Bei zukünftigen Museumsplanungen Fehler vermeiden
Besprechung von »Museen und Stadtimagebildung« von Franziska Puhan-SchulzMit „Museen und Stadtimagebildung“ sind zwei schier unerschöpfliche Felder angesprochen, deren ständiges Zusammendenken allerdings langsam unerträglich wird. Franziska Puhan-Schulz erforscht in ihrem Buch drei Fallbeispiele und vergleicht das Frankfurter Museum moderner Kunst, die Prager Nationalgalerie im Messepalast und den Museumsplein in Amsterdam. Drei Projekte, die verschiedene Kunstbegriffe repräsentieren und auf sehr unterschiedliche Weise zum kulturellen Image der jeweiligen Städte beitragen.
So entstand etwa das Frankfurter MMK im Zuge des vom damaligen, mittlerweile legendären Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann forcierten Museumsbooms, der mit teilweise spektakulären Neubauten Frankfurt ins Spitzenfeld der europäischen Museumslandschaft katapultierte. Damals entstand auf beiden Seiten des Mains das so genannte Museumsufer, das die räumliche Konzentration von Museen zum Konzept hatte und gleichzeitig den Zweck verfolgte, Frankfurt eine Imageverschiebung vom gesichtslosen Bankenzentrum zur Kulturstadt zu verpassen. Der Römerberg, in dessen unmittelbarer Nähe das MMK steht, versammelt in komprimierter Form die Bemühungen der letzten paar Jahrhunderte um kulturelle Repräsentation. Hier finden sich römische Ausgrabungen, die Schirn Kunsthalle ebenso wie die in den achtziger Jahren kulissenhaft rekonstruierten Bürgerhäuser, die in die kriegszerstörte Innenstadt das Gefühl einer historischen Kontinuität zurückbringen sollten. Hans Holleins Museum moderner Kunst selbst ist ein Modellfall für ein Museumsgebäude, das ob seiner skulpturalen Qualitäten und räumlichen Eigenwilligkeit zu einem wesentlich stärkeren Symbol wurde als die Institution, die es beheimatet. Damit einhergehend ist das MMK auch ein gerne verwendetes Logo für die Kulturstadt Frankfurt, ebenso wie die Bankenhochhäuser die Kapitalflüsse des globalen Handels visualisieren.
Ganz anders der Fall in Prag, wo es der modernen Sammlung der Nationalgalerie – trotz der architektonischen Einzigartigkeit ihres Gebäudes – noch nicht gelungen ist, eine entsprechende Sichtbarkeit zu erreichen. Das hat einerseits mit der Konzentration der Imagebemühungen Prags auf alte Kunst und Architektur zu tun, andererseits mit den laufend wechselnden politischen Zuständigkeiten seit 1989. Der Messepalast, nach Plänen von Oldrˇich Tyl und Josef Fuchs in den zwanziger Jahren gebaut, ist eines der größten funktionalistischen Gebäude Europas, ein majestätischer Block von 140 mal 75 mal 37 Meter. Nachdem 1951 auf Regierungsbeschluss Brünn zur Haupt-Messestadt der Tschechoslowakei erklärt worden war, diente er als Bürogebäude für die tschechoslowakischen Außenhandelsgesellschaften. Nach einem Brand 1974 waren jahrzehntelang Nutzungs- und Umbaupläne diskutiert worden, bevor der Messepalast 1996 schließlich als moderne Sammlung der Nationalgalerie wiedereröffnet wurde, die eine größere Anzahl historischer Gebäude in Prag als Ausstellungshäuser nutzt. Der Messepalast wurde zwar beinahe zeitgleich mit internationalen Boom-Museen eröffnet, entzieht sich aber deren Logik auf vielfältige Weise und nicht immer freiwillig. Zum Einen scheint es in Prag (wohl eben auch aus Stadtimagegründen) sehr schwer zu sein, ein modernes Museum breitenwirksam zu positionieren. Zum Anderen ist es nicht gelungen, andere Programme wirkungsvoll ins Haus zu integrieren. Die ursprünglich geplante Geschäftspassage, die auch das Gebäude stärker mit dem umliegenden Wohnviertel verweben hätte sollen, musste einem großen Büromöbelladen weichen, der Museumsshop beschränkt sich sympathischerweise hauptsächlich auf tschechischsprachige Kunstliteratur, und das Café ist ein Schnellimbiss mit Plastikbechern, vorverpackten Brötchen und dem Flair einer osteuropäischen Bahnhofsrestauration. Das alles lässt die riesigen Hallen mitunter etwas leblos wirken, bietet jedoch andererseits Raum für ein architektonisches Erlebnis abseits von Audioguides und Star-Architektur.
Die Planungs- und Nutzungsgeschichten des Museumsufers, des Messepalastes und des Museumpleins werden von Franziska Puhan-Schulz detailreich geschildert und durch weitere Kapitel ergänzt, die akribisch die Gesamtthematik abarbeiten. Da gibt es Abhandlungen zur Geschichte öffentlicher Räume, zu Museen im Allgemeinen und Museen moderner Kunst im Besonderen oder zur Stadtentwicklung von Frankfurt, Prag und Amsterdam. Dieser allzu korrekte und umfassende Zugang und der manchmal quälend distanzierte Umgang mit den Ereignissen lässt das Buch streckenweise allzu bürokratisch und brav wirken, wobei die absolute Ironiefreiheit der Autorin sich manchmal auch angenehm vom kennerhaften Jargon vieler ähnlicher Texte abhebt. So ist das Buch wohl auch für absolute Laien sehr verständlich, jeder Ausdruck und jede historische Begebenheit wird kurz erläutert, was Verwunderung über die anvisierte Zielgruppe des Buches auslöst. Dieses, so der Klappentext, wendet sich immerhin an „Kulturpolitiker, Architekten, Stadtplaner und Museumsdirektoren“ und möchte einen „Beitrag dazu leisten, bei zukünftigen Museumsplanungen Fehler zu vermeiden“. Wir aber fordern: Mehr Fehler bei Museumsplanungen und weniger Stadtimagebildung.
Andreas Fogarasi ist bildender Künstler und Redakteur von dérive.