Das Museumsquartier ist die Antwort ... aber was war eigentlich die Frage?
Das Wiener Museumsquartier ist eindeutig ein Projekt der Superlative: Es ist die größte Kulturbaustelle der Welt und soll eines der zehn größten Kulturkomplexe der Welt werden. Es ist vermutlich auch das Kulturprojekt mit der längsten Planungsgeschichte weltweit und den vielfältigsten Nutzungsvorschlägen. (Falls es bereits in Vergessenheit geraten ist: Unter diesen Ideen befanden sich unter anderen ein Shopping-Center sowie ein Stall für Fiakerpferde - letzterer Vorschlag wurde von Günther Nenning in die Debatte eingebracht.) Es ist schließlich auch von jeher eines der umstrittensten Kunstprojekte in Österreich, einem Land, in dem über Kunst auch ansonsten recht gerne gestritten wird.
Das Wiener Museumsquartier ist eindeutig ein Projekt der Superlative: Es ist die größte Kulturbaustelle der Welt und soll eines der zehn größten Kulturkomplexe der Welt werden. Es ist vermutlich auch das Kulturprojekt mit der längsten Planungsgeschichte weltweit und den vielfältigsten Nutzungsvorschlägen. (Falls es bereits in Vergessenheit geraten ist: Unter diesen Ideen befanden sich unter anderen ein Shopping-Center sowie ein Stall für Fiakerpferde - letzterer Vorschlag wurde von Günther Nenning in die Debatte eingebracht.) Es ist schließlich auch von jeher eines der umstrittensten Kunstprojekte in Österreich, einem Land, in dem über Kunst auch ansonsten recht gerne gestritten wird. Wobei die Themen dieser Streitigkeiten über die Jahrzehnte eine erhebliche Bandbreite hatten, die von der Frage, ob der Bau eines nach außen hin sichtbaren Turms notwendig oder skandalös ist, bis zur Diskussion um das Bleiberecht kleiner, politisch aktiver Institutionen, wie etwa Public Netbase, reicht.
So viel Größe, Länge und Breite verstellt einem leicht den Blick auf grundlegende Fragestellungen, wie zum Beispiel: Warum gibt es das Museumsquartier überhaupt? Wer will es und wem nützt es? Wobei die Sichtbehinderung vielleicht ganz gut ist, denn diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten.
Schauen wir uns die Sache erst einmal historisch an: Vor etwa 300 Jahren wurden in Wien Hofstallungen gebaut; etwas mehr als 200 Jahre später waren diese nicht mehr nötig und wurden von den Wiener Messebetrieben übernommen. Als auch diese die denkmalgeschützten und zentral gelegenen Gebäude nicht mehr brauchten, musste sich die Republik Österreich eine neue Verwendung für sie überlegen. Erste Antwort also: Das Museumsquartier gibt es, weil es Gebäude gab, die genutzt werden mussten.
Andererseits lässt sich die Sache natürlich auch von der Seite der NutzerInnen betrachten: Das Museum moderner Kunst war über Jahrzehnte hinweg sehr ungünstig auf zwei Standorte aufgeteilt, die beide nicht besonders für diesen Zweck geeignet waren, die Kunsthalle der Stadt Wien hatte ohnehin nur ein provisorisches Quartier und mit dem Erwerb der Sammlung Leopold wurde es nötig, für diese ebenfalls Präsentations- und Archivflächen zu schaffen. Und auch einige kleinere Institutionen, die jetzt im MQ untergebracht sind, wie das Kindertheater und das Tanzquartier, erfüllen lange erhobene kulturpolitische Forderungen. Zweitens demgemäß: Das Museumsquartier gibt es, um Raum für Museen zu schaffen.
Das klingt nun so, als wäre das Museumsquartier das Resultat eines erfolgreichen Immobilienmarktes: Angebot und Nachfrage haben einander entsprochen und es kam daher zum Kaufakt. - So ganz stimmt das allerdings nicht: Zum Beispiel wurden ja nicht einfach bestehende Häuser bezogen, sondern es wurde erheblich in neue Museumsbauten investiert - und zwar selbstverständlich aus öffentlicher Hand. Was die Frage aufwirft, ob die öffentlichen Mittel in der Höhe von etwa zwei Milliarden ATS nicht anders nutzbringender zu verwenden gewesen wären. Aus kulturpolitischer Sicht etwa könnte mensch sich zahlreiche künstlerische Zwecke vorstellen, für die auch schon ein Bruchteil dieser Summe nützlich wäre, aber nicht zur Verfügung steht.
Und aus stadtplanerischer Sicht lässt sich fragen, ob diese öffentlichen Investitionen in die Kunst nicht besser an einem anderen Ort getätigt worden wären als in der mit Kulturinstitutionen ja nicht gerade dünn besiedelten Wiener Innenstadt. Mit diesem Argument trat ja die Stadt Wien noch Mitte der 90er dafür ein, einen Museumsstandort auf der so genannten EXPO-Platte im 22. Bezirk zu schaffen.
Andererseits ist es auch insgesamt zweifelhaft, ob monofunktionale Nutzungen von Stadtgebieten wirklich vorteilhaft sind. In dieser Hinsicht scheinen Kulturbezirke das letzte Relikt der Idee einer funktional geteilten Stadt darzustellen; in jeder anderer Hinsicht sind sich StadtplanerInnen einig, dass eine Mischung - etwa von Wohnraum und Gewerberaum - die bessere Lösung darstellt, da vielfältige Nutzungen sowohl Verkehrsströme als auch phasenweise Verödungen von Gebieten verhindern.
Das Hauptargument für Kulturquartiere besteht darin, dass Synergien zwischen NutzerInnen mit ähnlichen Zielsetzungen die Effizienz erhöhen. Gemeinsames Marketing, koordinierte Betreuung gleicher Zielgruppen, wie etwa von Kindern und Jugendlichen, Kombinationstickets für mehrere Einrichtungen, eventuell sogar geteilte Lager- und Archivräumlichkeiten werden als logistische Vorteile kultureller Clusterbildungen genannt. Es soll sozusagen eine Wohngemeinschaft entstehen, die die Infrastruktur optimal nutzt und Kosten und Nutzen teilt.
Wenn mensch sich allerdings die derzeitige Situation im Museumsquartier anschaut, so entsteht eher der Eindruck einer Mietskaserne als einer Wohngemeinschaft: Eigentlich hätte jede/r der MieterInnen lieber ein eigenes Häuschen mit Garten - da sie sich das alle nicht leisten können, nehmen sie halt mit dem vorlieb, was sie haben, achten aber darauf, möglichst wenig mit den MitbewohnerInnen in Kontakt zu kommen.
Die Form des Zusammenlebens der einzelnen Institutionen im MQ ist indes nicht das Einzige, was an dieser Konstruktion unklar ist. Verwirrung stiftet auch die Rolle der Museumsquartier Errichtungs- und Betriebsgesellschaft. Ist sie Hausmeisterin und in erster Linie für das Funktionieren der Infrastruktur zuständig? Ist sie Hausherrin und kann daher entscheiden, welche MieterInnen ihr genehm sind? Ist sie außerdem vielleicht auch noch selbst Bewohnerin des Museumsquartiers? Zurzeit scheint sie tatsächlich all diese Rollen zu spielen.
Relativ unumstritten ist, dass sie für das Standortmarketing und die Instandhaltung der Gebäude zuständig ist - doch gibt es auch hier schon aufgrund der unklaren Kompetenzverteilungen Spannungen, wenn etwa die Museen ein gemeinsames Ticketing-System mit dem Argument verweigern, sie wollen ihre BesucherInnenströme nicht der Kontrolle der MQ-Gesellschaft unterziehen.
Sehr viel heikler wird die Situation dort, wo die Betriebsgesellschaft inhaltlich Einfluss nimmt, wie insbesondere bei der Vermietung der noch nicht fix vergebenen Flächen im Altbaubereich des MQ. Hier wurde von der MQ-Gesellschaft ein Beirat eingesetzt, der die Zielsetzungen für dieses so genannte Quartier 21 beschloss. Wie weit die Beiratsempfehlungen nun umgesetzt werden, liegt ausschließlich im Entscheidungsbereich der Betriebsgesellschaft, bzw. ihres Geschäftsführers und es kündigen sich auch schon gravierende Änderungen des Konzeptes an. So gingen die MQ-Gesellschaft und Staatsekretär Morak zum Beispiel Monate nach der Absegnung des Beiratsberichtes mit der völlig neuen Idee eines Q 9 als Bundesländerplattform an die Öffentlichkeit. Was auch immer innerhalb dieses Q 9 passieren soll (darüber war noch kaum etwas zu hören), es wird wohl Platz brauchen, der den bisher vorgesehenen Initiativen innerhalb des Q 21 abgezwackt werden muss.
Und auch dort, wo sich die MQ-Gesellschaft an die Empfehlungen des Beirats hält, liegt die Tücke im Detail: Wenn etwa dem depot, einer Einrichtung, die zahlreiche öffentliche Veranstaltungen organisiert, zwar empfehlungsgemäß Raum im Quartier 21 angeboten wird, dieser aber nur zur Büronutzung gewidmet wird und es auch an Toiletten fehlt. Oder wenn depot, public netbase und basis über Monate auf Mietverträge warten und damit in ihrer Zukunftsplanung gelähmt werden.
Schließlich wird die MQ-Gesellschaft auch selbst im Museumsquartier aktiv; ihr Recht, auch Veranstaltungen durchzuführen, nahm sie zuletzt bei der Eröffnung wahr und kam dabei prompt in Widerspruch zu den Veranstaltungen, die die Kunsthalle geplant hatte. Und sie plant auch einen eigenen Buchladen an prominenter Stelle, der in Konkurrenz zu den Museumsshops steht. Nonchalant beschrieb ein hoher Beamter des Kulturministeriums diese Rolle als die »eines Hausherrn mit dem eigenen Geschäft im Haus«.
Hier gibt es allerdings einige feine Unterschiede, die zu Zeiten, in denen die Regierung eines demokratischen Landes als Managementaufgabe verstanden wird, leicht in Vergessenheit geraten. Die MQ-Gesellschaft ist kein privates Unternehmen, das sich ein Firmengelände gekauft hat, sondern verwaltet öffentliche Mittel, muss also letztendlich einer demokratischen Kontrolle unterstehen. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass PolitikerInnen in allen leitenden Gremien sitzen müssen - wie das SPÖ-Modell für solche Gesellschaften üblicherweise aussah. Es bedeutet aber auch nicht, dass die Regierung die MQ-Gesellschaft als inoffizielle Vollstreckerin der eigenen politischen Linie vorschickt - wie dies offensichtlich zurzeit geschieht. (Oder wie sonst sollen die ewigen Schikanen gegen regierungskritische Institutionen im MQ, wie depot oder public netbase, zu verstehen sein, die in der Räumungsklage gegen public netbase ihren vorläufigen Höhepunkt gefunden haben?) Demokratische Kontrolle bedeutet in erster Linie, dass es eine veröffentlichte Erklärung der kulturpolitischen Ziele des MQ geben muss, die über Gemeinplätze hinausgeht und an der sich die Aktivitäten der MQ-Gesellschaft messen lassen. Wenn sich zurzeit alle Kritik an den Querelen des MQ auf den Geschäftsführer Wolfgang Waldner konzentrieren, so wird hier wieder einmal der Sack statt des Esels geprügelt, bzw. um in den Metaphern dieses Artikels zu bleiben, der Makler für die Versäumnisse des Hausbesitzers zur Verantwortung gezogen. Waldner überschreitet seine Kompetenzen nicht (auch wenn er sie vielleicht nicht gerade besonders geschickt ausübt); er hat nur einfach zu viele.
Die Geschichte des Museumsquartiers ist eine Geschichte der Peinlichkeiten und Pannen. Dies allein würde indes nicht ausschließen, dass nun doch noch ein spannendes kulturelles Projekt dort entsteht. Zurzeit spricht allerdings nicht viel dafür.
Dieser Artikel ist das »Nebenprodukt« meiner Arbeiten an einer Fallstudie mit dem Titel »A Global Cultural Management Challenge: The MuseumQuartier, Vienna.«, die ich gemeinsam mit Simon Roodhouse erstellt habe.
Nähere Informationen dazu per E-Mail: mokre@oeaw.ac.at
Monika Mokre