Editorial dérive 21-22
dérive – Zeitschrift für Stadtforschung existiert seit über fünf Jahren und bisher ist es immer (fast) pünktlich erschienen, doch die aktuelle Ausgabe kommt zu spät, viel zu spät. Da es sich im Oktober abgezeichnet hat, dass wir den Erscheinungstermin auch mit einer akzeptablen Verspätung nicht einhalten können, haben wir uns entschlossen, diesen ausfallen zu lassen und dafür zum nächsten Termin ein umfangreicheres Heft zu veröffentlichen. Das Ergebnis liegt nun als Doppelnummer 21/22 vor und ist das dickste dérive, das wir bisher produziert haben. Doppelnummer heißt allerdings nicht, dass AbonnentInnen jetzt ein Heft weniger bekommen: Alle Abonnements werden automatisch um eine Ausgabe verlängert, d.h. die Doppelnummer zählt fürs Abonnement wie ein normales Heft.
Zusätzlich zum Schwerpunkt Urbane Räume – öffentliche Kunst, redaktionell von Roland Schöny betreut, gibt es nach zwei Jahren einen Nachschlag zu unserem Schwerpunktheft Temporäre Nutzungen dérive Heft 14 aus dem Jahr 2004). Margit Schild und Antje Havemann bieten in ihrem Artikel Der Nylonstrumpf als temporäre Aktion – oder: Was können Provisorien? eine theoretische Klärung des Phänomens. Ausgehend von etymologischen Recherchen bis zu praktischen Beispielen legen die Autorinnen dar, was Provisorien leisten können und wofür sie gänzlich ungeeignet sind.
Über ein praktisches Beispiel, nämlich den Palast der Republik, diskutieren Jesko Fezer und Philipp Oswalt in einem ausführlichen Interview, das Dietmar Kammerer für dérive geführt hat. Raumlabor Berlin hat uns dafür dankenswerterweise Bildmaterial der Aktionen Gasthof Bergkristall – Bergcamp und Fassadenrepublik, an denen sie maßgeblich beteiligt waren, zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus geht es in dem Interview um das Berufsbild von ArchitektInnen und die Möglichkeiten „oppositioneller Architektur“ sowie das Verhältnis BauherrIn – ArchitektIn. Ein weiteres Thema: Gentrification am Beispiel von Berlin Mitte.
Manfred Russos Serie macht diesmal Pause, dafür hat Russo für den Schwerpunktteil einen Beitrag über die Geschichte der Kunst im öffentlichen Raum geschrieben. Schwerpunktredakteur Roland Schöny ist im Rahmen von Kunst im öffentlichen Raum Wien für den inhaltlichen Aufbau zuständig und betreut die Projekte kuratorisch. Das vorliegende Heft ist nun aber keineswegs eine Dokumentation dieses Wiener Programms, sondern blickt weit über die Stadt und Landesgrenzen hinaus. Es ist uns ein Anliegen, die Situation urbaner Räume, die andere ökonomische und politische Voraussetzungen haben als z.B. solche in Mittel- und Westeuropa, und die lokalen Diskussionen vorzustellen. Als Beispiele finden sich Beiträge über Saõ Paolo von Nelson Brissac Peixoto, Moskau von Nikita Alexeev und Rumänien von Alina Serban im Heft. Ganz haben wir auf lokale und bekannte Beispiele natürlich nicht verzichtet. Wie unterschiedlich Qualität und Anspruch dabei sein können, zeigen Reinhard Braun mit einem Artikel über add on, Thomas Edlinger mit einem Beitrag über Salzburg im Allgemeinen und die Prestigeprojekte der Salzburg Foundation im Besonderen und Rosemarie Burgstaller mit einem Rückblick auf die Münchner kunstprojekte - riem. Den Abschluss des Schwerpunkts bilden der bereits erwähnte Artikel von Manfred Russo und Frank Hartmanns Text über Öffentlichkeit, Medientechnik und –struktur und die Frage, wer denn nun den Denk- und Wahrnehmungsraum konstituiert. Der Schwerpunkt beginnt mit einem einleitenden Artikel von Roland Schöny.
Das nächste Heft erscheint pünktlich (versprochen!) Anfang April 2006 mit dem Schwerpunkt Public Brands.
Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.