Christoph Laimer

Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.


84 Seiten hat diese Ausgabe von dérive und ist damit das umfangreichste dérive, das je erschienen ist. Wir haben die zusätzlichen Seiten aber nicht ausschließlich dazu genutzt, um noch mehr Texte unterzubringen, sondern diesmal auch mehr Platz für Fotos eingeräumt. Der von Christa Kamleithner redaktionell betreute Schwerpunkt Gouvernementalität wird von einer Fotoseri­e begleitet, die aus dem Projekt Videotaxi / Ganz wie zu Hause von Margit Czenki und Christoph Schäfer stammt, das letzten Herbst auf der Hamburger Veddel realisiert wurde. Mehr darüber auf Seite 32.

Der von Michel Foucault geprägte Begriff der Gouvernementalität und dessen aktuelle Interpretation von Nikolas Rose waren für Christa Kamleithner Ausgangspunkt für die Konzeption des Schwerpunktes, der diese Theorien für die Stadt- und Raumplanung aufbereiten möchte. Rose stellt sein Konzept Regieren durch Community u. a. in dem Text Governing Cities, Governing Citizens dar, den wir (leicht gekürzt) aus Engin F. Isins Band Democracy, Citizenship and the Global City übernommen haben. Kamleithner zeichnet in ihrem einleitenden Beitrag Planung und Liberalismus die Planungsgeschichte inklusive des Selbstbildes der Planung nach, der Schwerpunkt liegt dabei auf den liberalen Anfängen der Planung und der gegenwärtigen, durch neo­liberale Selbstaktivierungs- und -optimierungsforderungen geprägten Ausformung.

Susanne Krasmann, Soziologin in Hamburg, stellt Foucaults Forschungen zur Gouvernementalität vor, in denen er zeigt, „wie die Regierung sich historisch als ein spezifischer Machttypus etabliert, zeitgleich mit der Herausbildung der politischen Ökonomie als einem eigenständigen Wissenschaftsgebiet und der Bevölkerung als einem spezifischen Interventionsfeld der Regierung.“ Boris Michel, Autor des Buches Stadt und Gouvernementalität, und Fabian Kessl, Mitherausgeber des Buches Territorialisierung des Sozialen, geben einen Überblick über das Thema und beschäftigen sich insbesondere mit den räumlichen Neuordnungen, die mit den neuen Regierungsformen verbunden sind.

Stephan Lanz lotet Chancen und Risiken des mit Erwartungen meist überladenen Quartiersmanagements aus, das ein schönes Beispiel von Regieren durch Community darstellt. Ähnliche falsche Hoffnungen weckt das Modell der Regionalisierung, dem sich Uwe Kröcher in seinem Beitrag Vom Hoffnungsträger zum Wettbewerbshüter. Die Entdeckung der Region als Instrument neoliberaler Wirtschaftspolitik annimmt. Albrecht Göschel und Dirk Schubert beschäftigen sich mit neuen Formen von Stadtplanung und -politik, einmal anhand des Forschungsverbundes Stadt 2030 einmal am Beispiel Hamburg, das sich als „Wachsende Stadt“ versteht. Diese neuen Formen stehen deutlich im Zeichen eines zunehmenden Städtewettbewerbs, der wesentlicher Bestandteil gegenwärtiger Gouvernementalität ist.

Neben dem Schwerpunkt, dem Besprechungsteil, dem Kunstinsert und der Serie Geschichte der Urbanität, die sich diesmal Patrick Geddes Biopolis annimmt, gibt es eine Beitrag über Die Bauordnungen des 19. Jahrhunderts und ihre Auswirkungen auf das Stadtbild und die Stadtgestalt von Wien, den Harald Stühlinger für dérive verfasst hat.

Zum Abschluss möchte ich noch auf Andreas Fogarasis Ausstellung im Wiener MAK hinweisen, die vom 9. April bis zum 14. September zu sehen sein wird. Die nächste Ausgabe von dérive erscheint Anfang Juni und knöpft sich die Auswirkungen von Sportevents wie der Fußball-EM auf die Stadt und ihre BewohnerInnen vor.


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