where is performance coming form
»Mothers of Invention - where is performance coming from«, Ausstellung in der MUMOK FactoryMothers of Invention
where is performance coming from
MUMOK Factory, Wien
6.12.2003 - 1.2.2004
Mit kontextuellen Querverweisen knüpfen Carola Dertnig und Stefanie Seibold in ihrer Ausstellung Mothers of Invention – where is Performance coming from konsequenterweise an ihre Ausstellung Let's twist again an, die 2002 in der Kunsthalle Exnergasse stattfand. Bereits in dieser Ausstellung wurde die Aufmerksamkeit auf jene ProtagonistInnen der Performancekunst gelenkt, die sich in den subkulturellen Randzonen und Non-profit-Einrichtungen bewegen. Während sich in der Kunsthalle Exnergasse noch alles um die lokale Situation in Wien seit den sechziger Jahren drehte, werden nun als art und activist spaces neben Orten wie der Rosa Lila Villa in Wien internationale Aktionsräume wie das Franklin Furnace in New York oder das Woman's Building in Los Angeles als Auslöser für internationale Netzwerke miteinbezogen. Dabei handelt es sich um legendäre Orte, die in der Gender-Debatte und im politischen Diskurs der siebziger Jahre als Infrastruktur eine wichtige Funktion erfüllten. In ihren politischen Aktivitäten waren diese Aktionsräume nicht vorwiegend an einer Kunstform oder an einem Genre interessiert, sondern an sozialen, historischen und gesellschaftspolitischen Umstrukturierungen. Künstlerische Strategien der Performance wurden innerhalb von politischen Projekten als Widerstand gegen feststehende Modelle von Identität und Repräsentation forciert. In der Gegenüberstellung von Gruppierungen der siebziger mit jenen der neunziger Jahre dringt markant ins Bewusstsein, wie sich im letzten Jahrzehnt nicht zuletzt durch die von Judith Butler ausgelöste Gender-Debatte zur performativen Identität ein Widerstand gegen jenen fundamentalistischen Rahmen bildete, durch den selbst der Feminismus als identitätsformierende Politik artikuliert wurde.
Der Begriff der Performance wird in der Ausstellung nicht als enger Gattungsbegriff fixiert, sondern zeigt unter anderem durch Gruppierungen wie die International Feminist Collaborative Group, Ariadne oder IntAkt, welche Strategien seit den siebziger Jahren entwickelt wurden, um eine feministische Protesthaltung medienwirksam einzusetzen. Insgesamt werden 35 Projekte präsentiert, die vor allem durch die Gegenüberstellung von Gruppierungen und Einzelpositionen der siebziger und achtziger Jahre von A.Mo.K über Renate Bertlmann oder Die Tödliche Doris bis zu Martha Wilson mit aktuellen Positionen wie a room of one's own, SV Damenkraft, KessyLuxOrganisation, Salon Lady Chutney, TeamPing-Pong oder Women down the pub einen substanziellen Überblick bieten.
Ein von der Künstlerin Linda Bilda stammendes psychografisches Diagramm von Wien nehmen die Kuratorinnen als räumlichen Ausgangspunkt zu den Anfängen der Performance. Nach der Methode der situationistischen Internationalen gestaltet Linda Bilda durch die Benennung der einzelnen Bezirke nach PerformancekünstlerInnen wie Valie EXPORT, Ursula Mayer oder Nina Stuhldreher und dem so hergestellten Netzwerk ein utopisches Projekt, das eine Psychologisierung des Stadtraumes betreibt. Dieser räumlichen Inszenierung gegenüber befindet sich ein Bilddiagramm von supa-paula, das die Netzwerkstruktur von Mothers of invention visuell ins Bild überträgt. Wie sehr es nach wie vor darum geht, den Stadtraum zu erobern, zeigen die Aktivitäten der dänischen Künstlerinnengruppe Women Down The Pub seit 1997. Ihre Herstories Tour durch Kopenhagen demonstriert, wie sich linguistische Machtsysteme in der maskulinen Benennung von Straßennamen und Plätzen niederschlagen. Diesem Phänomen wirken sie durch frauenspezifische Stadtrundfahrten entgegen.
In der Ausstellung Mothers of Invention wird die Plattform für eine Subkulturgeschichtsschreibung geschaffen, die zwar von der Kunstgeschichtsschreibung ignoriert wurde, aber dennoch aufschlussreiche Querverbindungen zu Künstlerinnen wie Valie EXPORT, Martha Wilson oder Mary Beth Edelson herstellt. Zugleich wird hier der Präzedenzfall einer subjektiven Geschichtserzählung präsentiert, die stark auf einer oral history und persönlichen Erinnerungen basiert. Mutig wird eine Geschichtsschreibung forciert, die nicht nur den Überlebenden, sondern den Untergegangenen, dem Riskanten und Prekären gilt. Die Spannungen und ihre Geschichte sind ebenso ein zentrales Element dieser Künstlerinnensoziotope, wie das Projekt re:tracing the feminist art program von Ulrike Müller zeigt, die Künstlerinnen, die sich an den Workshops des Women's Building beteiligten, brieflich zu ihren Erfahrungen befragte. Zugleich wird durch die Aufwertung vergessener Initiatorinnen erneut der Versuch gestartet, dazu zu ermutigen, eine Kontinuität in der Performancekunst herzustellen.
Mothers of Invention
where is performance coming from
MUMOK Factory, Wien
6.12.2003 - 1.2.2004
Ursula Maria Probst