Kritisch hingeschaut!
Besprechung von »bildverbot« herausgegeben vom HerausgeberInnenkollektiv k.u.u.g.e.l.HerausgeberInnenkollektiv k.u.u.g.e.l. (Hg.)
bildverbot
Wien: Triton 2003
180 S. 16 Euro
k.u.u.g.e.l., – so die Selbstbeschreibung – eine Initiative an der Schnittstelle zwischen Politik, Theorie und Kunst, hat zwischen März und Oktober 2003 an verschiedenen Orten in Innsbruck eine Reihe von Veranstaltungen durchgeführt, die zum Ziel hatten, Beiträge zur kritischen Re-Politisierung des gegenwärtigen Sicherheitsdiskurses zu leisten: Der aktuelle hegemoniale Diskurs, entlang dessen alle sozialen Angelegenheiten organisiert würden, diene der populistischen Instrumentalisierung des Sicherheitsgefühls der BürgerInnen und der Legitimation demokratietheoretisch problematischer, ordnungspolitischer Maßnahmen.
Der Reader bildverbot umfasst Beiträge einiger Veranstaltungen und Projekte sowie Nachdrucke als wesentlich erachteter Textbeiträge zum Themenfeld Überwachung(sstaat) und Sicherheitsdiskurs aus geschichts-, politik- und medienwissenschaftlichen, philosophischen, literatur-, kultur-, gesellschaftswissenschaftlichen, künstlerischen und stadtökonomischen Perspektiven. Die Textbeiträge sind gerahmt durch eine Bilddokumentation von Videoüberwachungsanlagen in Innsbruck.
Gemeinsame Ausgangsbasis der AutorInnen ist die Auffassung, dass sich die gegenwärtigen (europäischen) Gesellschaften auf der Basis von technologisch und technisch gestützten Verschiebungen im Übergang von der traditionellen Disziplinierungszur Kontrollrespektive Überwachungsgesellschaft befinden. Entsprechend werden Begriffs- und Wirkungsbestimmungen von Überwachung, Kontrolle, Sicherheit, Macht und Herrschaft sowie den dazugehörigen sozialen und politischen Praxen diskutiert. In unterschiedlichen Argumentationssträngen wird herausgearbeitet, dass und wie die gegenwärtigen Überwachungspraxen, -technologien und -techniken als (gesellschafts-)politisches Instrument gezielter Exklusion nicht-normgerechter resp. nicht-bürgerlicher Gruppen und Personen eingesetzt werden, indem sie als neutrale Instrumente der Verbrechensbekämpfung und Instrumente bürgerlicher VerSicherung stilisiert werden. Und es werden für die planungswissenschaftliche Diskussion anregende Argumente formuliert, dass und wie sich diese Praxen gleichzeitig als materielle Manifestationen in das material-physische Substrat des Städtischen einschreibt.
Kritisch hinterfragt wird die Dominanz kapitalistischer Vergesellschaftungsformen. In verschiedenen Beiträgen werden entsprechend Aspekte der gegenwärtigen Kulturalisierung und Restrukturierung des Ökonomischen aufgearbeitet und machttheoretisch diskutiert. Hierbei sind die in vielen Beiträgen formulierten Bezüge zu städtischen Räumen und Raumbildungsprozessen sehr anregend, wie beispielsweise der breite Diskussionsstrang der Auseinandersetzungen mit den gegenwärtigen Umdeutungsprozessen des Verhältnisses von so genannten öffentlichen und privaten Räumen respektive. Öffentlichkeit und Privatheit sowie deren territoriale und sozialräumliche Effekte und Wirkungen. Erfreulicherweise finden auch differenzierte gendertheoretische Argumente ihren Platz, die wesentliche qualitative Aspekte zur Differenzierung städtischer Räume in Zonen unterschiedlicher Kontrolldichte und Kontrollrichtung, der sich verschärfenden Exklusion der als deviant und nicht-marktfähig deklarierten Personen und Gruppen sowie Aspekte der Inkorporierung von überwachungskonformem Verhalten in individuelle und soziale Räume darstellen und vertiefen. Weitere Anregungen für Diskussionen in der Stadtforschung bieten die Abschnitte zur Polyvalenz der gegenwärtigen Ordnungspolitiken, die als gleichzeitig von De- und Zentralisierungsbestrebungen gekennzeichnet beschrieben werden. Wie auch die Argumentationen zum Verlust kollektiver Zukunftsperspektiven und der zunehmenden Unwirksamkeit technischer (oder technokratischer) Steuerungsbemühungen regen diese an, das vielfach unhinterfragte Axiom planerischer bzw. planungspolitischer Steuerungsmacht (wieder) vertieft und in Öffentlichkeit zu thematisieren.
Die Beiträge beschreiben demnach wesentliche Effekte sozialräumlicher ebenso wie material-physischer Entdemokratisierungstendenzen und -wirkungen in städtischen Räumen und entlarven aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven die an den gegenwärtigen Sicherheitsdiskurs gebundene Problematik der hierarchisierenden (Re)Strukturierungsbestrebungen liberaler, neokapitalistischer Stadtpolitiken als falschen Lösungsweg – empfehlenswert!
HerausgeberInnenkollektiv k.u.u.g.e.l. (Hg.)
bildverbot
Wien: Triton 2003
180 S. 16 Euro
Gesa Witthöft