Die Commonisten aus Bullerbü
Besprechung von »Stadt der Commonisten. Neue urbane Räume des Do it yourself« herausgegeben von Andrea Baier, Christa Müller und Karin WernerUrban Gardening, Zwischennutzung, Kleidertauschen – all diese Formen des Do it yourself liegen derzeit im Trend. Sie sind eine (anti)politische Form, wie städtisches Leben neu angeeignet und wie mit wenig oder ohne Geld Sinn gestiftet werden kann. In Stadt der Commonisten finden sich über 130 alphabetisch sortierte kurze Beiträge zu Themen und Haltungen aus diesem Milieu. Um nur ein knappes Dutzend zu nennen: Beete, Commons, Entschleunigung, Haus der Eigenarbeit, Kartoffelkombinat, Kunst, Mundraub, offene Werkstätten, Saatgut, Schrottregatta, Teilen, Tauschen. Viele dieser Lexikon-Einträge sind mit Links versehen, über die vertiefende Informationen – etwa zu beispielhaften Projekten – erhältlich sind. Das Buch lädt zum Stöbern und Entdecken ein, es kann von hinten nach vorne oder kreuz und quer gelesen werden, jeder Eintrag steht auch für sich.
Das großformatige Buch wird von seinen durchweg farbigen Bildern dominiert. Diese sind zum Teil ganzseitig, oder es finden sich 30 auf einer Seite – die dann dadurch leider etwas aussagearm werden. Viele der Bilder spielen gleich mit ihrer nahe am Kitsch liegenden Ästhetik: Es ist auf allen sonniges Wetter, die Männer tragen Bärte, die Frauen sind alle hübsch und die Kinder bunt gekleidet. Es herrscht eine kindliche Holzkisten-Bullerbü-Atmosphäre, die kitschig ist und doch Sehnsüchte weckt. Sehnsüchte nach einem anderen Arbeiten und Leben, nach einer Authentizität, die die moderne Arbeitswelt nicht bietet. Do it yourself ist ja ebenso wie die verstärkte Nutzung von Parzellen und Gärten durch Angehörige der Generation der 25- bis 45-jährigen ein Gegengewicht für die erschöpften Subjekte der kreativen Milieus.
Das Buch gibt einen anschaulichen, exemplarischen Einblick in diese Welt, die durch das Recyceln von Dingen und Flächen, durch Ideen, durch gemeinsame Um-Nutzung und die Umdeutung von Infrastruktur, Dingen und Ideen lebt. Eine Welt, die provisorisch und fluide ist, von Kooperation und Netzwerken gekennzeichnet ist und nicht zuletzt grundlegend durch das Internet möglich wird. Auf alle Fälle ist sie eine politische Intervention in der Debatte um die Zukunft der Stadt und die Aneignung öffentlicher Gemeingüter (englisch commons), eine Debatte und Praxis, die unzweifelhaft trotz all ihrer Beschränkungen weitere sympathisierende Beachtung verdient.
Bernd Hüttner ist Politikwissenschaftler und Referent für Geschichtspolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.