sie, um Strukturen in den Ton zu prägen. Neben den Keramikteilen liegen Brotkrusten – kaum unterscheidbar, weil beide erdgleich, während die nachgebildeten Körperteile jener der amerikanischen Spielzeugfigur Mr. Potato Head angelehnt sind (die von seinem Erfinder George Lerner zum Aufstecken auf echtes Obst und Gemüse gedacht war). Die verschiedenen Gefäße, Schalen oder Löffel entstehen oft nebenbei, oder Calmettes verwendet sie für ihre gastronomischen Performances. Der Destillator etwa, als gleichsam alchimistisches Objekt kam anlässlich ihres Aufenthalts auf der Île de Vassivière zum Einsatz, wo sie das Wasser des umliegenden Sees destilliert und den Besucher*innen zum Trinken angeboten hat – damit diese die Landschaft symbolisch in sich aufnehmen.
Tiphaine Calmettes wurde 1988 geboren und lebt in Paris. Im Jahr 2021 absolvierte sie Residencies — jeweils in Verbindung mit Ausstellungen — am Centre international d’art du paysage Île de Vassivière, sowie am Crédac – Centre d’art contemporain d’Ivry-sur-Seine bei Paris. Von 19. Mai bis 23. Juli 2022 ist eine Einzelausstellung im Bétonsalon – Centre d’Art et de Recherche, Paris geplant. https://www.instagram.com/tiphainecalmettes/
Andreas Fogarasi ist bildender Künstler und Redakteur von dérive.
Tiphaine Calmettes wurde 1988 geboren und lebt als Künstlerin in Paris.