Geteilte Zuversicht
Kunstinsert von Iris AndraschekIm Jahr 2003 zeigten Iris Andraschek und Hubert Lobnig Cement Gardens in der Kunsthalle Exnergasse. Die KünstlerInnen verfolgten dabei – wie oft in ihrer Arbeit – ländliche Idyllen, die in den Abgrund kippen, und aus dem (städtischen) Alltagskontext ausgelagerte Utopien. Recherchen von Hubert Lobnig zeigen konkrete Versuche, doch noch Orte zur Realisierung von Träumen zu finden, während Iris Andraschek die Brüchigkeit von Beziehungsgeflechten in ihren Fotoinszenierungen freilegt, in welche sie oft Personen aus ihrem persönlichen Umfeld involviert. Diskretes und Persönliches werden dann im Einvernehmen mit den handelnden Personen in ein neues Konstrukt übertragen, das mit der Ambivalenz zwischen Verstörung und Faszination des perfekt inszenierten Bildes arbeitet.
In ihrer kürzlich zu Ende gegangenen Ausstellung Herumkurven im Kunstraum Lakeside benutzten die KünstlerInnen einen Roboter, der für konkrete Aufgaben auf dem Uni-Campus entwickelt wurde. Die „perfekt inszenierten Bilder“ nimmt hier inzwischen der Roboter bei Kamerafahrten auf dem Gelände von Universität und Technologiepark auf, die er aus einer seltsamen kontinuierlichen Untersicht filmt. Das Vertraute und das Individuelle werden also an den Blick des Roboters delegiert, der aus seiner automatisierten und “neutralen“ Position das Geschehen verfolgt. Inwieweit unterscheiden sich unser Blick und unser Handeln noch von jenen eines ferngesteuerten Roboters, der ja doch nur unser verlängerter Arm ist?
Da muten die überarbeiteten Zeichnungen des Zyklus Geteilte Zuversicht von Iris Andraschek aus dem Jahr 2002 für dieses dérive-Heft ja schon fast romantisch an, zeigt die Künstlerin doch hier die Suche nach einem Ausbruch aus der Gleichgeschaltetheit. Geteilte Zuversicht beschreibt aus einer subjektiven Perspektive heraus kleine Ausnahmesituationen, die vorübergehende Enthemmtheit und fast zufällige Beziehungsgeflechte freilegen: „Auf einer Esoterikmesse in einer mittelgroßen Stadt findet eine Hypnosesitzung statt; 22 Frauen und Männer werden in einer Turnhalle vor Publikum in Schlaf versetzt. Rocker auf einem Motorradtreffen spielen die für drei Tage perfekt durchorganisierte Rebellion. Ein Ort wird ausgelagert, alle Einwohner erhalten ein Ticket für ein Ferienwochenende irgendwo. Der Platz wird frei gemacht für eine Gruppe, die vor zwanzig Jahren noch Furcht einflößte, und jetzt als Wirtschaftsressource genutzt wird... .“ (Hubert Lobnig)
Iris Andraschek legt den Fokus auf Gleichschaltung, Optimierung und Effizienz – Aspekte, die längst von der Ausnahmesituation der Maschine auf den Menschen übertragen werden – und hinterfragt somit die Grenzen des Menschen als soziales Konstrukt: „geteilte Zuversicht“.
Iris Andraschek
Paul Rajakovics ist Urbanist, lebt und arbeitet in Wien.