Susanne Karr


Eine Stadt voller Design, das versprach die Design Week im Oktober für Wien. Und tatsächlich gab es jede Menge zu sehen und zu erfahren, zu hören und zu feiern. Die Design Week wurde von der Neigungsgruppe Design heuer zum dritten Mal veranstaltet. Dabei stellen die selbst aus dem Design-Millieu stammenden InitiatorInnen Tulga Beyerle, Lilli Hollein und Thomas Geisler den expliziten Anspruch, dem Design in Wien eine größere Plattform zu schaffen und dessen Stellenwert ins Licht zu rücken.

Einige Veranstaltungen fanden ihren Spielort bei der Kooperationspartnerin Universität für angewandte Kunst, im MAK oder in der Expositur. Weitere Austragungsorte waren das Palais Liechtenstein, das Museumsquartier, das designforum Looshaus, der Ofroom in der Taborstraße, die Kunsthalle Exnergasse, das Filmarchiv Austria, das Geymüllerschlössl, die Volksgarten Banane und viele Design- und Modeläden. Das Programm: Präsentationen, Vorträge, Feste, Spaziergänge, Workshops, Ausflüge, Diskussionen, Essen, Installationen. Ein reichhaltiges Angebot, das zeigt, wieviel der Begriff Design beinhaltet – von der Neugestaltung des Trinkglases bis zum Self-check-in-Terminal für den Flughafen, vom x-ten Tisch zu architektonischen Raum-Überlegungen und Bearbeitungen, die sich selbst als „undiszipliniert“ betitelten und ausstellen ließen.

Das barocke Entrée und die Sala terrena des Palais Liechtenstein boten zur Eröffnung der Design Week einen Rahmen, der vermuten ließ, Design sei in Wien auf der Werteskala ganz oben angekommen. Vor dem Palais: VTOL (vertical take off and landing), eine schwebende Welle vom Designerduo Kram/Weishaar. Im hinteren Schlosspark: ein Gartenhaus von CAAD (computer aided architectural design) der ETH Zürich. Im Palais: Bar, Buffet und Menschenmengen, nicht zu vergessen der auf der Designweek allgegenwärtige Hocker plopp von Oskar Zieta.

Die Programmreihe Passionswege brachte junge DesignerInnen mit Wiener Traditionsbetrieben zusammen. Der Plan: „Zehn DesignerInnen bzw. Designteams, in diesem Jahr zur Hälfte aus Österreich, zur Hälfte international, werden eingeladen, um in Wiener Geschäftslokalen ortsspezifische Installationen zu schaffen. Da es sich zum Teil um produzierende Betriebe handelt, werden mitunter ganz neue Produkte entstehen.“ Entweder bestückten also DesignerInnen traditionelle Geschäftslokale, etwa bei den Juwelieren Köchert am Neuen Markt oder gar Augarten, mit ihren Interventionen. Oder es kam tatsächlich zur Mitbenutzung der Werkstätten. Der etwas irreführende Titel bezieht sich freilich nicht auf Leid, sondern auf Leidenschaft, die für Design nämlich, in deren Zentrum „die Offenheit für das Experiment, für die Abweichung“ steht.

Über mangelnde Offenheit konnte man sich bei den Vorträgen nicht beklagen: Karim Rashid präsentierte mit Future Design Thinking sowohl in Anzahl als auch Originalität beeindruckende Designobjekte, die seinen Ansatz, die Kreation entstehe jedes Mal aus dem Wunsch, etwas zu verbessern, unterstrichen. Und zwar immer auf der Höhe der Zeit – was Material und Form betrifft. Hohn und Spott hatte er nur übrig für alles, was sich als Retro-Design bezeichnet. Es gehe darum, den Geist, den Geschmack und die Sehnsucht des Augenblickes zu bannen und ihm eine Form zu verleihen. The time is always now, möchte man ergänzen.

Außerdem: Antenna Design, New York, deren Arbeitsbereich sich von user-orientierten Alltags-Geräten wie dem Self-check-in-Terminal bis zu künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum erstreckt. Wie etwa dem Vorschlag, im von anti-tobacco-hystery-getriebenen New York Plattformen auf den Gehwegen einzurichten, die mithilfe von Leitern erreichbar sind. Oben kann dann in Ruhe geraucht und obendrein vielleicht sogar Kontakt zu anderen RaucherInnen geknüpft werden. Eine multifunktionale Installation, die nicht zuletzt auch den Aspekt der Beziehungslosigkeit des 21.-Jahrhundert-Stadtmenschen beinhaltet – ein wiederkehrendes Thema der Arbeiten von Antenna Design.
Schließlich gab es auch international besetzte Diskussionsrunden, die sich den Voraussetzungen für gutes Design widmeten, etwa in Bezug auf die Vertiefung eines Design-Bewusstseins, das über reinen Lifestyle und Dekorationswert hinausgeht. Thema Bildung also, designing education. Schon der bewusst doppeldeutige Titel führte eines der Probleme vor: Um ein Bewusstsein für Design zu erwerben – etwa als SchülerIn – müsste in den Bildungseinrichtungen Konsens darüber bestehen, dass Design, und im weiteren Sinne die Gegenstände, die sich damit befassen, wie Kunst- und Werkerziehung, „wertvolle“ Gegenstände sind. Derzeit sind diese Fächer in der Hierarchie ja zu unterst zu finden, nach den Naturwissenschaften und Sprachen. Eine Hierarchie, die in der Zeit der industriellen Revolution entstand und damals möglicherweise sinnvoll war. In einer Gesellschaft, die sich von der Produktions- zur Wissensgesellschaft hin bewegt, wäre es aber durchaus denkbar und sinnvoll, Kreativität als skill aufzuwerten, und das bedeutet: Alles, was mit Problemstellungen zu tun hat, die mehr als eine mögliche Antwort haben können, soll gefördert werden.

Am Wochenende darauf folgte die Blickfang-Designmesse im MAK, die den auf der Design Week präsentierten noch etliche DesignerInnen hinzugesellte, auch aus den anderen Stationsorten der Messe in Japan, der Schweiz und Deutschland.

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Vienna Design Week
2. bis 12. Oktober 2008
www.viennadesignweek.at


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