Auf dem Tisch und unter dem Tisch
Gespräch mit Štefan Svetko und Ivan Matúšik zur Architektur der sechziger und siebziger Jahre in BratislavaSpätestens seit diesem Jahr ist es unbestritten, dass Bratislava und sein Repertoire an Bauten ins Blickfeld gerückt ist – zumindest aus der Perspektive Wiens und seiner Architekturszene. Den Anfang machte die Gesamtschau über die slowakische Architektur des 20. Jahrhunderts im Ringturm. Die Architekturtage 2004 fokussierten die Bauten der sechziger und siebziger Jahre, die von noncon:form initiierte Wanderausstellung »wonderland« machte in Bratislava Station und die Architekturdatenbank nextroom legte ein Archiv für die Slowakei an.
Es sind vor allem die monumentalen, stadtbildprägenden Prestigebauten, die auf den ersten Blick beeindrucken und erstaunliche Parallelen zu den skulpturalen, zeichenhaften Entwürfen der populären jungen österreichischen und niederländischen Büros aufweisen. Eine ähnliche Entdeckung und Aufwertung sozialistischer Architektur lässt sich zur Zeit in Berlin beobachten; die Bandbreite reicht von (N)ostalgie über Retro-Chic (wie die Hipness-Veredelung des Plattenbaus auf www.faltplatte.de) bis zur Auseinandersetzung mit dem Thema Denkmalschutz und Siegermentalität und bündelte sich in diesem Herbst in den ungemein populären »Volkspalast«-Events in der befristet wiedereröffneten Halbruine des Palastes der Republik. In der Slowakei selbst trafen und treffen diese Bauten – mit Ausnahme eines kleinen Teils der Fachwelt – weitgehend auf Ablehnung. Sie werden als marode Prestigebauten des alten Systems zwischen der eilig renovierten Altstadt und den Einkaufsclustern an den Einfallstraßen in Petr_alka als störend empfunden. So wirkt es jedenfalls von außen. Gibt es diese Divergenz wirklich, und wo liegt zwischen erster Begeisterung seitens westlicher ArchitekturtouristInnen wie uns und jahrelanger Erfahrung sozialistischer Planungsrealität die objektive Qualität? Wie entstanden, über eine Bauzeit von nicht selten 20 Jahren, diese in ihrem Entwurfsgedanken so unverfälschten, rohen Monumente? Wie sah das Spannungsfeld zwischen Kollektiv und einzelnen Architektenpersönlichkeiten aus?
Mit zweien von ihnen, die damals wie heute in der Öffentlichkeit präsent sind, haben wir ausführliche Gespräche geführt: Ivan Matú_ik (*1930), vielfach ausgezeichnet und 2002 Gewinner des Europan-Wettbewerbs für das Podhradie-Areal zwischen Burgberg und Donau, und tefan Svetko (*1926), Mitinitiator des international beachteten Wettbewerbs für die Stadterweiterung Petr_alka, Architekt des slowakischen Rundfunks und der ersten industrialisierten Wohnbauten der fünfziger Jahre. Beide gehören zur ersten Generation von ArchitektInnen der Nachkriegszeit in der Slowakei – Svetko nach seiner Prager Studienzeit nach Bratislava zurückgekehrt, Matú_ik als einer der ersten Absolventen der von Emil Bellu Ende der vierziger Jahre gegründeten Architekturschule. In den fünfziger Jahren fand sich im Umfeld dieser Schule eine Gruppe junger ArchitektInnen und Professoren, viele von ihnen in Prag aus politischen Gründen unerwünscht, die im freieren politischen Klima Bratislavas eine Arbeitsmöglichkeit erhielten. Svetko blickt gleichsam mit einem Weitwinkelobjektiv auf die Architekturlandschaft, mit dem Augenmerk auf soziologischen Aspekten, Kommunikation und Vermittlung von Architektur in der Bevölkerung, nicht zuletzt geprägt durch seine Erlebnisse Anfang der fünfziger Jahre, als er die politische Diskreditierung seiner Professoren miterlebte: »Das hinterließ bei mir für das ganze Leben das Gefühl, nicht nur am Zeichenbrett zu arbeiten, sondern auch die Architektur in der Gesellschaft durchzusetzen. Und zwar deswegen, weil Architektur ein Phänomen ist, das den Menschen auf jedem Schritt begleitet. Und wenn sie versagt, dann ist das Umfeld dadurch gezeichnet.«
Anfangs hauptsächlich durch Wohnungsbauten bekannt geworden, z. B. durch die Siedlung »Februárka«, die in den Jahren
1957-61 im Geist skandinavischer Wohnprojekte entstand, suchten _tefan Svetko und sein Architekturkollektiv nach neuen Konzepten, die über die »stupide Typisierung« der ersten Nachkriegswohnbauten hinausgingen. Zur langen Entwurfs- und Baugeschichte der Zentrale des Slowakischen Rundfunks (1962-85) mit seiner an Herman Hertzbergers Centraal Beheer erinnernden sozialen Raumlandschaft und seiner eigentümlichen Form einer auf den Kopf gestellten Pyramide erzählt Svetko: »Wenn ein Großteil des Grundstückes durch ein Sockelgeschoss eingenommen werden muss, dann habe ich die Möglichkeit, einen Turm aufzustellen. Das war ein allgemeingültiges Prinzip zu dieser Zeit ... Wir hatten ein anderes Konzept. Wir haben gesagt, dass ein kleiner Teil des Sockels dazu dienen wird, den oberen Teil zu tragen, und hierauf haben wir einfach diesen Trichter gesetzt.«
Ivan Matú_ik sorgte 1957 mit einem kleinen Einkaufszentrum, aufgrund seiner spiralförmigen Grundrissform »Slimak« (Schnecke) genannt und heute durch InvestorInnen totrenoviert, für Aufsehen. Drei Jahre später gewann er als Dreißigjähriger den großen Wettbewerb für den Gebäudekomplex Hotel Kyjev und Kaufhaus Prior im Zentrum von Bratislava. Der Entwurf ist in seiner äußeren Gestalt durch das Zusammenspiel von drei klaren geometrischen Baukörpern bestimmt und wurde trotz der langen Bauzeit (1961-73) getreu den ursprünglichen Plänen Matú_iks ausgeführt. Nicht zuletzt an diesem Projekt zeigt sich Matú_iks Arbeitsweise, die geprägt ist durch eine genaue Vorstellung von Material und Konstruktion. Schwerpunkt seiner Arbeit ist eine bis ins kleinste Detail ausgearbeitete und bis in die Innenausstattung reichende Planung, die die Typisierung und Reglementierung von Baumaterialien unterlief. Meist gibt es ein Leitmotiv, das die Detaillierung bestimmt. »Als Vertreter einer Art Monomaterialität habe ich es nicht gerne, wenn viele Materialien kombiniert werden, und meine Idee war, sowohl Boden als auch Wände aus Travertin herzustellen«, erklärt Matú_ik das Materialkonzept für die Innenräume des Hotels.
Arbeiten im Kollektiv
In der Aufbruchstimmung der sechziger Jahre bildeten sich in den Planungskollektiven kleinere Gruppen von engagierten ArchitektInnen, die neue Ideen und Leitbilder entwickelten. _tefan Svetko beschreibt die Situation: »Wir haben im Pseudokollektivsystem ein echtes Kollektiv gebildet (...) In diesen Büros gruppierte sich eine Schar junger Menschen, die im Prinzip die fortschrittlichsten Elemente durchsetzten, ob es dabei um Ortbeton, bewegliche Schalungstechnik oder Terrassenhäuser ging. Matú_ik, Daøícek, Chovanec – einfach eine Gruppe von Menschen, die es schaffte, sich mit ihrer Arbeit Anerkennung in der Architekturgemeinde zu erringen, so dass es unmöglich war, diese Anerkennung selbst mit irgendeinem politischen Druck zu zerstören.«
Die Öffnung zum Westen ermöglichte 1967 den Wettbewerb für den Stadtteil Petr_alka, der international ausgeschrieben wurde und dessen gemeinsamer dritter Platz (an Stelle eines ersten) an fünf ArchitektInnenteams vergeben wurde, unter ihnen Roland Rainer. Als jedoch 1968 ein Jahrzehnt architektonischer Innovationen und städtebaulicher Träume mit dem Prager Frühling zu Ende ging, bedeutete dies für viele ArchitektInnen harte Einschränkungen. So durfte z. B. _tefan Svetko nicht offiziell als beteiligter Architekt am Radiogebäude genannt werden. Die in langen Diskussionen erarbeiteten Ideen und Konzepte allerdings wurden zum Teil weitergeführt und bildeten die Grundlage für die Fertigstellung der Projekte in den siebziger Jahren.
Mangel an kulturellem Bewusstsein
Systemkonformere ArchitektInnen führten bis in die achtziger Jahre die Reihe der Großbauten fort, die nach 1989 wie die meisten sozialistischen Bauwerke von Öffentlichkeit und Kollegen hart kritisiert wurden. Vladimír Dedeèeks Nationalgalerie mit ihrer langwierigen Entstehungsphase und ihren schwierig zu nutzenden Räumen ist sicherlich der am negativsten rezipierte Bau seiner Zeit und stand bereits kurz vor dem Abriss. 2003 wurde ein internationaler Wettbewerb zum Umbau ausgeschrieben, seitdem liegen die Ausstellungsräume brach, da eine Restaurierung zu teuer ist. Der Mangel an kulturellem Bewusstsein trägt laut Svetko vor allem dazu bei, dass eine sachliche Bewertung des baulichen Erbes der sechziger und siebziger Jahre nicht möglich ist. »Für die Fähigkeit zur Diskussion fehlen uns mindestens zwei Generationen demokratischer Entwicklung.« Projektvergaben, Abrisse, entstellende Eingriffe und der Ausverkauf für die Stadtentwicklung wichtiger Flächen gehen währenddessen unbehelligt weiter. Matú_iks Proteste gegen den Umbau des »Slimak« wurden nicht nur abgelehnt, sie wurden gar nicht verstanden. »Ich musste vor Gericht, weil ich durch meinen Protestbrief angeblich den neuen Besitzer in seinen Eigentumsrechten behinderte. Seine Rechtsanwälte stellten mir Fragen wie: Beweisen Sie, dass das Architektur ist, das ist doch ein ganz gewöhnliches Gebäude!«
Die bedeutendste Brachfläche Bratislavas, das Podhradie zwischen Burgberg, Donau, Neuer Brücke und Dom, sollte ungeachtet des von Matú_ik 2002 gewonnenen Wettbewerbs als historisierendes Replikantenstadl aufgefüllt werden. Svetko: »Matú_ik und ich warnten die Stadt davor, das Areal zu verkaufen, ohne eine Vorstellung davon zu haben, was man dort haben will. Wichtige Entscheidungen wie die zukünftige Lage des Diplomatenviertels, des Regierungsviertels und der modernen Slowakischen Galerie sind noch völlig offen, aber die Ufer werden bereits an Privatinvestoren verkauft.« Der Mangel an städtischen Leitbildern und an als unantastbar geltenden Stadträumen macht das kampflose Überlassen des Raumes an InvestorInnen umso leichter. Die Position der Architektenschaft zum planerischen Wildwuchs ist unklar; für Svetko eine deutliche Zäsur: »Den meisten Architekten reichte es, Türen zu öffnen zum eigenen Unternehmertum, sie haben sich zurückgezogen, jeder in sein Schneckenhaus – und das ist ein großer Fehler. Die neue Architektur entsteht in einer weit größeren Anonymität als zu sozialistischen Zeiten. Hier wissen Sie nicht, wer welches Haus geplant hat oder wer Ihr Haus beschädigt hat, weil die Architekten in das Werk anderer eingreifen, ohne die Autorenrechte zu respektieren. Fatal ist der Einfluss Unfähiger in den Planungsprozess. Daraus entsteht dann dieser ,Unternehmerbarock‘«.
Die zwangsläufige Aufsplitterung der kollektiven Bürostrukturen wird von beiden Architekten als gravierender Verlust von Dialog und Zusammenarbeit empfunden: »Alles ist auseinandergebrochen, alle arbeiten alleine, zu dritt, zu viert, zu fünft«, so Ivan Matú_ik, und _tefan Svetko resümiert: »Ich kann auch heute nicht begreifen, warum uns die ArchitektInnen in ihre einzelnen Büros zerfallen sind. Sie treffen sich überhaupt nicht, niemand weiß etwas über sie – ich könnte nicht unter diesen Bedingungen arbeiten. Wir haben irgendwie auf dem Tisch gearbeitet. Und sie arbeiten unter dem Tisch.«
Hier einige – Stichwörtern zugeordnete – Auszüge aus dem Gespräch mit _tefan Svetko. Die komplette Version des Interviews, ebenso wie dasjenige mit Ivan Matú_ik und weitere Bilder sind auf unserer Website www.derive.at zu finden.
Zusammenprall mit dem sozialistischen Regime
Ich bin zunächst mit dem großen, breiten Kollektiv der Prager Architekten in Kontakt getreten und dort hauptsächlich mit meinen Professoren. Ich hielt sie für Persönlichkeiten, die große Bedeutung in der Welt hatten. In der Slowakei hatten wir keine solche Persönlichkeiten. Das waren Professoren, die klangvolle Namen hatten: Honzík, Ausobsk_, Star_, einfach Persönlichkeiten, die bereits einen Großteil ihres Werkes realisiert hatten. Wir haben sie bewundert. Es hat uns unendlich Leid getan, als wir gesehen haben, wie das neue Regime sie brutal deformiert und gezwungen hat, ihre eigenen Prinzipien zu verleugnen, die sie ihr ganzes Leben überzeugt angewendet hatten. Trotz der Tatsache, dass bei den tschechischen Architekten das soziale, sogar sozialistische Gefühl sehr kultiviert und gefördert wurde, war der Zusammenprall mit dem sozialistischen Regime sehr hart, und die Professoren wurden sehr schlecht behandelt.
Nachkriegsaufbau
In der Slowakei wurde der Nachkriegsaufbau weiterbetrieben, und zwar hauptsächlich Wohnungsbau auf einem relativ niedrigen Niveau. Im Geiste so einer stupiden Typisierung: einfache Häuschen, zweistöckig, dreistöckig, um den Bedarf zu decken. Denn nach dem Krieg gab es einen großen Mangel an Wohnungen. Dieses System des Bauens geriet mit zwei Kräften in Konflikt: Erstens gefiel es niemandem. Den Bewohnern nicht, weil es ein extrem niedriger Architekturstandard war. Es waren eher Provisorien als etwas Anständiges. Auf der anderen Seite hat das sozialistische System, das eine bestimmte Neigung zur Geschichte – zum so genannten Sozialistischen Realismus – hatte, die Situation ausgenutzt. Das heißt, dieses System des Bauens geriet zweifach unter Druck. Durch Kräfte, die es eigentlich für sich einnehmen wollten. Die schöpferischen Architekten bemühten sich, aktuelle Tendenz durchzusetzen, internationale Entwicklungen zu beobachten. Das heißt, funktionalistische Tendenzen fortzusetzen, sich an eine bessere Technik anzunähern, um nicht bei diesem primitiven Bausystem bleiben zu müssen, sondern im Baugewerbe eine Industrialisierung zu erreichen.
Ideologischer Druck durch Moskau
Der staatliche, sozialistische Druck zielte hingegen darauf ab, dass sich die Architekten umorientieren, und zwar nicht auf das, was in der Welt geschah, sondern auf das, was in der Sowjetunion gemacht wurde. Dort waren in dieser Zeit historisierende Elemente angewendet worden. Der Sozialismus sollte mit großen Bauwerken gefeiert werden, die ihre Vorbilder in der Vergangenheit sahen. Dies verstärkte sich noch, als der erste offizielle Besuch tschechoslowakischer Architekten (aus Bratislava und aus Prag) in der Sowjetunion stattfand. Dort wurde auf sie ein sehr großer ideologischer Druck ausgeübt, diese Tendenzen der sowjetischen Architektur in allen Ländern des damaligen sozialistischen Lagers durchzusetzen. Diese Zwänge in der sozialistischen Architektur reichten von Grausamkeiten wie Diskriminierung und Gefängnis bis zum tragischen Zerstören von Menschenschicksalen. So wurden Architekten zu 15 Jahren Haft verurteilt, ihr gesamtes Vermögen wurde beschlagnahmt, die Familien wurden aus Bratislava hinausbefördert und verfolgt. Das heißt: Auf der einen Seite war der Druck äußerst aggressiv, auf der anderen Seite arbeiteten aber bestimmte Gruppen, hauptsächlich junge Absolventen der Hochschulen, die sich gruppierten und allmählich in ihrer Meinung, die sie mit den Professoren teilten, Sicherheit gewonnen hatten. Da diese sich aber nicht öffentlich äußern konnten, weil sie zum Schweigen gebracht worden waren, wurden einzelne Ateliers zu Schaffensstätten dieser sozialistischen Projektgruppen.
Wohnen als Grundbedürfnis
Ich hatte das Glück, mitten in eine Projektvorbereitung und Bauausführung hier in Bratislava hineinzukommen. Bei Stavprojekt (Bauprojekt), wo ich angefangen habe, bin ich in ein Kollektiv gekommen, das zu dieser Zeit sehr lukrative Sachen bearbeitete. Zu dieser Zeit waren das Wohnbauten, Mehrfamilienhäuser, es war der Anfang der Wohnsiedlungen. Gerade in diesem Bereich ist es mir gelungen, in die Problematik vorzudringen, zu verstehen, dass diese Thematik für die Leute ungemein wichtig ist, dass Wohnen ein Grundbedürfnis des Lebens ist und dass auch das Wohnen seine Entwicklung braucht, dass es sich ändert, dass sich die Lebensweise ändert. Und so haben wir in unseren Ateliers Zellen gebildet, die immer irgend eine Idee angewendet haben, die wir irgendwo aus der Welt aufschnappten, auch wenn es schwierig war, etwas aufzuschnappen.
Megalomanie in Bratislava
Das Selbstbewusstsein der Architektur war gewachsen und verbreitete sich, weil jedes Jahr weitere junge Architekten dazukamen. Diese Phase hatte ihren architektonischen Schwerpunkt vor allem im Wohnbau. Was dann freilich mit dem unsäglichen sozialistischen Realismus und der einseitigen Hinwendung zum Plattenbau eher tragisch geendet hat. Anderseits ist es nur allzu verständlich: Nach dem Krieg gab es in der sozialistischen Ära so eigenartige Visionen. So galt für Bratislava in den sechziger Jahren die Parole: Bratislava muss eine Zwei-Millionen-Arbeiterstadt werden. Arbeiterstadt bedeutete, dass hier hauptsächlich Arbeiter sein würden, weil die Intellektuellen zwangsweise umgesiedelt wurden, irgendwo raus. Wenn hier auch Angehörige der Intelligenz bleiben würden, dann eingeschüchtert, der Arbeiterklasse dienend. Auch wenn man gar nicht genau wusste, was »Arbeiterklasse« ist. Mit dieser Parole wurde die Megalomanie verbreitet, und dieser Megalomanie kam der Wohnbau zupass. Wenn sie die Leute hierher bringen wollten, mussten sie ihnen Wohnungen zur Verfügung stellen. So kam es dazu, dass in Bratislava die Zahl der Wohnungen rapide anwuchs. Bratislava wuchs stark in die Breite, und umgekehrt verarmte, verelendete das Zentrum. Dort wurde nichts realisiert, oder falls doch, so – wie man so sagt – wie die Kirschen auf der Torte. Das, was Werbung für das sozialistische System machte. Und so ließ das System auch bestimmte Bauten zu, wie das Radiogebäude eines war, weil das seine Existenz unterstützte. Es ließ den Bau des Theaters zu, weil durch das Theater die Schauspieler seinen Ruhm verbreiteten usw. Aber man kann nicht sagen, dass es sich um eine niveauvolle Art strukturierten komplexen Wohnbaus gehandelt hat.
Benjamin Konrad
ist freier Journalist, Autor und Moderator sowie Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Architektur (ÖGFA).