»Willi Tobler trägt das Gedicht To the Lost Space Age vor; im Anschluss daran Diskussion mit dérive-LeserInnen, wie die Zeitschrift wohl aussehen würde, wenn es heute tatsächlich jene Weltraumkolonien gäbe, die vor 30 Jahren für das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends geplant waren.«
Kunstinsert von Ralo MayerAm 20. Juli 1969 ist die „Utopie“, auf den Mond fliegen zu können, Realität geworden. Damit konnten die USA die ideologische Vormachtstellung im Weltall von den bis dato eindeutig führenden Kosmonauten der UdSSR zurückerobern. Ralo Mayers Arbeit hinterfragt genau jene Zwischenbereiche und Wendepunkte, an denen eine Utopie an ihrem Kipppunkt zur Fiktion, der Realität oder ihrem gnadenlosen Gegenraum der Distopie übergeht. Er analysiert dabei collageartig politisch-ideologische Hintergründe, wobei er nicht nur die offensichtlichen zeitlichen Wenden wie die Jahre 1969 und 1989 fokussiert. Ihm geht es vielmehr um den Fortgang kollektiver Fiktionen wie etwa der Besiedelung des Weltalls, wie sie in den 1970er-Jahren z.B. von der L5 Society propagiert wurde (L5 ist ein Bereich ausgeglichener Anziehungskräfte zwischen Erde und Mond, der sich für eine Weltraumkolonie eignen könnte). Derartige Projekte eröffneten natürlich Spekulationen über eine „bessere“ und unabhängige Weltraumgesellschaft, welche die Probleme auf der Erde zurücklassen kann. Mayer ist Mitherausgeber der Zeitschrift multiplex fiction und arbeitet an der Übersetzung des Science-Fiction-Romans The Ninth Biospherian. Dieser beschäftigt sich mit dem geschlossenen Ökosystem Biosphere 2, in dem zwischen 1991 und 1993 acht Personen als Test für ein Leben im Weltraum lebten. Das Buch folgt den Spuren eines imaginären neunten Crewmitglieds und mit ihm der Geschichte dieser Space Age-Ruine. Einige von Mayers aktuellen Arbeiten sind Zwischenergebnisse dieser intensiven Auseinandersetzung mit dem Science-Fiction-Buch. Weitere Informationen: was-ist-multiplex.info.
Paul Rajakovics ist Urbanist, lebt und arbeitet in Wien.
Ralo Mayer lebt und arbeitet in Wien. Seine performativen Untersuchungen zu Raumfahrtsgeschichte, postfordistischen Realitäten und anderer Science Fiction führen meist zu renitenten Übersetzungsmonstern in Medien wie Installation, Film und Text.