Nina Danklmaier

Philipp Rode


Der Urban-Loritz-Platz stellt das Herzstück der Neugestaltung des Westgürtels dar und besitzt für die Aufwertung des gesamten Projektgebietes Signalwirkung. Er gliedert sich in vier Teilflächen auf, die durch den Neubaugürtel und die Westbahnstraße voneinander getrennt werden. Im Gürtelmittelteil wird die Trennung durch die Westbahnstraße über eine ausladende und formal einprägsame Membranüberdachung räumlich überbrückt, sodaß der Eindruck einer großen (und zugigen) Wartehalle entsteht, die funktional den hier konzentrierten Umsteigerelationen zwischen U-Bahn und drei Straßenbahnlinien entspricht. Eine Bündelung der Gleisführung wurde im westlichen Abschnitt verabsäumt, sodaß diese Fläche wieder in insgesamt vier Teilbereiche zerstückelt wird. Die Orientierung am Platz und die Querung sind dementsprechend aufmerksamkeitserfordernd und gefahrenpotentialbehaftet, da Straßenbahnen nicht immer parallel zum restlichen Fließverkehr geführt werden, sondern diagonal über der Platz laufen und dadurch auch den Zebrastreifen tangieren.
Zudem wurden zwei Raumsituationen, die in der Studie des Magistrats Wien »frauen in wien« als Negativbeispiele für Sicherheit im öffentlichen Raum dargestellt wurden, nicht entsprechend umgestaltet. Weder wurde die bauliche Sichtbarriere des Blumen-Marktes an der Verlängerung der Märzstraße bearbeitet, wodurch der dahinterliegende Bereich des Gürtelmittelteils weiterhin uneinsichtig bleibt. Noch wurde die ungünstige Lage der WC-Anlage verändert, die sowohl den Platzraum einengt, als auch uneinsichtige Bereiche schafft. Daß die »Gürtelarchitektin« Silja Tillner, die für die Umgestaltung des Urban-Loritz-Platzes verantwortlich zeichnet, Mitautorin dieser Studie war, sei der Vollständigkeit halber angeführt. Insgesamt ist dieser Teilfläche ein Restflächencharakter zuzuschreiben, der nur durch die Überdachung des Raumes seine Kohärenz bezieht, diese in der Nutzungstauglichkeit aber stark vermissen läßt.
Der östliche Teil der Gürtelmittelzone stellt einen wohltuend offen gestalteten Bereich dar, der im Abgang zur U-Bahn seinen Abschluß findet. Das gemeinsame Element der Überdachung, das wohl auch als städtebauliches Merkzeichen verstanden werden will, fordert durch seine Konstruktion - das Dach wird nur an wenigen Punkten gehalten - zu wuchtige Steher, die im starken Kontrast zur luftigen Plane und der filigranen Möblierung steht. Ihre große Geste findet bei der Querung der Gürtelfahrbahnen keine Entsprechung, vielmehr erscheinen die angebotenen Querungsmöglichkeiten unangemessen schmal und beengend, zumal die Leitung des fußläufigen Verkehrs mit äußerst rigiden Absperrungen vermittelt wird. So ist die Anbindung des Platzes an die angrenzenden Bezirke nicht gegeben.
Die beiden Teilflächen des Urban-Loritz-Platzes auf dem Gebiet des VII. Bezirks sind ebenso wie die wichtige Fußverbindung zur Stadthalle und zum Märzpark weder gestalterisch noch formal in diesem Konzept berücksichtigt, weshalb diese Teilflächen als eigenständig begriffen werden. Schon der Baumbestand macht das parkorientierte Gestaltungskonzept der Landschaftsarchitektin Cordula Loidl-Reisch naheliegend. Beide Flächen wurden mit einem kniehohen, ca. 50 cm breiten Holzsteg umgeben, der ihre räumlichen Grenzen identitätsstiftend akzentuiert und eine vielfältige Nutzung ermöglicht. Die Verwendung dieses Elements innerhalb der Flächen erscheint nicht immer zielführend, da dadurch im südlichen Teil stegumgebene Pflanzflächen entstehen, die den ohnehin knappen Raum zusätzlich einengt und schwächt ihre Identität als Außenbegrenzung. Zudem wurden diese Flächen mit derart wenig robustem Pflanzenmaterial besetzt, daß die Ausfälle die tolerablen 5% bereits um ein Vielfaches übersteigen. Die Stege teilen diese Fläche streng formal nach den Kreuzungsrichtungen in vier Teilbereiche, wobei nur einer mit einem leicht unter dem Platzniveau liegenden Ballspielkäfig als nutzungsfähig bezeichnet werden kann. Gerade die Orientierung an den Bedürfnissen der Jugendlichen, für die diese Teilfläche offensichtlich gedacht ist, lassen die stark einschränkende und in der Ausführung mangelhafte Gestaltung unverständlich und widersprüchlich erscheinen. Durch die massive Strauchbepflanzung der »Restflächen« geht wertvoller Raum verloren, da dieser nicht genutzt werden kann.
Die nördliche Teilfläche ist durch die Aufteilung in einen Kleinkinderspielbereich mit einer großzügigen Sandspielanlage inklusive Brunnen- und Matschtisch und einen Ruhebereich gekennzeichnet. Die räumliche Unterteilung unternimmt der weitergeführte Steg, der um eine Rückenlehne zur Parklangbank erweitert ist. Einmal mehr ist die Ausführung derart filigran, dass bereits einzelne Sprossen der Rückenlehnen fehlen. Während im Kleinkinderbereich lediglich das ins Eck gestellte Hutschpferd merkwürdig verloren anmutet, läßt das »Staudengärtlein« im Zentrum des Ruhebereichs Ratlosigkeit aufkommen. Die Fixierung auf das Thema Ruhe und Erholung, das sich auch an den gelungenen Sitznischen manifestiert, hat offensichtlich im formalen Rückgriff auf klösterliche Gestaltungsprinzipien dieses deplaziert wirkende »Staudengärtlein« produziert, das die Beschaulichkeit angesichts der rundum stattfindenden Aktivitäten bestenfalls anfallsweise zu stimulieren vermag. Wieder werden dadurch rare Flächen der Nutzung entzogen, noch dazu durch ein Element, das in diesem Kontext weder historische noch aktuelle Anknüpfungspunkte besitzt. Die Konzeption als Park in der Wiener Tradition der freiräumlichen Nutzungsentflechtung erscheint für diesen Platz, der ja nicht nur anders heißt, sondern typologisch etwas anderes ist (vgl. Typen öffentlicher Freiräume in Wien, Studie im Auftrag des Magistrats der Stadt Wien, Verfasserin: Cordula Loidl-Reisch), unpassend und nutzungsbeschränkend.
Insgesamt ist der Urban Loritz-Platz durch die Geste der Überdachung eine Merkzeichenfunktion zuzusprechen, die Mängel in der freiräumlichen Umsetzung sind allerdings unübersehbar, sodass der Platz nach wie vor eine durchgehende Nutzungstauglichkeit vermissen läßt. Die gestalterische und finanzielle Konzentration auf das städtebauliche Signal verursacht auf Detailebene Ausführungsmängel und Konzeptfehler, die einer bevorrangten Imageproduktion inhärent sind.«


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