Christoph Laimer

Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.


Die Verantwortlichen der »Operation Spring« standen von Anfang an unter großem Druck. »Operation Sping« musste endlich der große Erfolg werden. Nachdem trotz intensivster Bemühungen in den Jahren zuvor stets nur afrikanische Klein- und KleinstdealerInnen und keineswegs »Drogen-Barone« festgenommen werden konnten und auch die beschlagnahmten Drogen kaum den Aufwand wert waren, sollte nun endlich die »perfekt organisierte« nigerianische Drogenmafia zerschlagen werden.
Zu diesem Zweck erhielten die Drogenfahnder die Möglichkeit, erstmals den Lauschangriff einzusetzen. Eine Überwachungsmöglichkeit für die die Polizei lang gekämpft hatte. Um das Ziel der Zerschlagung der »nigerianischen Drogenmafia« zu erreichen, wurde dann die Wahrnehmung jeder alltäglichen Handlung zu einem weiteren Teilchen, das das vorgefertigte Konstrukt scheinbar bestätigte. Am offensichtlichsten zeigt sich dieses fixierte Vorgehen bei Obiora C-Ik Ofoedu, der, ohne eines Beweises, zum großen Drogenboss erklärt wurde. Anzunehmen ist, dass es etlichen anderen, der Dutzenden Festgenommenen, ähnlich ergangen ist.[1] Ein entscheidender Punkt für die Polizei dürften die Demonstrationen in Folge des Todes von Ahmed F. und später Marcus Omofuma gewesen sein. Dass Schwarze, die von vielen PolizistInnen in erster Linie als gewalttätige DrogendealerInnen wahrgenommen werden, gegen die Polizei demonstrieren, hat für viele PolizistInnen das Fass wohl zum Überlaufen gebracht. Ein Artikel in der Zeitschrift Der Kriminalbeamte (Schneetreiben im Frühling; Juli/August 1999) zeigt recht anschaulich, wie sich PolizistInnen selbst zu beinahe hilflosen Opfern der vermeintlichen Drogenmafia stilisieren:
Blumen vor dem Innenministerium, Demonstrationen gegen den »Rassismus bei der Polizei«, Hilferufe bei Verhaftungen von Drogendealern, laufend Anzeigen gegen Polizisten wegen angeblicher Übergriffe - dahinter steckt System. Ein Wiener Sicherheitswachebeamter, nachdem er zum dritten Mal angezeigt wurde: »Ich verbaue meine Karrierechancen, wenn ich weiter gegen Drogendealer vorgehe.« Zwei Kriminalbeamte aus Wien-Margareten verfolgten einen Kokainhändler 20 Minuten lang. Als er gefaßt wurde, versuchte er, einen Fahnder in den Oberschenkel zu beißen. Er wurde nach minutenlangem Kampf überwältigt. Ein Anrainer erhörte die Rufe des Schwarzen: »Hilfe ich werde mißhandelt!« und reichte gegen die Beamten Beschwerde ein.
Der institutionalisierte und individuelle Rassismus von Polizei und PolizistInnen, der dazu geführt hat, Schwarze ins Zentrum der Drogenkriminalität zu rücken, die offensichtliche Unfähigkeit zur selbstkritischen Analyse der eigenen Arbeit, kombiniert mit dem Wunsch, einen großen Erfolg bei der Bekämpfung der Drogenkriminalität zu landen, der über die Verhaftung von KleindealerInnen hinausgeht, sowie der Erfolgsdruck in Sachen Lauschangriff haben dann zum Skandal »Operation Spring« geführt. In der Pressekonferenz nach der Hauptrazzia der »Operation Spring« sprühten die Polizeibeamten vor Selbstbewusstsein und präsentierten Stolz ihr vermeintliches Erfolgsergebnis. Innenminister Karl Schlögl, Sicherheitsgeneral Michael Sika, der Wiener Polizeipräsident Peter Stiedl, Sicherheitsbürochef Max Edelbacher und Generalinspektor Franz Schnabl sprachen von der »größten Amtshandlung seit Jahren« und einen Erfolg gegen Drogenhändler, den »es bis dato in ganz Europa« nicht gegeben habe (Standard 28.5.1999). Erstmals sei es in »Europa (gelungen,) bis zu den führenden Köpfen einer internationalen Drogenbande vorzudringen«, wovon »alle anderen Staaten profitieren« würden (Michael Sika, Kronen Zeitung 28.5.1999) »Das Eindringen in die Strukturen und die Zerschlagung der weltweit operierenden Bande war nur dank des Einsatzes der ,technischen Observation` möglich.« (Michael Sika; Kurier 28.5.1999) 7134 Personen mit 1454 Spitznamen, 3165 Adressen und 6507 Telefonnummern wurden erfasst. 868 Verbindungen zwischen Personen und Fahrzeugen wurden hergestellt und 130.000 Rufdaten ausgewertet. 183 verdächtige Kontoeinzahlungen wurden überprüft, berichtete stolz Der Kriminalbeamte (Juli/August 1999).Mit Genugtuung berichteten die Polizeichefs und der Innenminister über die DemonstrantInnen, die sich nun als DrogendealerInnen erwiesen hätten, und feierten sich als Retter des Rechtsstaates. Alles schien in der Welt der Polizei in bester Ordnung, der Lauschangriff war scheinbar erfolgreich durchgeführt und konnte als großer Erfolg verkauft werden, die DemonstrantInnen und MenschenrechtsaktivistInnen konnten öffentlich als DrogendealerInnen bezeichnet werden, die Medien jubelten.
Als biographische Details über Obiora C-Ik Ofoedu, der mittlerweile berühmt-berüchtigte »Konzern-Boss« (Kronen Zeitung) »Charles O.« und Auszüge aus den Polizeiprotokollen bekannt wurden, setzten erste Zweifel an der präsentierten »Erfolgsbilanz« ein. Die Indizien und Beweise, die Ofoedu nach Meinung der Polizei zum Drogenboss machen sollten, waren für NichtpolizistInnen nur schwer nachvollziehbar. In Ofoedus Wohnung oder bei ihm selbst wurden niemals Drogen gefunden. Ofoedu lebte vor seiner Verhaftung in bescheidensten Verhältnissen und war für seinen notorischen Geldmangel bekannt. Ofoedu war und ist deklarierter Drogengegner, wie eine kleine Nachforschung leicht zu Tage befördert hätte.[2] Ofoedus viele Kontakte hatten mit seinem antirassistischen Engagement und seiner Tätigkeit als Schriftsteller zu tun. Warum ein Mensch, der als Boss einer internationalen Drogenbande ja eigentlich steinreich sein müsste, sich so eine Tarnung antun sollte, ist nicht gerade einleuchtend. Das Image eines normalen Geschäftsmannes wäre wohl eher passend gewesen und hätte es auch erlaubt, den Reichtum ein wenig zu genießen. Bei der Polizei dürften die Assoziationen aber immer genau in die andere Richtung gelaufen sein. Jedes Detail aus Ofoedus Alltag, das so ganz und gar nicht in die Biografie eines Drogenbosses passte, machte ihn noch verdächtiger, weil es in den Augen der Polizei Beweis für die »perfekte Organisation« und die »Gefährlichkeit« war. Die beim Flugzettelverteilen als Motivation gemeinte Aufforderung gegenüber einigen AfrikanerInnen zu einer Demonstration zu gehen - »Leave your business and join the demonstration« - war so etwas wie der ultimative Beweis für die Polizei, dass Ofoedu der Big Boss sein müsse, weil wer sonst könne schon »seinen« DealerInnen »freigeben«. Dieser Satz Ofoedus wird in fast allen Stellungnahmen von PolizistInnen erwähnt, wenn es um die »Operation Spring« geht und zeigt wie eingeengt das Blickfeld sein muss. In Der Kriminalbeamte (Juli/August 1999) liest sich das z.B. so: »Sie hielten Mahnwachen vor dem Innenministerium, traten im Parlament mit zugeklebten Mund auf, gaben Dealern frei, um an Anti-Polizeidemonstrationen teilzunehmen und Stimmung gegen Ordnungshüter zu erzeugen. Rassismusvorwürfe stärkten den farbigen Dealern den Rücken. Die Dealer begannen, Polizei und Rechtsstaat zu verunsichern.« Die lauschenden ExpertInnen waren so fixiert, ihre Wahrnehmungen in Zusammenhang mit Drogenkriminalität zu bringen, dass sie sogar meinten »Geräusche von Geldzählen« als solche erkennen zu können. (Format 24/99).
Selbst der Chef des Wiener Sicherheitsbüros, Max Edelbacher, der im Sommer 1997 noch der Meinung war AfrikanerInnen seien nur in sehr bescheidenem Ausmaß und auf der untersten Stufe der Hierarchie in den Drogenhandel involviert (Afro Look #4) , meinte nach der »Operation Spring« jetzt die »Big Bosses« (News 22/99) erwischt zu haben. Das erschreckende an der Sache ist, dass die Polizei ihre eigenen kapitalen Fehler offensichtlich bis heute nicht als solche erkennen will und immer noch ihr Hauptaugenmerk auf StraßendealerInnen aus Afrika legt und alle paar Monate Razzien in diversen Heimen durchführt, bei denen es ebenso regelmäßig zu Beschwerden wegen Polizeiübergriffen kommt. Michael Sika plädierte im Oktober 1999, also zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits klar war, dass das, was Sika noch einige Monate zuvor noch als größten Erfolg gepriesen hat, nämlich den Drogenboss erwischt zu haben, sich als eindeutiger Fehlschlag erwiesen hatte, dafür, alle drei Monate Lauschangriffe durchzuführen (Standard 16.10.1999).

»Operation Spring 2«

Am 28.September 1999, wenige Tage vor der Nationalratswahl, gab es die zweite große Razzia im Rahmen der »Operation Spring«. Diesmal wurden 36 Menschen - ausschließlich AfrikanerInnen - festgenommen. Die Polizei zeichnete sich diesmal durch große Zerstörungslust aus. In einem Gesellenheim in der Zohmanngasse wurden Dutzende Türen eingetreten, reihenweise Einrichtungsgegenstände zerstört. Die Wohnung von Frau B. wurde innerhalb von 10 Tagen gleich zwei mal durchsucht. Beim ersten Mal wurde die Tür eingetreten und Frau B. verletzt, als sie gerade die Türe öffnen wollte. Ihr Mann wurde verhaftet, obwohl er gar nicht der Gesuchte war, aber es reichte offenbar, dass er Afrikaner ist. Die Frau hielt sich gegenüber den Medien nicht zurück und berichtete von rassistischen Beschimpfungen. Ihr Mann wurde, weil nichts gegen ihn vorlag, einige Tage später wieder freigelassen, was die Polizei nicht daran hinderte, zehn Tage später erneut eine Durchsuchung durchzuführen. Diesmal wählten die Beamten den Weg durch die Balkontür. Wieder wurden keine Drogen gefunden, wieder wurde Herr B. verhaftet, wieder wurde er einige Zeit später freigelassen. Verantwortlich für diese Einsätze war Major Georg Rabensteiner aus Ottakring (Krone 29.09.1999). Georg-»man muss immer damit rechnen, daß das Gegenüber zu einer Waffe greift«-Rabensteiner (Kurier 14.08.1997), Sicherheitsverdienstpreisträger 1997 und laut Polizeivizepräsident Marek »unser Paradekieberer« (Öffentliche Sicherheit 12/97), ist aber nicht nur einer der eifrigsten Drogenfahnder der Stadt, sondern u.a. auch Koordinator der Spezialeinheit SEK, die durch ihr vermummtes Auftreten und die umstrittenen Verhaftungen bei der diesjährigen Opernballdemonstration bekannt wurde.[3]

»Operation Streetrunner«

Am 17. Jänner 2000 fand im Flüchtlingslager Traiskirchen und in etlichen Heimen in Niederösterreich Razzien statt. Rechtsanwalt Reiner, der im Namen von 32 Betroffenen beim Landesgericht Wiener Neustadt eine Anzeige wegen Vorkommnissen bei der Razzia einreichte, kritisiert an der Amtshandlung u.a.: Die Haus- und Personendurchsuchung erfolgte ohne strafgesetzliche Grundlage. Es existierte kein Hausdurchsuchungsbefehl für die gegenständlichen Örtlichkeiten. Die AsylwerberInnen wurden teilweise geschlagen, durften stundenlang nicht die Toiletten aufsuchen oder Wasser trinken, es wurden öffentliche Analvisitationen ohne Handschuhwechsel durchgeführt, Plastikfesseln wurden extrem fest zugezogen und auf die Bitte, sie zu lockern, noch fester zugezogen. Viele dieser Vorfälle fanden unter höhnischem Gelächter der BeamtInnen statt.[4]

Fußnoten


  1. Siehe dazu die Briefe von Emmanuel Chukwujekwu auf unserer Homepage ↩︎

  2. Siehe Ofoedus Artikel »Drogenpolitik« aus dem Jahr 1997, den wir in dieser Ausgabe dokumentieren. ↩︎

  3. Wer mehr über Georg Rabensteiner wissen will, dem/ der sei der Artikel Demaskiert in Falter 13/00 empfohlen ↩︎

  4. Mehr dazu auf unserer Homepage ↩︎


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