Editorial dérive 24
Der Themenbereich „Sicherheit/Angst“ begleitet dérive seit der ersten Ausgabe. Zuletzt haben wir uns in Heft 12 ausführlich mit der „Politik der Angst“ beschäftigt, die nach wie vor zum Standardrepertoire populistischer PolitikerInnen gehört. Der Schwerpunkt dieser Ausgabe trägt den Titel Sicherheit: Ideologie und Ware und beginnt mit einem Artikel von Peter Marcuse, der darlegt, wie in den USA seit 9/11 mit der Manipulation der Bedrohung durch den Terror Politik gemacht wird. Es gelingt Marcuse, ohne tatsächliche Gefahren zu verharmlosen, detailliert – zum Beispiel anhand der Proteste gegen den Republikanischen Parteitag, der 2004 in New York stattgefunden hat – aufzuzeigen, wie klassische Bürgerrechte beschnitten und unterdrückt werden.
Es folgt ein Beitrag von Alexander Hamedinger, der die Redaktion dieses Schwerpunktes innehatte. Ausgehend von der Diskussion des Begriffs governance (siehe dazu auch Manfred Russos Artikel Governance durch Community im letzten Heft), der für Hamedinger „den Wandel der Staatlichkeit, weg vom keynesianischen Wohlfahrtsstaat hin zum aktivierenden Staat, beschreibt“, zeigt er die Strategien der Sicherheitsdienstleister, sich der demokratischen Kontrolle zu entziehen. Gleichzeitig betont er, dass sich der Staat als Akteur keineswegs verabschiedet, sondern mittels Re-Regulierungen versucht, den „erweiterten Staat“ zu stabilisieren. Volker Eick analysiert in seinem Beitrag die Sicherheitsbranche, die sich – wenig verwunderlich – in erster Linie für möglichst hohe Profite und nicht für Grundrechte interessiert. Besonders besorgniserregend ist, „dass kommerzielle Sicherheitsdienste heute auch an der (Re)Definition dessen beteiligt sind, was als ein sozialpolitisches und was als ein sicherheitspolitisches Problem zu diskutieren“ ist.
Günter Stummvoll setzt mit einem Artikel über den Wiener Karlsplatz zwischen Drogenszene, Schutzzone und Kunstplatz fort. Die am Karlsplatz erstmals in Österreich eingerichtete „Schutzzone“ untersagt Angehörigen der Drogenszene den Aufenthalt in einem genau definierten Bereich. Im anschließenden Interview mit Uwe Hincziza, dem Leiter des Wiener Sozialprojekts Streetwork, erfahren wir von den konkreten Auswirkungen dieser Maßnahme, dem alltäglichen Umgang damit und der Bedeutung des Karlsplatzes für die Drogenszene.
Den Abschluss des Schwerpunktes bestreitet Peter Jordan mit einem Text über Singapur, der jene subtilen Methoden aufzeigt, mit der es der regierenden People’s Action Party (PAP) ohne großes Aufsehen – jedoch mit drakonischen Strafen und umfassender sozialer Kontrolle – gelingt, die eigene Herrschaft zu garantieren und das Bild einer sicheren Stadt in die Welt zu transportieren.
Nach dem Insert von Klub Zwei schließt der diesmal besonders umfassende Magazinteil mit Beiträgen über Sofia, die South Central Farm in LA und Space Invader, mit einem Nachruf auf Jane Jacobs, einer Projektpräsentation von KEUK (in der ein drittes Mal in diesem Heft der Wiener Karlsplatz im Zentrum steht) und einer Kritik des neoliberalen Bildungsbegriffs von Anita Aigner an. Nicht fehlen darf natürlich eine neue Folge von Manfred Russos Serie zur Geschichte der Urbanität, diesmal: Der Flaneur. Aus Platzgründen konnten wir die Besprechung der Ausstellung Hala Elkoussy Peripheral (and other stories) von Patricia Deiser nicht mehr im Heft unterbringen. Sie ist auf unserer Website www.derive.at nachzulesen.
Zum Abschluss möchte ich mich bei den zahlreichen TeilnehmerInnen an unserer LeserInnenbefragung bedanken. Die Auswertung wird derzeit durchgeführt, die Preise versenden wir in den nächsten Tagen. dérive 25 erscheint Anfang Oktober mit dem Schwerpunktthema „Mobilität“.
Einen schönen Sommer wünscht
Christoph Laimer
Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.