Wie es so ist
Reflexion über Magrittes Pfeife hinwegÖsterreich existiert nicht. Das ist ein Satz als Pendant zu Magritts Pfeife, die bekannterweise keine ist, obwohl sie, damit wir den Dualismus erhalten können, so ausschaut, wie wenn sie eine wäre. Ein nicht-existentes Österreich und eine Pfeife, die keine ist. Und alle zwei da, wo sie nicht sind, was sich im Übrigen für einen Sätzeschreiber, wie ich einer bin, ja auch so gehört. Und was natürlich nicht besagt, dass das Ostarrichi nicht woanders sei. Bespielweise in der Fiktion der Geschichte, sagt so Mancher, in dem Imaginären sagt das Es, oder ist es doch Realität, wie die MigrantInnen es so betonen. Aber bitte, wo sind diese Spitzberge, die Ostmärkte oder die slawische Gegend Ostarik? Sollten wir sie etwa da, in Österreich, wo nichts ist, vermuten? Sind sie die unsichtbaren Konstanten der Leere? Was haben wir von Kategorien, die wir nicht sehen können? Vielleicht sind das die Fragen, die wir uns für die neue Millenium vornehmen sollten: was ist das Erscheinungsbild des nicht-existenten Österreich im kommenden Jahr?
Nehmen wir mal an, in alle Haushalte dieses virtuellen Raumes, der nur als das vermutete Ostarrichi existiert und Österreich genannt wird, käme eine behördliche Aufforderung, in der alle angewiesen werden, einmal zu überprüfen, was nicht existiert und sich mit diesem Nichts so weit auseinander setzen, bis sie erkannt haben, was dabei, wo das ist, nicht ist.
Sie aber, die Eingeborenen, die nicht »Österreich« sein können, weil es das nicht gibt, die sich in Ostarrichi befinden, das sie aber nicht erkennen, weil es nicht benannt wird, sie sind, sie existieren und wir rufen hier: Sie sind es! Sie sind, egal was Ostarrichi ist. Das Ostarrichi hingegen existiert nur als Vermutung für Österreich. Und da es Österreich nicht gibt, kann man wohl Vermutungen anstellen, dass mit Ostarrichi auch etwas nicht stimmt. Denn es existiert nicht, nicht da, wo was ist, wo Eingeborene sind. Deswegen, bitte, im Jahr 2001 einmal klären, wo ist was, was nicht ist und auch sein könnte aber nicht ist, weil das Vermutliche dessen Platz eingenommen hat. Und darum wäre es doch toll, wenn für jedes Jahr, in dem für die Partizipation der MigrantInnen nichts getan wurde, eine europäische Troika nach Österreich eingeladen werden und diese zu Wort bringen würde, dass das Nicht-Existente gut ist, weil es anderswo auch nicht existiert. Und was es anderswo, eben in dem nicht-existenten Europa, nicht gibt, beispielsweise die Rechte der MigrantInnen, kann im nicht-existenten Österreich auch nicht existent sein. Also ist alles gut. Und wenn da noch Geld übrig bleibt, könnten zu all dieser Weisheit noch einige Sozialwissenschaftler eingeladen werden. Und vielleicht könnten die ja für das vierzigjährige Jubiläum der Migration nach Österreich in Ruhe eine magrittsche Friedenspfeife rauchen.
Eben davon, von diesem Problemkreis der Fiktion der Geschichte, dem Imaginären und den Erfahrungsrealitäten sollte im nächsten Jahr die Rede sein. Noch besser wäre es, wenn alle, die hier leben, zu Wort kommen würden. Und wären da die MigrantInnen nicht einfach dazugehörend? Weil es sie ja auch gibt. Und wenn sie dann, nehmen wir an, im nicht-existenten österreichischen Parlament auftreten und reden, das wäre ein Spektakel, oder?
Und ihre Worte würde weiterhin, wie bisher, niemand hören, sie wären nur gesagt, und keine müsste sich das alles merken, was so vor sich geht, nein, weil sie einfach in einem virtuellen Raum, wie wir auch, vor sich hin reden würden. Ach, was die Freiheit nicht alles ist? Wir wissen sehr wohl in Österreich: Wer nur so vor sich hin redet, in einem leeren Raum, zählt nichts und wird von niemand beachtet. Vierzig Jahre lang haben beispielsweise gewisse Menschen - ungeduldig wie sie sind - immer wieder versucht, an der Gesellschaft zu partizipieren. Sie wollten, daran glaubend, dass die Menschenrechte für alle gelten, ein Stimmrecht für sich und ihre Kinder erwirken. Klar, ich weiß schon, dass da auch so etwas wie Konsequenz fehlt, denn was sollten sie denn wählen, wenn es so etwas wie Österreich nicht gibt und das Ostarrichi nur als Vermutung für das Erste existiert. Sie wollen auch ihre Stimme abgeben, als Interessensgruppe anerkannt werden, ohne zu wissen, dass sie nicht sind, wo sie sind. Wo liegt denn die versteckte Bedeutung solcher Wünsche? Und somit landen wir wieder im medias res, bei der Geschichte des vierzigjährigen Aufenthaltes in einem leeren, von politischen Rechten entleerten Raum. Und da alle Haushalte mittels behördlicher Aufforderung angewiesen wurden, 2001 einmal zu überprüfen, was nicht existiert, um zu erkennen, was dabei, wo das ist, nicht ist, sollten sie diese Milleniumskonsequenz nutzen, um die MigratInnen auch zu Wort kommen zu lassen. Weil Österreich nicht existiert, sollen auch die Migrantinnen, die 18 Prozent der Bevölkerung Wiens ausmachen, zu Wort kommen können.
Ljubomir Bratić lebt als Philosoph, Sozialwissenschaftler, Publizist, Aktivist und Flüchtlingsbetreuer in Wien.