können wir jetzt endlich einmal über musik sprechen...??!!
unter diesem titel veröffentlichte luka skywalker, damals musikerin, dj und radioaktivistin beim freien sender kombinat aus hamburg, ihren artikel in der gender-ausgabe (heft acht) des magazins testcard – beiträge zur popgeschichte. damals (2000) schrieben die herausgeberInnen im vorwort davon, wie brisant das thema frauen und popmusik sei. wütende und engagierte frauen wollen es nicht mehr akzeptieren, dass popmusik und auch das schreiben darüber überwiegend von männern betrieben wird, in einer art und weise, die frauen häufig von der teilnahme ausschließt oder sie nur dann akzeptiert, wenn sie den vom männlichen blick geprägten klischee entsprechen.
ein grund für die thematische fokussierung der testcard auf die gender-debatte, die sich nicht nur als quotenforderung verstehen will, sondern die konstruktion gängiger geschlechterbilder und sozialisierter männlich-weiblicher verhaltensmuster überdenkt, war der einstieg der feministischen poptheoretikerin tine plesch aus nürnberg, die im november diesen jahres im alter von 45 jahren plötzlich verstorben ist. ihr herausgeberkollege martin büsser schreibt im nachruf auf tine plesch: »Ein Teil ihrer menschlichen Größte bestand darin, stets genau zu differenzieren, feministischen Floskeln und Ausgrenzungsmechanismen zu misstrauen und damit ,Gender‘ als Infragestellung männlicher wie weiblicher Geschlechterrollen zu betrachten. ,Mann‘ und ,Frau‘ waren für sie nie essenzialistische Kategorien. Sie waren abhängig von gesellschaftlichen Gegebenheiten und jener Bequemlichkeit von Rollen, in die sich Tine selbst nie gefügt hat.«
ich habe tine plesch zweimal getroffen. einmal in hamburg beim symposium »musikerinnen & öffentlichkeit« im november 1999. diskussionsbeiträge zu diesem symposium und das erscheinen der gender-testcard markierten für mich so etwas wie eine aufbruchstimmung. vernetzung war angesagt und wurde forciert. electric indigo, die auch eingeladen war, stellte ihre female pressure-datenbank (sammlung weiblicher musikerinnen und djs) vor, über deren zugehörige mailingliste nicht nur (aber auch als wichtiger bestandteil) parties und auftritte angekündigt, sondern hin und wieder handfeste debatten über feminismus, präsentation, rollen und stereotype, skills etc. geführt werden. auch wenn manche argumente von der häufigkeit des gebrauchs einer selbst schon manchmal seltsam vorkommen, zeigt sich, dass nachhaltiges arbeiten am thema und verbreiterung der strukturen – sowie reflexion und erweiterung der zuordnung der begriffe frau/mann/lesbe/transgender etc. – durchaus spannend sein können und motivieren, weiterzumachen.
in wien gibt es dazu als beispiele die frauenbanden-feste (im fz und im EKH) und das ladyfest-wien, das im frühsommer 2004, zumindest für einige tage, die stimmung in der stadt verändert hat. bei einem dieser frauenbanden-feste, im november 2002, hatte die musikerin eva jantschitsch, besser bekannt als gustav, ihren ersten live-auftritt. im herbst 2004 ziert gustav das cover der stadtzeitschrift falter, und die erste auflage ihrer cd »rettet die wale« ist ausverkauft. ein gelungenes debutalbum mit smarten texten. von gustav selbstproduziert (würde ich so etwas automatisch bei einem album, das von einem jungen mann produziert wurde, dazuschreiben?) – und bitte nicht immer nach dem mann im hintergrund fragen! und nicht immer den vergleich mit björk heranziehen! ja – zuhören bitte. musikerinnen machen musik, über die zu sprechen und zu schreiben sich lohnt.
ich bin sehr traurig darüber, dass tine plesch, die mich mit ihren texten und emails, mit ihren anregungen immer sehr motiviert hat, nicht mehr da ist. ihre neugierde, cleverness und besonnene analyse hat mich des öfteren vor meinen dogmen und unreflektierter sturheit bewahrt.
Christina Nemec