Christoph Laimer

Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.


Wer in der letzten Ausgabe von dérive gelesen hat, dass wir anstreben die coolste und angesehenste Zeitschrift Europas zu werden und dabei müde gelächelt hat, bzw. sich gedacht hat, die spinnen die DérivlerInnen, dem und der kann an dieser Stelle mitgeteilt werden, dass es erste Erfolge und zwar in der Kunstwelt zu vermelden gibt. Zu behaupten, dérive würde bei der Biennale in Venedig ausgestellt, entspräche zwar nicht ganz der Wahrheit, aber so fremd sind die Federn auch wieder nicht, mit denen wir uns schmücken. Andreas Fogarasi, verantwortlich für die grafische Gestaltung von dérive und Redakteur von zwei Schwerpunktheften – Argument Kultur (Heft 6) und Visuelle Identität (Heft 23) – ist mit seinem Beitrag „Kultur und Freizeit“ Vertreter Ungarns bei der Biennale (www.biennale07.hu), wozu ihm auf diesem Wege noch einmal herzlich gratuliert werden soll.

Wer daran denkt, Mitte August die documenta in Kassel zu besuchen und immer schon wissen wollte, wie dérive gemacht wird und wer diese Zeilen hier schreibt, hat gute Chancen auf beide Fragen eine Antwort zu bekommen. Arch+ hat uns freundlicherweise zu The Making of your Magazines eingeladen, d.h. Sie geneigte/r Leser/in sind herzlich eingeladen dérive im KulturBahnhof Kassel zu besuchen.

Zum aktuellen Heft: Entsprechend der Jahreszeit haben die meisten Artikel dieser Ausgabe eine Länge, die nicht für eine Straßenbahnfahrt sondern für den Aufenthalt im Liegestuhl optimiert sind. Denn Beginn macht Christian Teckert mit einem Beitrag über Standortproduktionsindustrien – den so genannten Keiretsus in Japan. Als zentrales Beispiel dient ihm dafür Tokyu, ein Konzern der seit mehreren Jahrzehnten konsequent das Ziel verfolgt, zwar nicht die Weltherrschaft an sich zu reißen, aber immerhin einen Stadtteil Tokyos mitsamt seinen BewohnerInnen. Und das ist ihm bereits überzeugend gelungen.

Henrik Lebuhn analysiert mit seinem Artikel Neoliberale Technokratie und Stadtpolitik die Herrschaftsfunktion von New Public Management am Beispiel Berlins. Mit New Public Management -Reformen wird – neben der üblichen Ökonomisierung von Stadtpolitik durch wettbewerbs- und standortpolitische Maßnahmen bei der Investition öffentlicher Mittel – auf eine Ökonomisierung der öffentlichen Institutionen selbst abgezielt. Besonders unter Druck geraten in Berlin dadurch ökonomisch bisher noch nicht verwertete öffentliche Räume.

Robert Temel umreißt mit seinem Beitrag Planung in der Stadtlandschaft eine Thematik, die viele wichtige Fragen aufwirft und bisher trotzdem wenig Beachtung fand. Der überraschende Verkaufserfolg und die breite Berichterstattung über Reinhard Seiß´ Buch Wer baut Wien eröffnet vielleicht die Chance, mehr Aufmerksamkeit für eine intensive Auseinandersetzung zu erreichen. Die Österreichische Gesellschaft für Architektur (www.oegfa.at) setzt ab Oktober mit einer Schwerpunktreihe unter dem Titel Links von Wien, die sich der Materie annimmt, fort.

Loïc Wacquant hat uns für dérive seinen Text Decivilizing and demonizing: the remaking of the black ghetto zur Verfügung gestellt, dessen erster Teil in dieser Ausgabe in deutscher Übersetzung erscheint. Thema sind die materielle Realität und der öffentliche Diskurs der Post-1960er Transformation von Amerikas schwarzem Ghetto als das Ergebnis zweier zusammenhängender Prozesse. Der erste dieser Prozesse ist die Entzivilisierung im Sinne Norbert Elias’, eine Folge des Rückzugs des Staates aus den Ghettos der Schwarzen und der darauf folgenden Erosion des öffentlichen Raumes und der sozialen Beziehungen in den urbanen Zentren.

Stadt-Beschreibungen – Texte im urbanen Raum – stehen diesmal im Zentrum von Daniel Kalts Serie über Kunst im öffentlichen Raum und die zweite dérive-Serie, Manfred Russos Geschichte der Urbanität setzt mit dem zweiten Teil zur Utopie fort. Ein Auszug aus Thomas Ballhausens demnächst erscheinendem Roman Die Unversöhnten bereichert das Spektrum dieser Ausgabe um einen literarischen Text.

In der Hektik der Produktion der letzten Ausgabe von dérive ist ein Fehler passiert, der dazu führte, dass Michael Blums Kunstinsert Istiklal Allee (bis 2066) mit zu geringer Auflösung gedruckt wurde. Das Insert liegt dieser Ausgabe noch einmal – und zwar als Plakat in einwandfreier Qualität – bei. Einen schönen Sommer wünscht

Christoph Laimer


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