Die Renaissancestadt: Kriegsmaschine und Humanismus
Geschichte der Urbanität, Teil 4Im Jahre 1494 vollzieht sich ein symbolisch folgenschweres Ereignis. Im Zuge einer Invasion der französischen Armee in Italien wurden Geschützbatterien eingesetzt, die innerhalb weniger Stunden die Stadtmauern in Schutt und Asche legten, was zur Folge hatte, dass die Franzosen ohne jegliche offene Feldschlacht Florenz, Rom und Neapel eroberten. In Rapallo jedoch explodierte ein auf die Stadtmauern gerichtetes Geschütz, und die verirrte Kugel durchschlug die Fenster der Kirche und tötete zahlreiche Gläubige, die sich in die Kirche geflüchtet hatten. Dies ist der Zeitpunkt der symbolischen Auslöschung der Freistatt als eines Ortes, der kraft seiner Lage und sakralen Ausstrahlung bis zu jener schicksalhaften Begebenheit absolute Sicherheit geboten hatte.
Im Jahre 1494 vollzieht sich ein symbolisch folgenschweres Ereignis. Im Zuge einer Invasion der französischen Armee in Italien wurden Geschützbatterien eingesetzt, die innerhalb weniger Stunden die Stadtmauern in Schutt und Asche legten, was zur Folge hatte, dass die Franzosen ohne jegliche offene Feldschlacht Florenz, Rom und Neapel eroberten. In Rapallo jedoch explodierte ein auf die Stadtmauern gerichtetes Geschütz, und die verirrte Kugel durchschlug die Fenster der Kirche und tötete zahlreiche Gläubige, die sich in die Kirche geflüchtet hatten. Dies ist der Zeitpunkt der symbolischen Auslöschung der Freistatt als eines Ortes, der kraft seiner Lage und sakralen Ausstrahlung bis zu jener schicksalhaften Begebenheit absolute Sicherheit geboten hatte.
Mit der neuen Dynamik der topologischen Kräfte vollzieht sich in der Renaissance eine fundamentale Veränderung der Stadt. Die Grundform der alten civitas dei mit dem heiligen Zentrum wird aus zwei maßgeblichen und auch komplementären Gründen nach außen gestülpt. Zum einen aufgrund der Waffenentwicklung und zum anderen wegen einer Neuformatierung des Bewusstseins. Die durch die Schriften Augustinus’ maßgeblich geprägte Innenorientierung weicht allmählich einer neuen Lebensweise, die zwar den persönlichen Motivationsquellen des mittlerweile über Jahrhunderte geschulten Inneren entstammt, die aber nicht mehr auf dem Zusammenhang des Menschen mit dem statischen, von Gott geschaffenen Kosmos beruht, sondern die der Haupttendenz nach auf den wachsenden Vorrang der individuellen Freiheit und der Außenorientierung gerichtet war. Gleichzeitig gewannen alte, über tausend Jahre vergessene Werte der Antike wie die staatsbürgerliche Beteiligung, die in vielerlei Hinsicht der Struktur des griechischen Bürgerethos, das auf der Erlangung von Ruhm und Ehre beruhte, nahe kamen, wieder an Gewicht. Die Bandbreite der Ideen reichte von den großen humanistischen Werken der platonischen Telelogie, die noch den Bezug zur idealen Ordnung in der großen Kette des Seins, wie Ficino oder Pico della Mirandola dachten, bis hin zu dem berühmt berüchtigten »Fürsten« Machiavellis, der keine apriorischen göttlichen oder natürlichen Ziele des Menschen kannte, dafür aber alle Eigenschaften eines Führers pries, der eine Stadt groß machen könne. Die Städte der Renaissance spiegeln diese Dialektik zwischen der Suche nach Ordnung in der Idealstadt durch phantastische und zugleich humanistischen Prinzipien verpflichtete Stadtmodelle auf der einen Seite und dem Drang zur Größe und des Erhabenen durch eine enorme Kultur der Fortifikation auf der anderen Seite wieder. Daraus resultierte eine Neuformatierung der topologischen, energetischen Konzeption der Stadt:
Sforzinda, der Stern. Erste Idealstadt des Humanismus
Dort, wo die Stadtplaner der Renaissance eine völlig neue Stadt entwerfen, werden die ästhetischen und gestalterischen Kriterien in ihrer humanistischen Dynamik offensichtlich. Sforzinda gilt hier als das berühmteste Beispiele der ersten radialen Stadt, die Filarete für Francesco Sforza, den Herzog von Mailand, entwarf, sie in einem in Dialogform verfassten Roman beschrieb, jedoch nie realisieren konnte.[1] Die Grundform der oktogonalen Zentralstadt ist ein Stern mit acht Spitzen, die durch das Übereinanderlegen zweier Quadrate mit 45° Drehung entsteht. Allein die Interpretationsmöglichkeiten dieses simplen Grundmodells, das die vier Elemente mit den aristotelischen Qualitäten der Feuchtigkeit und Trockenheit, Wärme und Kälte kombinierte und ein magisches Zeichen der Renaissance darstellte, würde eine Fundgrube für den topophilen Stadtträumer ergeben. Das Zentrum der Stadt, das nach ursprünglichen Plänen ein Turm schmücken sollte, ist nun ein leerer Platz, um den sich drei Komplexe gruppieren, der Palast des Fürsten, die Kathedrale und die Märkte mit weiteren öffentlichen Bauten, einem Gebäudes für die kommunale Selbstverwaltung, weiters einer Bank, einer Münze, und einem Bad.
Offensichtlich wird hier das Modell der Antike mit den wichtigsten öffentlichen und sakralen Gebäuden angewandt. Vom Zentrum aus führen die Straßen radial zu den Stadttoren. Etwa in der Mitte des Stadtradius verläuft ein konzentrischer Ring, der abwechselnd von Plätzen und Kirchen gesäumt wird. An der Außenseite befinden sich die Mauern, wo die Stadttore an den inneren, die Türme an den äusseren Winkeln des Sternes liegen. Filarete plante auch eine Reihe von Gebäuden im Sinne des frühen Humanismus, unter anderem ein bemerkenswertes Haus der Tugenden und des Lasters mit einem Bordell im Erdgeschoß, Lesesälen und einer Bildungsakademie in den oberen Stockwerken. Die sieben Geschosse entsprechen den vier Kardinaltugenden und drei theologischen Tugenden, bzw. den sieben Todsünden. Die Motive dazu dürften in einem Denken liegen, das – aristotelisch und neuplatonisch geschult – noch die Einheit der Gegensätze zu fassen versuchte und möglicherweise die Idee eines notwendigen Durchganges durch alle Sphären auf das Gebäude übertrug. Eine merkwürdig faszinierende Vorstellung von der Vielseitigkeit eines öffentlichen Hauses, die uns im Zeitalter des Primates von Arbeitsteilung, Spezialisierung und Segregation absurd scheinen muß. Die Positionen der Gebäude hat Filarete nicht angegeben, doch scheint ihm auch eine Mischung der Stadt nach verschiedenen Sphären vorgeschwebt zu sein, möglicherweise von mittelalterlichen Darstellungen der Erdenstadt Augustinus’ inspiriert.[2] Wahrscheinlich spielt auch das aristotelische Grundschema mit seiner Zonierung aufgrund der Elemente in Zusammenhang mit den darauf zu errichtenden Gebäuden und der Theorie des gemeinsamen Enthaltenseins der Gegensätze eine wesentliche Rolle.
Filarete ist neben Alberti einer der Begründer der Kunst der urbanen Komposition und trotz aller nachfolgenden Kritik Vorbild und Basis für weitere Entwicklungen von Giorgio Martini bis zu Leonardo da Vinci. Es ist auch anzunehmen, dass sich manche Ideen in den utopischen Stadtentwürfen und Idealstädten späterer Zeiten wiederfinden. Freilich zeitigen die Spannungen, die sich aus den Forderungen eines noch neoplatonisch orientierten Humanismus nach der Freiheit des Menschen in der Gemeinschaft ergeben, und den realen politischen Verhältnissen der zumeist von Despoten regierten Städte auch ihren Niederschlag in der forma urbis. Während der Stadtbaumeister der mittelalterlichen urbs den Dom als zentrale Bauaufgabe betrachtetete, so musste der Stadtplaner der Renaissance die Geometrie der Festung auf die ballistischen Kurven der Kanonen abstimmen. Eigentlich kündigt die Gestalt der Sternstadt aufgrund ihres delikaten morphologischen Zustandes schon an, dass sie auf weniger festem Grund als die alte mittelalterliche Stadt steht. Ihre komplizierte geometrische Form entspricht einem Negativ der kinetischen Energie der Geschoße. Über die Stadt wird ein unsichtbares Netz aus Kraftlinien gelegt.
Die sakrale Neuformatierung und die Geburt der Zitadelle
Ganz im Sinne des römischen Rechtes, das eine Einstufung des öffentlich-sakralen Bereiches als erhaben und des privat-profanen Bereiches als niedrig vornahm, schreibt Leon Battista Alberti[3] in seinem Lehrbuch die Ausschmückung der Anlagen in der Stadt vor. Analog zur Klassifikation einer sakralen und öffentlichen Sphäre nehmen die Stadtmauern den höchsten Rang, noch vor den Tempeln ein, während die privaten Räume ganz niedrig rangieren. Die Kennzeichnung des Gebäuderanges ergibt sich durch die Ausschmückung mit den geeigneten Ornamenten, dem passenden Decorum. Die sakrale Ordnung ergibt sich aus einer Logik der Wahrung der Souveränität des öffentlich-staatlichen Bereiches, und hier stehen die Stadtmauern als ein Symbol für die Zusammenfassung der Wohnsiedlung, der gesamten städtischen Bevölkerung, während der Tempel allgemein als Zeichen des geistigen Zentrums der Organisation, die aber den Zielen der staatlichen – noch identisch mit der städtischen – Souveränität untergeordnet ist, gilt. Im Gegensatz zum Zentrum der mittelalterlichen Stadt, das die heilige Mitte des Gottes und der Ahnengräber in sich barg und dessen Aura nach außen strahlte und etwas von der heiligen Substanz abgab, steht das Energiezentrum der Renaissancestadt außen in Form der Stadtmauer und umgibt die Stadt wie ein sakraler Ring oder Gürtel.
Natürlich hatten auch die mittelalterlichen Städte Mauern, aber sie galten eher als notwendiges Übel und hatten aufgrund der weiten Distanz zum strahlenden Zentrum eher schon den Charakter einer auratisch geschwächten Zone, die immer wieder durch Prozessionen sakral aufgeladen werden musste. Es ist kein Zufall, dass Alberti auch genau über die Stadtgründungsrituale der Römer und Griechen, wie etwa das Ziehen der Gründungsfurche durch Varro und Plutarch, unterrichtet ist und sie in seinem Buch wiedergibt, da er damit die sakrale Position dieses Bautyps untermauern kann.
Er ist sich allerdings nicht im klaren darüber, dass er mit dieser Argumentation auf eine ganz andere Form der Heiligung rekurriert, die nämlich auf dem Geist der Opferhandlung und des Sündenbockes beruht. Man darf nicht vergessen, dass diese Gründungsfurche Roms, sulcus primigenus, die im Ritual durch das Ochsengespann gezogen wurde und alljährlich durch die luperci, die Wolfspriester, durch frisches Opferblut erneuert wurde, an die Tötung des Remus durch seinen Zwillingsbruder Romulus erinnerte, da Remus der Überliefeung nach die erste Ackerfurche übersprungen habe, um den Stadtgründer zu verspotten. Die darher rührende Prophezeiung lautete, dass es künftig jedem, der die Verletzung des römischen Bodens wage, ähnlich ergehen werde. Girard sieht darin einen Beweis für seine These der mimetischen Rivalität, das absolute Objekt der mimetischen Begierde der beiden Brüder war Rom, das aber nur einem gehören konnte. Aufgrund der Nichtmöglichkeit einer Einigung musste es zum Mord kommen, doch dieses notwendige Opfer versöhnte die feindlichen Parteien und stiftete Frieden. Die jährliche Wiederholung dieses Opfers im Ritual erinnerte an den blutigen Gründungsakt, dessen entströmende Kraft noch immer die Grenzen heiligte.
Die Stadt als Kriegstheater-Raum
Man könnte auch die Behauptung aufstellen, dass Alberti mit der nachhaltigen Erwähnung dieser Form des Immunschutzes vor allem den sozialen und Gemeinschaft stiftenden Charakter der Mauern betonen möchte. Denn es gilt auch die folgende Formel: Die Stadtmauer und Befestigungsanlagen mit ihren kunstvollen Außenwerken, Vorsprüngen und Bastionen in Speerform (nach Alberti wie die Finger einer menschlichen Hand nach dem Beispiel Perugias), von denen aus man die Angreifer unter Feuer nehmen konnte, sind im Grund nichts anderes als der Energiespeicher der zu ihrer Errichtung notwendigen sozialen Arbeit und symbolisieren damit auch den nötigen Einsatz, der zu ihrer Einnahme aufzubringen wäre. Die Bevölkerung materialisiert sich in der Mauer, die nun zum Repräsentanten ihres kollektiven Immunwertes wird.
Dieser Einsatz wird noch deutlicher, wenn man die großen Opfer denkt, die für die Bevölkerung mit dem Bau der Befestigungen verbunden waren. Neben den enormen Errichtungskosten überstieg der Platzbedarf sogar die Fläche der ganzen restlichen Stadt. Außerdem verhinderten die Mauern trotz starken Wachstums der Bevölkerung eine Expansion der Stadt, ein Umstand, der auch Alberti zu denken gab. Die lanzenförmigen Basteien sind aber zugleich das erste Anzeichen der Bewegung in einer festen territorialen Anlage, da sie weit ausgreifen und die Verteidigung dort in den Angriff übergehen lassen, um damit das seitliche Beschießen der Flanken des Feindes zu ermöglichen und das nahe Aufstellen von Geschützen oder Sturmgeräten zu verhindern.
Möglicherweise sind die Basteien der Renaissancestadt jener Ort, an dem die Dialektik von Angriff und Verteidigung sich zu entfalten beginnt, denn obwohl sie zweihundert Jahre Schutz boten, wurden sie mit der Erfindung weittragender Geschütze sinnlos. Von hier aus vollzieht sich eine Entwicklung der strategischen Infrastruktur, die ihren vorläufigen Endpunkt in den gigantischen Bunkeranlagen des Atlantikwalles im zweiten Weltkrieg an der französischen Küste gefunden hat, mit denen Europa in eine riesige Festung hätte verwandelt werden sollen und von denen Virilio in seiner Bunkerarchäolologie[4] berichtet. Einen Grund für die deutsche Niederlage sieht Virilio gerade in dieser Raumphilosophie eines Kriegesherren, der zu sehr mit dem Boden verbunden ist und nie wirklich an die Eroberung des Luftraumes wie auch des maritimen Raumes geglaubt hat. Auch hält er die falsche militärische Psychologie für verantwortlich, der zufolge jedes Bombengeschwader, sobald es die Küste passierte, gemeldet wurde, nach jedem Kurswechsel die Bevölkerung der anvisierten Städte in einem Voralarm erneut gewarnt wurde und dadurch ständig Millionen Menschen durch das Sich-Zusammenziehen von Zeit und Raum in Angst versetzt wurden. Hitlers Bodenfixiertheit fand ja nicht zuletzt in seinen, bzw. Speers Stadtplanungen ihren Niederschlag, die von der Verbindung von riesigen Achsen mit megalomanen Kuppelbauten nach dem Vorbild des Pantheons träumten und damit noch auf ältere Formen als die Renaissancestadt zurückgriffen und sich auf die Antike bezogen.
Die Renaissancestadt ist daher auch jener Ort, an dem durch den Verlust der sakralen Potenz des Zentrums und durch die neuen militärischen Bedrohungen die Problematik des Territoriums durch eine Umformatierung der Sakralität und Übertragung auf die Stadtmauern neu definiert wird.
Auch andere Neuerungen, die man vielleicht zunächst einem neutralen Funktionalismus zuordnen könnte, unterliegen in Wirklichkeit dem Imperativ des Militärs. Die Wiedererfindung der Geraden in der Stadt basiert auf der Notwendigkeit militärischer Aufmärsche. Wiederum ist es Alberti,[5] der auf das Primat der Militärstraßen hinweist, die breiter zu sein hätten als normale Straßen, auf dem Lande eben und schnurgerade sein sollten, während er innerhalb der Stadt gelegentliche und leichte Biegungen empfiehlt und damit aus optischen Gründen eine Form der Eurythmik einführt, die aber bei den meisten späteren Autoren wieder verloren geht und die endgültige Durchsetzung der Geraden im Barock vorbereitet.
Diese im Vergleich zum Mittelalter neue Form der Straße wird nun von den Fassaden oder Schauseiten der Gebäude eingerahmt und auch hier gelten die Regeln Albertis über die Würde und Angemessenheit des Decorums von Privathäusern, das sich allerdings dem niedrigen profanen Charakter des Privaten entsprechend, auf ein einfaches Ornament beschränkt. Jedenfalls wird hier der Kulissencharakter der Kombination von Stadthäusern und Straße strukturell durch die Schauseite vorbereitet, die sich in ihrer Gestaltung nach der Anlage der Straße ausrichten sollte. Daher sollten die Häuser nach Alberti auf beiden Seiten in geraden Linien stehen und gleich hoch sein. Daraus ergeben sich die ununterbrochene waagrechte Dachlinie, der Rundbogen und die Wiederholung einheitlicher Elemente an der Fassade wie Sims, Fenstersturz, Fenster und Säule.[6] Dennoch war durch den Verzicht auf zu strenge Kompositionsregeln damals auch noch eine Einfügung in alte Bestände möglich. Es gibt in Italien zahlreiche Beispiele für die behutsame und delikate Verbindung von Renaissancebauten mit älteren Werken. Erst die Ordnungsmacht des Barock erlangte diesen Charakter der völligen Einheitlichkeit und des Absoluten, die mit einer Unerträglichkeit der visuellen Differenz zum Alten einhergeht.
Die Erfindung des virtuellen Raumes in der Architektur
Der Ursprung des Triumpfbogens liegt im Auslass aus der römischen Fortifikationsanlage, die aus einem Hauptbogen mit zwei kleineren seitlichen Bögen bestand, die man durch Gitter oder schwere Holztore schließen konnte. Bereits bei den Römern wird diese Form auf den Triumpfbogen übertragen und damit eine erste Stufe des Virtuellen erreicht. Nach der erfolgreichen Schlacht musste die Armee außerhalb der Mauern warten, und die Feldherren am pomerium ein Demissionsritual durchführen. Erst nach dieser kultischen Reinigung wurde ein Defilee der Truppen in Paradeformation mitsamt den erbeuteten Sklaven und Gegenständen durch die Stadt zum Kapitol erlaubt. Auch in der Stadt marschierten die Truppen wiederholt durch Triumpfbögen. Diese Bögen aus Holz oder Stein glichen den Stadttoren, aber sie führten nicht von einem Außen- in einen Innenraum.
In der Renaissance erfährt der Triumpfbogen erneut eine symbolische Steigerung, indem er den Rahmen für Altäre und Theaterbühnen bildet und nunmehr in einen neuen virtuellen Raum des Gottes oder des Dramas führt. Ähnliches gilt für die Aufbringung von Tempelchen auf die Fensterrahmen oder von Teilen der Fortifikationsanlage auf die Sockel der Paläste. Das Haus wird zum imaginären Tempel, der Palazzo zur Festung. Erfahrung und Imagination treten auseinander, der Eintritt in den virtuellen Raum ersetzt die unmittelbare Präsenz im realen Raum, da das alte Raumgefühl durch die neu erlernte Leseperspektive ergänzt wird und man »den Triumpfbogen in den Altar hineinliest«, man im Triumpfbogen des Altars noch seine frühere Bedeutung lesen kann und sich des dort kollektiv hervorgerufenen Triumphgefühls erinnert. In das Raumerlebnis wird eine kollektive Erinnerung projiziert, die den virtuellen Raum aufschließt.
Fußnoten
Hanno-Walter Kruft: Geschichte der Architekturtheorie. München 1991, S. 55. ↩︎
Spiro Kostof: Das Gesicht der Stadt. Frankfurt 1992, S. 186. ↩︎
Leon Battista Alberti: 10 Bücher über die Baukunst. Darmstadt 1991, 7. Buch. ↩︎
Paul Virilio: Bunkerarchäologie. München 1992. ↩︎
Alberti, a.a.O., 4. Buch. ↩︎
Lewis Mumford: Die Stadt. München 1984, S. 406. ↩︎
Manfred Russo ist Kultursoziologe und Stadtforscher in Wien.