Christoph Laimer

Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.


Mit dieser Ausgabe von dérive feiern wir ein kleines Jubiläum: Manfred Russos Serie Geschichte der Urbanität ist vor genau zehn Jahren in Heft 7 zum ersten Mal erschienen. Der Titel der ersten Folge lautete »Die hellenische Entdeckung des Urbanen«. Die Serie, mit der wir mittlerweile bei Folge 36 halten, zählt zu den beliebtesten Bestandteilen von dérive wie uns zahlreiche Reaktionen aus der Leserschaft immer wieder . Seit letztem Sommer entfaltet sie ihr komplexes Netzwerk des Urbanen zudem auch bei dérive - Radio für Stadtforschung regelmäßig – in komprimierter Fassung für alle Liebhaber des Auditiven zum Online-Hören oder zum Download für Unterwegs. In den Printausgaben von dérive ist Manfred Russo mittlerweile in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts angelangt, in der aktuellen Folge ist bereits von Ereignissen der 1990er-Jahre die Rede, die Gegenwart ist also nicht mehr fern. Doch keine Sorge: Es sind bestimmt noch einige Umwege, Abschweifungen und damit Folgen zu erwarten, bis die Geschichte irgendwann an ihr unweigerliches Ende kommen wird. An dieser Stelle jedenfalls ein großes Dankeschön an Manfred Russo für die ersten zehn ebenso spannenden wie erkenntnisreichen Jahre. Die aktuelle Folge der Geschichte der Urbanität widmet sich das zweite Mal dem Thema Postmoderne – Stadt und Angst. Diesmal geht es um die Edge City.
Den Schwerpunkt dieser Ausgabe von dérive mit dem schönen Titel Ex-zentrische Normalität: Zwischenstädtische Lebensräume verdanken wir einer Gruppe von Architektinnen und Architekturwissenschaftlerinnen (Andrea Benze, Carola Ebert, Julia Gill, Saskia Hebert), die sich mit dieser Thematik schon längere Zeit umfassend beschäftigen.
Der Hauptteil des Schwerpunkts besteht aus Texten der vier Schwerpunktredakteurinnen, von denen zwei einen städtebaulich-räumlichen Ansatz haben und die beiden anderen sich architektonischen Fragestellungen (Bungalow, Fertighaus) widmen. »Allen ist gemein, dass sie jeweils einen räumlich wie im Hinblick auf seine gesellschaftliche Relevanz detailliert betrachten.« In einem zweiten Teil thematisieren Susanne Hauser und Iris Reuther »die Untersuchungen (nicht-) städtischer Orte und Bautypologien im Kontext übergeordneter Diskurse«. Mehr und genaueres über Ex-zentrische Normalität: Zwischenstädtische Lebensräume erfahren Sie im Einleitungstext ab Seite 4.
Zwei Artikel aus unserer letzten Ausgabe haben Leser und Leserinnen veranlasst, uns schriftliche Reaktionen zu schicken, denen wir gerne Platz einräumen: Ein Auslöser waren Andreas Rumpfhubers kritische Anmerkungen zu Baugruppen in seinem Text »Vienna’s Housing Apparatus and Its Contemporary Challenges: Superblock turned Überstadt«, der Teil des Schwerpunkts zum Wiener Wohnbau war. Die Reaktion von Ernst Gruber, Vorstandsmitglied der im Artikel erwähnten Initiative für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen, unter anderem die Frage, ob die von Baugruppen behauptete soziale Verantwortung für Gesellschaft und Stadt mehr ist als schmückendes Beiwerk und mehr als der Versuch sozial relativ homogener Gruppen, ihre individuellen Wohnträume möglichst günstig umzusetzen. Ein weiterer umstrittener Aspekt ist die Rolle, die Architekten und Architektinnen als Initiatoren von Baugruppen einnehmen.
Die zweite Reaktion auf die letzte Ausgabe von dérive ist eine über einen kritischen Begriff in der Krise«: Roman Seidl, Justin Kadi und Mara Verlic sehen in Ihrer Replik auf Hubers Artikel, die im Magazinteil zu lesen ist, dessen Versuch einer und hoffe, dass zu beiden Themen noch nicht das letzte Wort gesprochen und geschrieben ist, und empfehle in beiden Fällen, auch die jeweils kritisierten Artikel in dérive 46 (noch einmal) zu lesen. Wir freuen uns über eine Fortsetzung der Diskussionen.
Auf besonderes Interesse sind auch die dérive-Radio- sendungen der letzten Monate gestoßen, was uns sehr freut. Eine Vielzahl von Downloads und Streams pro Sendung zusätzlich zur Ausstrahlung auf mehreren Radiostationen zeigen, dass dérive – Radio für Stadtforschung als eigenständiges Format eine weitere Ebene für die Auseinandersetzung mit dem Urbanen eröffnet hat. Wer unsere Sendungen noch nicht kennt, kann im Online-Archiv (http://cba.fro.at/series/1235/) alle Beiträge jederzeit nachhören. Themen der letzten Sendungen waren der Wiener Wohnbau und seine Leistbarkeit, Kairos informelle Siedlungen und ihre Bedeutung für die Revolution im Arabischen Frühling und der Mitschnitt eines urbanize! Festival Vortrages von Klaus Ronneberger über Henri Lefebvre. Tune in!
Zurück zum Heft: Im Magazinteil gibt es nach längerer Zeit wieder einmal ein Stadtporträt zu lesen. Sebastian Prothmann stellt Ghanas Hauptstadt Accra vor, die stark von der Globalisierung geprägt ist, was sich durch Konsumverhalten aber auch in Wohnformen wie Gated Communities zeigt. Der zweite Magazin-Beitrag ist ein Interview mit Luis Fernandez, Autor bzw. Mitautor der Bücher Policing Dissent. Social Control and the Anti-Globalization Movementund Shutting Down the Streets. The Social Control of Global Dissent, deren Titel den Inhalt des Gesprächs, das Volcker Eick und Kendra Briken mit ihm geführt haben, gut umreißen. Eine ausführlichere Version dieses Interviews ist übrigens auf http://www.derive.at nachzulesen.
Die nächste Ausgabe von dérive, die Anfang Juli erscheinen wird, untersucht die Auswirkungen und Herausforderungen des Klimawandels auf die Stadt.

Eine anregende Lektüre wünscht

Christoph Laimer


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