Urbanität und Medienszene
Besprechung von »Medienstadt. Urbane Cluster und globale Zentren der Kulturproduktion« von Stefan KrätkeStefan Krätke
Medienstadt. Urbane Cluster und globale Zentren der Kulturproduktion
Opladen 2001 (Leske + Budrich)
267 S., EUR 19,80
Die Studie Medienstadt gibt einen Überblick über sozialgeographische Ansätze, die nicht das »Ende der Geographie« beschwören, sondern die auch in Zeiten zunehmender Globalisierung die Wirksamkeit räumlicher Faktoren anerkennen. Unter dem Titel einer »Geographie der wissensbasierten und kreativen Produktion« wird die Wichtigkeit räumlicher Nähe und Vernetzung für Produktionen beschrieben, die auf informellen Austausch angewiesen sind, wie etwa jene der Medienwirtschaft. Weiters gibt es einen Überblick über die Felder der »Kulturökonomie« und »New Economy«, deren Zentrum von großen Medienunternehmen eingenommen wird – auch wenn diese Felder tendenziell kleinteilig organisiert sind. Ein dritter Ansatz, der für das umfassende Thema »Medienstadt« notwendig ist, ist die Analyse des Systems der Global Cities. Hier versucht Stefan Krätke eine Modifikation gängiger Klassifizierungen, wie etwa jener von Saskia Sassen oder auch von anderen, die als Definitionskriterium ausschließlich die Konzentration international agierender Firmen für Finanz- und Unternehmensdienstleistungen berücksichtigen. Nach diesen Maßstäben kristallisieren sich London, New York und Tokio als Global Cities heraus, die Krätke um die in Globalisierungsprozessen nicht weniger wichtigen »Medienstädte« ergänzen will. Die Kulturalisierung der Ökonomie hat die vormals weichen Faktoren in den Brennpunkt wirtschaftlicher Interessen gerückt, die Bilder der Werbe- und Filmindustrie sind nicht weniger wichtig als die Zahlen der Unternehmensberatungen. Diese Themen werden auch anhand des Filmwirtschafts-Clusters Potsdam/Babelsberg, der verschiedenen Clusterbildungen im Stadtraum Berlin und insgesamt des deutschen Systems der Medienstädte exemplifiziert – sofern man durch das empirische Material und den spezifischen SoziologInnenduktus nicht abgeschreckt wird.
Interessant sind zweifelsohne die Städterankings, die die starke Position mancher osteuropäischer Städte zeigen und etwa Wien in die untersten Ränge verweisen. Interessant ist aber wie immer auch, wie solche Statistiken produziert werden und was sie produzieren – bspw. die Kernthese des Buches: dass Urbanität und Medienszene konvergieren. Das Ranking der Medienstädte nimmt die Anzahl globaler Medienunternehmen zum Kriterium, d. h. etwa dass ein sehr großes Unternehmen, das einen sehr großen, aber lokalen Markt bespielt, gar nicht vorkommt. Auffallend ist zum Beispiel, dass Bombay, Indiens »Bollywood«, im Ranking nicht aufscheint oder die Vereinigten Staaten vergleichsweise wenig globale Medienstädte vorweisen können. Europa schneidet da wesentlich besser ab. Es ergibt sich eine signifikante Anhäufung von Medienstädten in Europa, relativ wenige in Nordamerika, und Asien bleibt links liegen. Unterstützt wird dadurch der Eindruck, dass sich die europäische Stadt für die Medienproduktion besonders gut eignet: Dies ist eine Sicht, die man gerne teilen möchte, da sie mit der These verbunden ist, dass räumliche Vernetzung andere mediale Vernetzungen nach sich zieht. Und die europäische Stadt mit ihrem alten räumlichen System zukunftsweisend erscheint. Die These von der Konvergenz von Urbanität und Medienszene kann aber auch anders gelesen werden: Nämlich nicht, dass urbane Vielfalt und Vermischung die Medienszene prägen, sondern dass eine zunehmend einfältiger werdende, von immer weniger Monopolisten geprägte Medienwirtschaft auch die europäische Stadt okkupiert. Die »Urbanität« der europäischen Stadt verkommt damit immer mehr zum Klischee und dient lediglich als Imageträger globaler Medienkonzerne.
Eine andere Statistik, die Größe, Umsätze und Anzahl der erreichten EmpfängerInnen miteinbezieht, könnte zu ganz anderen Ergebnissen kommen: Hollywood und Bollywood würden den Rang bekommen, der ihnen realiter zusteht, und ganz andere Konvergenzen könnten zum Vorschein kommen. Möglicherweise würde sich dann zeigen, dass hochgradig segregierte Stadtsysteme sich bestens für die Traumproduktion eignen...
Stefan Krätke
Medienstadt. Urbane Cluster und globale Zentren der Kulturproduktion
Opladen 2001 (Leske + Budrich)
267 S., EUR 19,80
Christa Kamleithner