Christina Nemec


von meinem hochbett aus kann ich beobachten, was sich im hof abspielt. ein typischer gemeindebauinnenhof. mit bäumen, spielplatz und mülltonnen. übrigens ein wunderschöner gemeindebau aus dem jahr 1925. eine richtige festung. fast alle wohnungen haben balkon. von den bewohnerInnen kenne ich nur diejenigen, die auf meiner stiege wohnen bzw. diejenigen, die auffallen, weil sie laut fluchen und aus ihrer rechten gesinnung kein geheimnis machen. die alten sterben schön langsam weg oder kommen ins heim. die mittelalten haben angst davor, dass so genannte ausländerInnen einziehen. dementsprechend misstrauisch verhalten sich einige gegenüber der ägyptischstämmigen familie, die über mir wohnt. und junge – so in meinem alter – gibt es eigentlich nicht. seit zwei jahren werde ich also – vor allem bei geöffneten fenster – vom geräusch der mülltonnen geweckt. anfangs war ich zu faul nachzusehen, was da los ist. mittlerweile weiß ich, dass mein müll kontrolliert wird – bzw. getrennt – sofern ich das nicht schon selber mache. ein älterer mitbewohner räumt jeden tag die mülltonnen um, sortiert und nimmt sich z.B. weggeworfene semmeln oder brot oder brauchbare gegenstände. vielleicht füttert er irgendwelche tiere damit? keine ahnung. er sieht nicht so aus, als ob er hungrig wäre. er ist nicht der einzige, der das von uns bewohnerInnen weggeworfene durchstöbert. oft kommt eine ältere frau mit einem einkaufswagen. ein älterer mann mit einem rucksack. mit leeren händen ziehen sie fast nie ab. es gibt immer altes spielzeug, schuhe, einen mantel oder einen alten kassettenrekorder. vor einem jahr begann einer der nachbarn, diese sammlerInnen zu verjagen. und ich fragte mich: wem gehört der müll? weggeworfen bedeutet doch weg, entledigt. geht mich nichts mehr an – wird zur zeit gerade in einem werbespot mit düringer thematisiert – unter dem aspekt umweltschutz. ich musste mich einmischen und zur kenntnis nehmen, dass mit mittelalterlichen langhaarigen spießern nicht zu diskutieren ist. zumindest ich kann das nicht. die geschichte geht weiter. wir haben also entweder den älteren mitbewohner, der den abfall sortieren darf – seit ich das weiß, landet bei mir nichts privatverfängliches mehr weder im müllsack noch beim altpapier (da schon gar nicht!) – oder leute, die nicht im bau zu wohnen scheinen und von einem brüllenden langhaarigen spießer verjagt werden. nachdem er sich stolz und zufrieden in seine wohnung zurückzieht, kommen die sammlerInnen wieder. und mittlerweile lachen sie ihm ins gesicht. er kann ihnen gar nichts anhaben. weder kann er die polizei rufen, damit droht er zuerst. aber es kann doch nicht verboten sein, gegenstände, die weggeworfen wurden, einzusammeln, vor allem nicht, wenn sie noch brauchbar sind. er kann brüllen. das kann er wirklich gut. noch kann er körperliche gewalt anwenden, dann zeig ich ihn nämlich bei der polizei an und das weiß er. obwohl ich wahrscheinlich auch nicht die polizei rufen würde. niemals, wenn ich’s mir überlege. somit ist die situation im hof jetzt allmorgendlich wieder entspannter. protagonistInnen des nachtlebens jedoch können auch für unverständnis sorgen. es ist bekannt, dass frau in manchen clubs einsatz bezahlt – eine flasche bekommt – und beim retournieren der flasche den einsatz zurück erhält. es ist weiters bekannt, dass frau manchmal keine lust hat, sich wegen z.B. 50 cents an der bar anzustellen. sie lässt die flasche stehen – irgendwer wird schon kommen und das geld brauchen. schenkt die 50 cents praktisch weiter. meist anonym. dem oder der ersten, der oder die sie findet. vor zwei wochen erfuhr ich, dass der clubeigene ordnerdienst dieses flaschensammeln verbieten will. aha? die entsprechende begründung wird erwartet.


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