Editorial dérive 13
Eine Meldung sorgte in Wien in den letzten Tagen für große Aufregung: Der Karlsplatz, ein großer, zentraler Platz, soll in Nikeplatz umbenannt werden.. Nike, bekannt für gezielte Provokationen zum Zwecke der Steigerung der streetcredibility beim jugendlichen Zielpublikum, ist Opfer der eigenen Strategie geworden. Eine sehr gut gemachte Kampagnenpersiflage Nikeground hat Nikes Methoden gerade um das Stück weitergedreht, das dazu führt, dass Nikes Versuch sich öffentlichen Raum anzueignen, helle Empörung auslöst.
Im Beitrag Berlin City Attack – Die Marketingstrategie des Sportartikelherstellers Nike von Cordelia Polinna wird die Marketing Strategie beschrieben, den brand Nike mit Stadträumen in Verbindung zu setzten, die mit Subkultur und Jugendkultur assoziiert werden.
Alternative Sportveranstaltungen im öffentlichen Raum sollen die Marke mit jugendlicher Rebellion und Subversion (gegen das Establishment) in Verbindung bringen.
Ungewollte Aktualität erhalten die beiden Beiträge, die Bombay/Mumbai gewidmet sind. Die Zerstörung der Babri Moschee in Ayodhya hat im Winter 1992/93 zu schweren Ausschreitungen zwischen HinduistInnen und MuslimInnen geführt, hunderte Menschen starben. August dieses Jahres machte das Gerücht die Runde, bei Ausgrabungen in Ayodhya seien die Reste eines Tempels entdeckt worden. Zwei Bombenanschläge im Finanzdistrikt von Bombay, die Dutzenden Menschen das leben kostete, werden damit in Verbindung gebracht. Julia Eckerts Beitrag über Mumbai durften wir aus dem von Stephan Lanz und Jochen Becker herausgegebenen, jüngst erschienen Buch Space Troubles übernehmen.
In seinem Text FahrRad in Wien? Zum historischen Verhältnis von Stadt und muskelgetriebenem Zweirad erzählt Sándor Békési von dem nicht gerade konfliktfreien Verhältnis der Stadtpolitik und Stadtplanung zur Fortbewegung am Fahrrad.
Ein Fokus dieser Ausgabe ist auf Belfast gerichtet. Visit Belfast! Besucht Belfast! ist eine Nachlese von Philipp Klaus und Richard Wolff zu einer Reihe von Stadterkundigungen in Belfast, die das International Network for Urban Research and Action (INURA) 2001 organisiert hat. Planning and Regeneration in a divided Society von Geraint Ellis und Brendon Murtagh beleuchtet Fragen und Initiativen der Stadtplanung vor dem Hintergrund der religiös-politischen Spannungen. Beide Texte geben einen Einblick in eine komplexe Stadtgeschichte, die oft hinter den aktuellen Ereignissen verborgen bleibt. In Belfast lassen sich urbane Konflikte deutlicher ablesen als anderswo. Man kann von Belfast auch für andere Städte wichtige Kenntnisse gewinnen.
INURA ist mit einem weiteren Beitrag vertreten. Volker Eick und Jens Sambale berichten in Berlin-Divided City von der INURA-Jahrestagung in der die Berliner Situation diskutiert wurde, auch im Hinblick auf andere Städte, mit dem wichtigen Hinweis, dass Berlin keinen Ausnahmefall einer global city darstellt, sondern im Kontext paralleler Entwicklungen westlich-kapitalistischer Städte zu betrachten ist.
Ein großes Dankeschön geht diesmal an das Atelier Auslage in Arbeit, das uns in den letzten drei Jahren kostenlos seine Räumlichkeiten für Redaktionstreffen zur Verfügung gestellt hat. Seit Sommer sind wir nun zu sehr günstigen Konditionen Untermieterin bei der Österreichischen Gesellschaft für Architektur wofür wir uns ebenfalls bedanken wollen. Die Adresse der ÖGFA ist künftig auch unsere offizielle Zustelladresse. Die Postfachadresse bitte künftig nicht mehr verwenden.
Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.