Rechte Raumnahme und performative Politik in Freiberg
Zum ›Spaziergang‹ mit den Freien Sachsen gegen die CoronapolitikEs ist Montag der 14. März 2022 in Freiberg, Sachsen. Die Stadt mit rund 40.000 Einwohner*innen ist Kreisstadt im Landkreises Mittelsachsen und liegt etwa auf halbem Weg zwischen Dresden und Chemnitz. Die extreme Rechte ist hier seit Jahren sehr präsent. So erreichte die Alternative für Deutschland (AfD) 2021 bei der Bundestagswahl 30 Prozent und ist damit die mit Abstand stärkste Kraft. An diesem frühen Montagabend versammeln sich rund 750 Menschen vor einem Einkaufszentrum nahe der Altstadt. Sie treffen sich hier seit Monaten – immer montags –, um gegen die Corona-Politik der Bundes- und Landesregierung zu protestieren. Im regnerischen Abendgrau laufen sie in rund einer Stunde um die Altstadtmauer. Es ist eigentümlich still, Transparente fehlen fast gänzlich. Die Teilnehmenden führen Alltagsgespräche, tauschen Gerüchte über Impfungen aus und spotten lautstark über die, aus ihrer Sicht, für das Unheil verantwortlichen politischen Eliten. Passant*innen mit Schutzmaske werden angepöbelt. Anwesend sind Menschen aller Altersgruppen, auch Familien mit Kindern. Die Polizei begleitet den Aufzug locker und tritt nur in Erscheinung, um den Verkehr zu regeln. Die Mehrheit wirkt unscheinbar. Dennoch, die Symbole der extremen Rechten sind präsent: Die Farben des Deutschen Reichs – schwarz-weiß-rot – prangen auf Mützen, rechte Szenemarken wie Thor Steinar und Erik & Sons sind auszumachen. Flyer der Parteien AfD und Die Basis werden verteilt.
Paul Zschocke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK ). Er forscht zur extremen Rechten, insbesondere zum neuen Rechtspopulismus und dessen gesellschaftlichen Ursachen sowie zum staatlichen und zivilgesellschaftlichen Umgang damit. Gegenwärtig arbeitet er im Projekt „Die Rückkehr des Politischen und der Aufstieg autoritärer Politiken“. Im Verein Engagierte Wissenschaft (EnWie e.V.) arbeitet er im Forum für kritische Rechtsextremismusforschung sowie in der Redaktion der Leipziger Zustände des Vereins.
Daniel Mullis