Gemeinschaftsgärten in New York
Besprechung von »Unter dem Müll der Acker. Community Gardens in New York City« von Elisabeth Meyer-RenschhausenElisabeth Meyer-Renschhausen
Unter dem Müll der Acker
Community Gardens in New York City
Königstein: Ulrike Helmer Verlag, 2004,
176 Seiten m. Abb. 17,95 EUR
Gärten in der Stadt? Gar in der Metropole New York? Geht das? Dass und wie es geht, zeigt Elisabeth Meyer-Renschhausen in ihrem in Form einer Reportage gehaltenen Buch. Die Autorin ist Privatdozentin an der FU Berlin, sie ist und war viele Jahre in der Frauen- und Umweltbewegung aktiv sowie u. a. als Gastprofessorin für Frauenforschung an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt- Universität Berlin tätig. Der Blick in die USA ist aufschlussreich und womöglich, so die Autorin, auch für Europa wegweisend: In New York City gibt es um die 800 so genannte community gardens, die von Nachbarschaftsinitiativen gemeinsam bewirtschaftet werden. Wie in New York werden in immer mehr Metropolen der Welt innerstädtische Brachen in bunte, üppige und ertragreiche Gemüsegärten verwandelt. Es sind vor allem Frauen (in New York sind konkret zwei Drittel aller GemeinschaftsgärtnerInnen Frauen), die hier Gemüse und Blumen anbauen – aus Freude am gemeinsamen Tun und als Schritt zu einer »Ernährungs-Wende«. Arbeitslose helfen sich auf diese Weise durch Gärtnern und Gemüseverkauf, Nachbarschaftsgemeinschaften pflanzen für Suppenküchen, auf neu gegründeten Wochenmärkten werden die Produkte angeboten.
In den USA soll es insgesamt 6000 solcher community gardens in 38 Städten geben. Doch die Kommunalverwaltungen sind unentschieden, ob sie die Eigenarbeit von engagierten Bürgerinnen und Bürgern fördern (wie in New York durch die Behörde Green Thumb) oder nicht besser den Stadthaushalt durch den Verkauf der Brachen aufbessern sollen. Der Streit um das Recht auf community gardening bewegt gerade GhettobewohnerInnen, sich (umwelt-) politisch zu engagieren und bewirkt so auch eine soziale Integration. Meyer- Renschhausen gelingt eine verblüffend plastische Schilderung dieser außergewöhnlichen Projekte. Die Gemeinschaftsgärten werden im Zusammenhang von Gentrifizierung, rassistischer Segregation und urbaner Ernährungskultur diskutiert, als Modelle politischer Aktion und als sozialökonomische Subsistenzprojekte vorgestellt. Sie sind ein kleines Beispiel für die in der Bewegung gegen die globalen Konzerne vieldiskutierte »Wiederaneignung der commons«. Etwas unklar und im Buch auch unterbelichtet bleiben zwei Dinge: zum einen die Fortschreibung traditioneller Geschlechterrollen in den Gartenprojekten – sind doch auch dort Frauen wieder einmal für das Sorgende zuständig. Zum anderen inwiefern die Gärten nur ein billiges Mittel sind, den autoritären Umbau des Staates zu kaschieren – und sich so gut in das Konzept der nachhaltigen Entwicklung einfügen, ein Konzept, um das vor Jahren in der Umwelt- und Internationalismusbewegung solch vehemente Debatten geführt wurden, dass man sich heute in einem ökologie- und stadtpolitischen Kontext nicht mehr so uneingeschränkt positiv darauf beziehen kann, wie es die Autorin tut.
Elisabeth Meyer-Renschhausen
Unter dem Müll der Acker
Community Gardens in New York City
Königstein: Ulrike Helmer Verlag, 2004,
176 Seiten m. Abb. 17,95 EUR
Bernd Hüttner ist Politikwissenschaftler und Referent für Geschichtspolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.