Christina Nemec


»mein« bezirk ist der zehnte, favoriten - nicht draußen in oberlaa - sondern dort wo die häuser nach dem krieg aus schutt einfach wieder zusammengeklebt wurden - d.h. wenn ich einen nagel in die wand schlage, rinnt diese förmlich aus - zurück bleibt ein großes loch, ecke columbusgasse/davidgasse. ich gehe fast täglich zur U1 station reumannplatz. sobald es wärmer wird und der tichy aufsperrt, sitzen die leute auf immer unbequemeren bänken. wenn ich durch den park gehe, komme ich an einem mahnmal vorbei. jahrelang habe ich es gar nicht bemerkt. auf dem mahnmal sind die konzentrationslager und gefängnisse angeführt, in denen bewohnerInnen des 10. bezirks gestorben sind. weiter richtung laaerberg hin steht die große ankerbrotfabrik. 1946 wurde an deren mauer eine gedenktafel enthüllt. sie erinnert an mitarbeiterInnen, die im kommunistischen widerstand gegen den nationalsozialismus tätig waren und dafür hingerichtet wurden. heute: dagegen sein ist noch lange kein widerstand, dagegen sein ist passiv. »widerstand« als parole taucht in den monaten seit angelobung der schwarz/blauen regierung häufig auf. auch das symbol O5, das den widerstand gegen den nationalsozialismus repräsentieren soll. zweifellos ist es das prominenteste widerstandssymbol, so bescheiden gründlich steht es auf der mauer des stephansdoms. in keiner fernsehdokumentation zur geschichte ausgespart. wer aber kann sich erinnern, von den kommunistischen widerstandskämpferInnen in den ehemaligen brown-boveri-werken in der gudrunstraße gehört zu haben? in den jahren 1942 und 1943 wurden sieben von ihnen ermordet. in der hasengasse wohnte nicht nur die mundlfamilie, hier wohnten laut gedenktafel an der fassade drei funktionäre der kp, die 1943 und 1944 hingerichtet wurden. wenige straßennamen sind nach frauen benannt: die alma-rosé-gasse, die eugenie-fink-gasse, der muriel-gardiner-buttinger-platz und die maria-murban-gasse. alma rosé und eugenie fink wurden als betroffene der nürnberger (»rassen«)-gesetze verhaftet und ermordet. muriel gardiner-buttinger und maria murban waren schon vor dem »anschluss« als revolutionäre sozialistinnen tätig. in wien gibt es viele mahn- und gedenkstätten zu widerstand, verfolgung und exil. eine frau, die noch keine straße »hat« ist margarete schütte-lihotzky. der karl-lueger-ring sollte so schnell wie möglich in margarete-schütte-lihotzky-ring umbenannt werden, dann muss sich die universität für ihre adresse auch endlich nicht mehr schämen.

nachzulesen: gedenken und mahnen in wien 1934-1945, döw


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