Der zweite Blick
»Andreas Fogarasi, 2008«, Ausstellung in der MAK-Galerie, WienAufmerksame dérive-LeserInnen kennen Andreas Fogarasi nicht nur als erfolgreichen Künstler (Teilnahme an der Manifesta, Biennale 2007, Goldener Löwe von Venedig ...), sondern auch als dérive-Mitarbeiter. Jedes Mal, wenn Sie dérive aufschlagen, stoßen Sie auf das Grafikkonzept von Andreas Fogarasi. Oder erinnern Sie sich noch an das Heft 23 mit dem Schwerpunkt Visuelle Identität? Dort ging es um ein „Branding des Öffentlichen“, um visuelle Identitäten und deren Repräsentationen von urbanen Institutionen.
Von wo wir dann auch schon direkt zu Andreas Fogarasis Arbeit hingeleitet werden: Seine Arbeit hinterfragt immer wieder Design und Typografie auf Inhalt und in weiterer Folge auf Relevanz. Dabei setzt er sich mit den damit verbundenen Entwicklungen von urbanen Räumen und deren Wahrnehmungsbedingungen auseinander, welche ihn für die Ausstellung im MAK in verschiedene Rollen schlüpfen lässt. Zunächst einmal haben wir den Fotografen Andreas Fogarasi, der sich kritisch mit dem Umgang mit Design-Großevents wie dem Pariser Autosalon (Mondial de l’Automobile 2004) oder einer Institution wie dem Pacific Design Center auseinandersetzt.
Seine Fotoarbeiten leiten provokant das Auge in Bereiche dieser Events, die von generic design getragen sind. Dabei führen diese Blickwinkel weniger die fehlende Qualität von gutem Design vor, als dass die Bilder in all den Ecken des Nebensächlichen eine neue Lesart freigeben. Es ist das Konforme, welches hier über das Bild des Fotos plötzlich von seiner scheinbaren Langeweile enthoben wird, um so einen eigenen Kontext zu produzieren. Spannend ist dabei nicht zuletzt auch die direkte Gegenüberstellung des Pacific Design Centers mit der Mondial de l’Automobile. Diese stellt quasi die klassische Dichotomie zwischen Amerika und Europa / West und Ost (und vom Blickwinkel Kaliforniens kann Frankreich nur der Osten sein) in Frage – Zu ähnlich sind die abgewandten Bereiche dieser Institutionen.
Dann haben wir Andreas Fogarasi, den Verkäufer, den Autor, den Interviewer: Andreas Fogarasi interviewt Peter Ghyczy. Dieser hat das legendäre Sitzei entworfen. Dieses für viele Jahre vergessene Sitzobjekt ist ein Beispiel für vergessene Verbindungen zwischen der DDR und der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland, für Erfolg und Nichterfolg von Design, für Moderne und Nachmoderne. Ghyczy hat das Sitzei in der BRD entworfen, produziert wurde es allerdings in der DDR. Nach dem Fall der Mauer wurde Peter Ghyczy als Designer wiederentdeckt und das Sitzei wird wieder produziert. Das Exemplar des MAK, das in der hauseigenen Sesselsammlung zu besichtigen ist, hat es 1995 von Andreas Fogarasi erstanden.
Und dann haben wir noch den Designer und Grafik-Designer Andreas Fogarasi, der die drei sympathischen kleinen Bücher zur Ausstellung natürlich auch selbst layoutiert hat: Weißes Cover, 13,5 x 16,5 cm groß, Serifenschrift, bei Schlebrügge erschienen – in maximaler Zurückhaltung wie das Pult selbst, welches als Träger dieser Bücher von ihm selbst gestaltet wurde.
Durch diese Gegenüberstellungen werden Inhalt und Form in der Ausstellung immer wieder neu in Bezug gesetzt: Sitzei (abwesend) und Pult (anwesend) als Kontrapunkte von (gutem) Design, der Umraum von Design (Europa und USA), der Umraum und das Fehlen von Design, und das Schreiben und Beschreiben von Design usw. – jedenfalls eine sehenswerte kritische Auseinandersetzung mit Design auf vielen Ebenen.
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Ausstellung
Andreas Fogarasi, 2008
MAK-Galerie
Kurator: Andreas Kristof
9. April bis 14.September 2008
Paul Rajakovics ist Urbanist, lebt und arbeitet in Wien.