Stadt und Angst. Die Generic City: Okzidentale Identifikationsprobleme oder Taoistischer Vitalismus.
Geschichte der Urbanität, Teil 38; Postmoderne IVAls Prototyp des postmodernen Raumes gilt der kalifornische, der auch als erste Quelle der relevanten Literatur in Erscheinung tritt und in einigen Fällen auch auf eine tiefe Störung der Verhältnisses zwischen Mensch und Stadtraum hinweist. Der Grund dafür liegt im Phänomen der Simulation, wenn wir diesen von Jean Baudrillard ins Spiel gebrachten Begriff verwenden wollen, der zur Beschreibung dieses Sachverhalts der Derealisierung häufig verwendet wurde, weil hier Zeichenwelten an die Stelle konkreter Realität treten. »Die Stadt ist nicht mehr das politisch-industrielle Polygon, das sie im 19. Jahrhundert gewesen ist, sie ist das Polygon der Zeichen, der Medien, der Codes.« (Baudrillard 1991, S. 122) Diese Zeichenwelten oder Simulationen verfügen über keinen Referenten mehr, können daher nichts mehr bezeichnen, sondern nur mehr mit anderen Simulationen interagieren. (Blask 1995, Kap 3) Diese Dominanz der Zeichen, auch als Semiokratie bezeichnet, beruhte auf den neuen Technologien und Medien, insbesondere dem damals noch relativ neuen Fernsehen. Dieser Diskurs stammt aus den 1970er Jahren und stand unter dem Einfluss der völlig neuen Medientheorien, vor allem Marshall McLuhans mit seinem Satz »The medium ist the message«. Zudem ergab sich noch eine zweite bedeutsame Beobachtung, weil die Massen, denen man zuvor eine revolutionäre Substanz zugeschrieben hatte, sich nunmehr völlig dem Einfluss der Medien aussetzten und zu apathischen KonsumentInnen wurden, die sich dem Spektakel nicht entziehen konnten und wollten. »Die Einschließung in das Ghetto des Fernsehens, der Werbung, in das Ghetto der Konsumenten/Konsumierten…« (Baudrillard 1991, S. 122) Als einziges Zeichen des Widerstandes interpretierte Baudrillard daher das massenhafte Auftreten von Graffitis »SUPERBEE SPIX COLA 139 KOOL GUY CRAZY CROSS 136« (Baudrillard 1991, S. 123) in den amerikanischen Städten, die als Ausdrucksformen eines Anti-Diskurses und als entleerte und bedeutungslose Zeichen die sinnbeladenen Zeichen der Stadt attackieren und – so glaubte Baudrillard damals noch – jene durch ihre Anwesenheit auflösen. Später gab Baudrillard auch den Glauben an die Subversionskapazität derselben auf.
Manfred Russo ist Kultursoziologe und Stadtforscher in Wien.