Neuland Ostmoderne
»Architektur in Bukarest 1920-1945«, Ausstellung im Ringturm der Wiener Städtischen, WienArchitektur in Bukarest 1920-1945
15.9.-12.-11. 2004
Ringturm der Wiener Städtischen, Wien
Einen ausführlichen Überblick der rumänischen Moderne bot für des Rumänischen nicht Kundige und mit dem Land und seiner Kultur nicht Vertraute erstmals 1999 Luminita Machedons und Ernie Scoffhams Band »Romanian Modernism – The Architecture of Bucharest, 1920-1940« (Cambridge/Mass./London: MIT Press). Trotz der Hauptstadt im Titel stellte das Buch auch zahlreiche Bauten und ihre Architekten und Architektinnen in der rumänischen Provinz vor, darunter eine Anzahl hochinteressanter moderner Hotels und Ferienheime.
Der bestimmende Einfluss kam in dem Land, das mitten im slawischen Raum eine ro-manische Sprache hat, naheliegenderweise hauptsächlich aus Paris. Dort studierte man, wenn man internationales Niveau anstrebte. Viele der Bauten an den Bukarester Hauptverkehrsstraßen muten daher an wie jene groß-städti-schen Art- Déco-Häuser, die man an den Pariser Boulevards findet. Die Progressiveren unter den Architekten und Architektinnen orientierten sich an Le Corbusier, aber auch an Erich Mendelsohn oder dem heroischen Expressionismus eines Peter Behrens. So hatte, wer Marcel Iancu nur als Mitglied des Zürcher Cabaret Voltaire kannte, spätestens jetzt Gelegenheit, mehr zu erfahren. Der ausgebildete Architekt kehrte nach einer Zwischenstation in Paris nach Bukarest zurück und entwarf dort einige der besten Bauten der Zwischenkriegsmoderne.
Der 2001 im Pustet Verlag erschienene Band »Moderne in Bukarest« von Ana Gabriela Castello Branco dos Santos und Horia Georgescu (Hg. Architekturmuseum der Technischen Universität München) lieferte dazu einen kompakten, leistbaren und erstmals auch deutsch(und englisch- )sprachigen Architekturführer zur Kapitale. Dieser wurde nun dem Wiener Publikum in Form von Großfotografien und umgezeichneten Plänen als Ausstellung präsentiert.
Das heißt leider, dass kein einziger Originalplan zu sehen war, keine Zeichnung aus Architekten- oder Architektinnenhand, keine einzige Originalaufnahme der heute zum Teil veränderten Häuser oder auch nur Reproduktionen zeitgenössischer Fotos (die es im Vorwort des Buchs immerhin noch gab). Die Ausstellung wurde so mehr oder weniger zu einer Fotoausstellung des jungen Luxemburgers Pierre Levy. Dieser hat die Gebäude nur von außen fotografiert, in den meisten Fällen von der Straßenseite, und im Allgemeinen war nur je ein Foto zu sehen. Das ist für einen Architekturführer völlig in Ordnung. In einer Ausstellung ist es aber doch eine spröde Sache, wenn keinerlei Originale gezeigt werden. Anschaulich und sehr erfreulich waren immerhin die Modelle, wenn darunter auch unvermittelt ein am Schwarzen Meer stehender Hotelbau auftauchte, der sonst nicht vorkam.
Trotzdem bot die Zusammenstellung eine Fülle an kompakt und übersichtlich verpackten Informationen zu einem Thema, das den meisten neu gewesen sein dürfte. Schön ist auch, dass Kurzbiografien zu den Architekten und Architektinnen geliefert werden. Neben den Protagonisten Marcel Iancu, Horia Creanga und Duiliu Marcu gibt es zum Beispiel Henriette Delavrancea-Gibory zu entdecken, von der leider nur ein einziges, ziemlich elegantes Einfamilienhaus zu sehen ist. Und das macht neugierig auf mehr.
Architektur in Bukarest 1920-1945
15.9.-12.-11. 2004
Ringturm der Wiener Städtischen, Wien
Iris Meder