» Texte / Kommentar zur Diskussion um die Öffnung der Gemeindebauten in Wien für NichtösterreicherInnen

Christoph Laimer

Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.


Vor wenigen Wochen hat die SPÖ ihre jahrelang eisern durchgezogene Die-Leute-wollen-das-nicht-Haltung aufgegeben und sich für eine partielle Öffnung der Gemeindebauwohnungen für Menschen ohne rot-weiß-roten Pass ausgesprochen. (Wohnbaustadtrat Feymann spricht in der Kronenzeitung (23.09.2000) statt »Öffnung für Ausländer« lieber von einem »behutsamen Programm für Spekulationsopfer«, wohl um die Krone-LeserInnen nicht zu sehr zu verschrecken.) Der gebetsmühlenartig vorgebrachte Satz: »Die Leute wollen das nicht!« sollte in den letzten Jahren darüber hinwegtäuschen, dass es keine wirklichen Argumente für die Weigerung gab. SPÖ-PolitikerInnen war es stets wichtiger, den rassistischen Vorurteilen ihrer (potenziellen) WählerInnen entgegenzukommen, als eine einem demokratischen Rechtsstaat würdige Regelung zu treffen. Die Tatsache, dass die MigrantInnen hierzulande genauso Steuern zahlen wie die BesitzerInnen von österreichischen Pässen, und somit genauso dazu beitragen, dass die diversen Töpfe gefüllt werden, war der SPÖ nie ein Thema, zumindest was die öffentlichen Stellungnahmen betrifft.. Genauso wie ihre VertreterInnen in der Mehrzahl keine Probleme dabei hatten, oder wenigstens öffentlich keinen Gedanken daran verschwendeten, in die Nähe welcher Maßnahmen sie sich mit dem Ausschluss von MigrantInnen begab.

Kündigungsgrund »Nichtarier«

Ab 1938 wurden von den Nazis 2058 jüdische MieterInnen aus ihren Gemeindewohnungen delogiert. Nicht zuletzt, weil etliche der lieben NachbarInnen das so wollten. BewohnerInnen des Leopoldine-Glöckel-Hofs schrieben an die damals zuständige MA 21, dass sie sich »gegen ein Zusammenleben wehren«, weil »es sich um eine derart unsaubere Familie handelt, deren Ungeziefer die benachbarten Wohnungen belästigt.« Damals lautete der Kündigungsgrund »Nichtarier«, bis vor kurzem lautete der Verweigerungsgrund »Nichtösterreicher«. Insgesamt wurden von den Nazis 70.000 Wohnungen »arisiert«, zurückgegeben wurden nach 1945 ganze 100. Als auch die Wiener ÖVP immer mehr eine Öffnung zumindest eines Teils der Gemeindebauwohnungen verlangte, suchte der Wiener Bürgermeister Häupl, der seine Einstellung plötzlich nur mehr mit der FPÖ teilte, nach neuen Argumenten. Nach einem Parisbesuch ließ er die Presse wissen, wohin die Öffnung der Gemeindewohnungen führen könne: »Ein kleiner Besuch in den Vororten von Paris zeigt, dass das zur Zerstörung des sozialen Wohnbaus führen kann.« Damit tat er so, als wäre nicht die französische Wohnungs- und Sozialpolitik oder die rassistische Klassengesellschaft an dem Elend der Banlieus Schuld, sondern die EinwanderInnen.

Dekonzentration

Was Bürgermeister Häupl als langjährigen Gegner einer Öffnung der Gemeindebauten für MigrantInnen mit den BefürworterInnen dieser verbindet, ist der Wunsch nach Dekonzentration. Hinter diesem Wunsch steht die eigenartige Vorstellung, es gebe einen bestimmten Prozentsatz von MigrantInnen, der, wenn er in einem Viertel überschritten wird, zu Problemen führt. Nicht die schwache rechtliche und soziale Stellung der MigrantInnen, die es MaklerInnen leicht macht, ihnen miese Wohnungen zu überhöhten Mieten zu verkaufen oder eine rassistische Gesetzgebung, die zu einer Ethnisierung des Arbeitsmarktes führt - was wiederum heißt, dass Menschen ohne österreichischen Pass die am schlechtesten bezahlten Jobs bekommen -, seien die Ursachen der schlechten Lebensbedingungen in bestimmten Vierteln und Bezirken. Nein, die Zahl der Menschen in deren Pass nicht »Österreich« steht, seien das Problem, sind sich die meisten BefürworterInnen und GegnerInnen der Öffnung der Gemeindebauten einig. IHS-Migrationsexperte Rainer Bauböck ist »für eine gleichmäßigere Verteilung der Ausländer im Stadtgebiet (...) um eine Ghettobildung zu vermeiden.« (Kurier 28.04.1998) Karl Wurm, Obmann des Verbandes der Gemeinnützigen: »Der Ausländeranteil in einer Wohnhausanlage sollte aber 15 bis 20 Prozent nicht überschreiten. Sonst gibt es Konflikte.« (Kurier 28.02.1998) Bernhard Görg in einem Kurier-Interview auf die Frage, ob er auf die Öffnung der Gemeindebauten für »Ausländer« besteht: »Ja. Das bringt langfristig eine bessere Verteilung.« (25.11.1999) Max Koch, SOS-Mitmensch und ehemaliger Leiter des Integrationsfonds: »Solange Wien die Gemeindebauten nicht für Ausländer öffnet, wird es weiterhin eine hohe Konzentration in bestimmten Wohngegenden und bestimmten Schulen geben.« (Kurier 09.06.2000) Alfred Gusenbauer in einem Kurier-Interview auf die Frage ob die Gemeindewohnungen für »Ausländer« geöffnet werden sollen: »(...) Man müsste den gesamten Wohnungsmarkt einbeziehen, etwa durch sozial gestaffelte Wohnungsbeihilfen für In- und Ausländer, egal ob sie in Gemeindebau, Althaus oder Genossenschaftswohnung sind. So gäbe es die Streuung des Neuzuzugs.« (Kurier 27.08. 2000) In der Argumentation erinnert der Diskurs rund um die hohe Konzentration von MigrantInnen in bestimmten Teilen der Stadt an die im 19 Jahrhundert verbreitete Angst vor der ArbeiterInnenklasse. Vieles was heute MigrantInnen aus bestimmten Regionen zugeschrieben wird (mangelnde Hygiene, Faulheit, Kriminalität etc.), wurde vor nicht allzu langer Zeit den BewohnerInnen von ArbeiterInnenvierteln nachgesagt.
Die meisten BefürworterInnen und GegnerInnen einer Öffnung der Gemeindebauwohnungen haben ein und das selbe Ziel: Nicht-Sichtbarkeit bzw. Verschwinden der Anderen. Die Forderung nach einer Öffnung der Gemeindebauten für alle in Wien lebenden (bedürftigen) Menschen ist eine rechtliche Forderung. Die Verbindung dieser Forderung mit einem Wunsch nach Dekonzentration und ähnlichem ist nicht mehr und nicht weniger als die Sehnsucht nach einer homogenen Gesellschaft, die keine Abweichung von welcher Norm auch immer will.


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