Road home closed?
New Orleans nach Katrina: reale, materielle und psychosoziale Aspekte der StadtentwicklungAm 29. August 2005 traf der Hurrikan Katrina auf New Orleans. Katrina war der sechststärkste Hurrikan, der je erfasst wurde. Nach dem Versagen einiger Dämme ergossen sich die Kanäle der Stadt in fast 80 Prozent des Stadtgebietes, das zum Teil bis zu drei Meter unter dem Meeresniveau liegt. Laut Statistik hat diese Naturkatastrophe 1.836 Menschen getötet, weitere 136 gelten nach wie vor als vermisst. 204.000 Häuser wurden zerstört oder beschädigt, zahlreiche öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser sind nach wie vor geschlossen. Erst ein volles Jahr nach der Katastrophe erklärte das Department of Environmental Quality die Luft und den Boden aller Stadtteile in New Orleans für sicher. Es war nicht nur die bislang verheerendste Naturkatastrophe in den USA, sondern durch ihre unmittelbaren Folgen auch die bis dato teuerste. Werden die durch Katrina überfluteten Gebiete betrachtet, so zeigt sich, dass die historischen Siedlungsgebiete entlang des Mississippiufers von der Flut verschont geblieben sind (vgl. Abb. 1 u. Abb. 2, S. 38/39). Die Stadt ist eine „Big Bowl“, wie sie von Einheimischen gerne genannt wird. Die höchsten Stadtteile liegen auf den Sedimenten des Mississippi und im Norden am Lake Pontchartrain, dazwischen – mit gut zehn Kilometer Luftlinie – erstreckt sich ein großes Becken, das unter Meeresniveau liegt. Die Stadtgründer haben schon gewusst, wo sie die ersten Siedlungsgebiete errichten, war es ohnedies mühsam genug, durch die umliegenden Sumpfgebiete bis zum heutigen French Quarter durchzukommen. Jetzt ist der Großraum New Orleans umgeben von einem über 500 Kilometer langen Dammsystem, das durch zahlreiche hochleistungsfähige Pumpsysteme unterstützt wird. Zahlreiche Bayous und Kanäle durchziehen die Stadt, das Wasser wurde gebannt, es ist jedoch nicht gänzlich verschwunden. Durch den zunehmenden Siedlungsdruck wurden über die Jahrzehnte immer neue Sumpfgebiete trockengelegt, Gebiete, die für die Besiedlung nicht optimal geeignet waren und unterhalb des Meeresspiegels liegen. Es wurden zahlreiche Teile der Stadt erschlossen, die nur unter der Voraussetzung eines funktionierenden und ausgeklügelten Damm-, Pump- und Schleusensystems besiedelt werden konnten. Für New Orleans war nicht der Hurrikan das große Problem, sondern die mangelhafte Infrastruktur – wie sich nach Katrina herausstellen sollte.
New Orleans liegt nicht nur größtenteils unter dem Meeresspiegel, es sinkt auch weiter ab. Anthropogene Einflüsse wie Ausbaggern von Flüssen für die Schiffbarmachung der Mississippihäfen, Anlegen von Kanälen in den vorgelagerten Marschen für die Ölindustrie, Staudämme im Oberlauf des Mississippi und zusätzliche Entwässerungskanäle sind dafür mitverantwortlich; gleichzeitig tragen sie auch die natürlichen Schutzsysteme wie Marschland und Barrier Islands ab. Umweltphänomene wie der Anstieg des Meeresspiegels durch globale Erwärmung und die erhöhte Wahrscheinlichkeit von im Golf entstehenden Hurrikans verunsichern zusätzlich. All das ist hinlänglich bekannt, Simulationen und diesbezügliche Warnungen werden seit Jahren von der Louisiana State University und der University of New Orleans veröffentlicht. Unabhängig von den großflächigen anthropogenen Veränderungen des Mississippideltas war offensichtlich, dass das Dammsystem der Stadt für einen Hurrikan der Kategorie fünf unzureichend ist. Dennoch ist nichts vorsorgend passiert. Simulationen besagen, dass – wenn auch zukünftig keine Präventionsmaßnahmen für die vorgelagerten Feuchtgebiete ergriffen werden – das Mississippidelta bis zum Jahr 2090 verschwunden ist und New Orleans am offenen Meer liegen wird. Ein effizienter Hochwasserschutz ist somit mehr als überlebensnotwendig. New Orleans ist weltweit gesehen nicht die einzige Stadt, die vom Versinken bedroht ist; hier sollte es jedoch möglich sein, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen – vielleicht als Vorbild für andere küstennahe Feuchtgebiete und Küstenstädte.
Seit den 1980er Jahren liegen unterschiedliche Pläne vor, wie New Orleans vor dem Untergang gerettet werden soll. Bislang konnte jedoch keine Einigkeit darüber erzielt werden. Bezüglich der Planungen und konkreten Vorgänge in Feuchtgebieten sind fünf Bundesbehörden und sechs Staatsbehörden zuständig und mit diesbezüglichen Handlungsbefugnissen ausgestattet. Bereits Ende 1998 wurde ein Plan zur Regenerierung der Küstenlandschaft Louisianas vorgelegt (Coast 2050). Grundlage war ein kooperatives Beteiligungsverfahren zwischen dem Büro des Gouverneurs, dem Bundesministerium für natürliche Ressourcen, dem Ingenieurskorps der US-Armee, der Umweltschutzbehörde, dem Dienst für Fischerei und Jagd, sowie allen 20 Küstenanrainergemeinden. Für keine der beteiligten Gruppen ist der Plan bislang jedoch verbindlich. Er gilt als zu teuer und als Vision der ebenso beteiligten WissenschafterInnen (Fischetti 2005, 80).
„Pre-disaster planning scheint im konkreten Fall genauso schwach gewesen zu sein wie das post-disaster management“, resümiert Prisching nüchtern (2006, 41). Der Wiederaufbau von New Orleans ist aber nicht allein an ein funktionstüchtiges Dammsystem geknüpft. Viele Bereiche der öffentlichen Infrastruktur sind äußerst mangelhaft und durch Katrina zusätzlich in Mitleidenschaft gezogen worden, wie folgende Beispiele splitterhaft aufzeigen sollen.
Life goes on when power goes out[1]
Die Stromversorgung ist ein gutes Beispiel für den Zustand der öffentlichen Infrastruktur der Stadt. Es sollte wohl angenommen werden, dass im Land mit dem weltweit höchsten Pro-Kopf-Energieverbrauch die Stromversorgung reibungslos funktioniert. Aber auch hier gibt es permanente Fragen der zuständigen Kompetenzen zwischen der öffentlichen FEMA[2] und privaten AbnehmerInnen. So war die University of New Orleans seit der Katastrophe mehrfach komplett ohne Strom. Gegenseitige Schuldzuweisungen lassen permanentes Flickwerk nicht besser werden. Die FEMA erklärt sich für die Zuleitung verantwortlich, die Universität für die Versorgung am Campus. Die Kompatibilität ist jedenfalls nicht immer gewährleistet, wie auch die oft mangelnde Stromversorgung im öffentlichen Raum nach örtlichen Gewittern deutlich macht. Verkehrsampeln und Straßenbeleuchtung versagen nicht selten im Tropenschauer. Handelt es sich um öffentliche oder private Management- und Planungsverantwortung?
Auch die medizinische, psychosoziale und therapeutische Grundversorgung und Hilfeleistung ist in New Orleans nach wie vor nicht gewährleistet. Beim Lousiana State Hospital, Downtown zwischen Hyatt-Hotel und Superdome, fehlen noch immer etliche Fensterscheiben, zahlreiche Abteilungen sind nicht wieder aufgebaut, die medizinische und therapeutische Ausbildung für Studierende ist derzeit akut gefährdet. Viele Spitäler, Ambulatorien und Beratungsstellen sind seit Katrina geschlossen, viele ÄrztInnen, Pflegepersonal, TherapeutInnen und SonderpädagogInnen sind mit dem Aufkommen der Katastrophe gleichsam aus der Stadt verschwunden. Es herrscht seitdem akuter Versorgungsmangel im humanmedizinischen und im psychosozialen Bereich. Viele Menschen dieser Stadt benötigen psychosoziale oder therapeutische Hilfe, gerade wegen posttraumatischer Folgen durch Katrina. Adäquate Unterstützungsleistungen können aufgrund des fehlenden Angebotes derzeit nicht gewährleistet werden. Die ausbleibende Unterstützung führt zu einer großen psychosozialen Not in der Stadt. Diese Versorgungsnot zeigt sich nicht zuletzt an der steigenden Zahl von sozial Isolierten, Suchtgefährdeten, Kriminellen, Obdachlosen und Verarmten. Auch fehlt es an entsprechenden Maßnahmen für eine berufliche Rehabilitation und Integration. Zum Zeitpunkt der Katastrophe waren es ebenfalls die Marginalisierten, die auch unmittelbar besonders stark betroffen waren, zum Teil auch an der Möglichkeit zur Evakuierung scheiterten.
In den drei New Orleanser Parishes (Counties) Orleans, Jefferson und St. Bernard sind mit November 2007 erst 67 Prozent der öffentlichen Spitäler wiedereröffnet worden. Wobei sich an diesem Beispiel auch die regionalen Disparitäten innerhalb der Stadt aufzeigen lassen. So sind in St. Bernard, einem der von der Flut am meisten betroffenen Stadtteile, beispielsweise sämtliche Spitäler bislang geschlossen geblieben (Greater New Orleans Community Data Center 2008, 55). Das Charity-Hospital in New Orleans, soziales Auffanglager aller Nichtkrankenversicherten, hat seine Pforten seit Katrina geschlossen. Neuesten Berichten zufolge soll diese wichtige Institution sogar abgerissen werden. Ersatz ist dafür derzeit nicht in Sicht. Diese Entwicklung macht den „Care Gap“, wie ihn das Wall Street Journal auf der Titelseite (22.11.06) skizzierte, noch deutlicher. Während in den suburbanen Regionen der Vereinigten Staaten von einem „Hospital Building Boom“ (ebd.) die Rede ist, ist davon in den zum Teil ärmeren Innenstadtgebieten nichts zu bemerken. Hingegen zieht in jenen Stadtrandlagen mit hohem Freizeitwert, wo sich wohlhabende PensionistInnen angesiedelt haben, die Infrastruktur rasant nach.
Ein weiteres Beispiel mangelnder Versorgung ist das öffentliche Verkehrswesen. In vielen Städten der Südstaaten wurde das öffentliche Bussystem historisch gesehen auf die Verbindung von schwarzen Siedlungsgebieten zu weißen Wohngebieten hin ausgerichtet. Dem heutigen Verflechtungskontext ökonomischer und sozialräumlicher Aktivitäten entspricht das in vielen Fällen nicht. Das Bussystem hat sich jedoch zum Teil nur unwesentlich verändert, ebenso wie die Fahrgäste, die in der Regel Schwarze sind. Katrina hat in New Orleans das in keiner Weise dem Standard entsprechende städtische Nahverkehrssystem noch zusätzlich ins Wanken gebracht. Frequenz, Takt, Pünktlichkeit nach Fahrplan und Komfort sind Fremdworte für die Regional Transit Authority. Zahlreiche Linien – wie z.B. die berühmte St. Charles Streetcar – sind eingestellt oder werden derzeit provisorisch auf neuen Strecken geführt. Mit Dezember 2007 sind erst 48 Prozent der öffentlichen Verkehrsverbindungen gegenüber Juli 2005 in New Orleans wieder eingerichtet, das entspricht gegenwärtig 30 Linien. Auch die Zahl der Busse hat sich gegenüber demselben Vergleichszeitraum auf drastische 19 Prozent reduziert, nur 69 Busse sind gegenüber 368 im Juli 2005 einsatzfähig (Greater New Orleans Community Data Center 2008, 54). Zusätzlich operieren in den unterschiedlichen Parishes verschiedene Transportunternehmen, sodass nicht nur innerhalb des Stadtgebietes oft zweifach ein Ticket zu lösen ist, sondern v.a. die Fahrpläne nicht aufeinander abgestimmt sind, was in der Regel bei zwei Bussen pro Stunde pro Linie und Richtung zu sehr langen Reisezeiten führen kann.
Die Aufzählung der Mängel im Bereich der öffentlichen Infrastruktur könnte fast beliebig fortgesetzt werden. Wasserrohrbrüche im Stadtgebiet von New Orleans tragen ebenso zu einer labilen Versorgungslage bei. Die Müllabfuhr, der Zustand des City Park, die Kanalisation, die Straßen und Autobahnen – all das sind Beispiele, bei denen sich Investitionen in der Stadt lohnen würden.
Proud to swim home…[3]
Vielen am Wiederaufbau beteiligten Firmen wird ein Naheverhältnis zum Präsidenten und den RepublikanerInnen nachgesagt. Was in der Europäischen Union wettbewerbsverzerrend, schlicht korrupt oder zumindest ein ordentlicher Skandal wäre (Wahlkampffinanzierung mit anschließender Auftragserteilung), ist integrativer Bestandteil der amerikanischen Wirtschaft, Politik und Wirtschaftspolitik. Diese Tatsache lässt den Schluss zu, dass nicht immer mit „Plan“ und Weitsicht Aufträge vergeben werden, da Planung in der Politik selten die laufende Legislaturperiode überschreitet. Das unterscheidet zwar nicht grundsätzlich die Logik der Politik zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika, wird jedoch dann von öffentlichem Interesse, wenn selektive Verflechtungen hinzukommen. Planung, Infrastruktur und Auftragserteilung hängen nun sehr stark mit wirtschaftlichen Aktivitäten zusammen. Nicht umsonst war die Arbeitslosenrate in Louisiana ein Jahr nach Katrina am historischen Tiefststand und die niedrigste in den USA insgesamt. Auch Ende 2007 lag sie mit 3,5 Prozent unter der der USA (4,7 Prozent) (Greater New Orleans Community Data Center 2008, 36).
Der Wiederaufbau hat jedoch keine nationale Priorität, auch wenn Bush persönlich verspricht, „präsent zu bleiben, bis der Job gemacht ist“. Es drängt sich die Frage auf, ob damit sein Job gemeint ist, oder der, den es in New Orleans zu erledigen gilt. Louisiana im Allgemeinen und die demokratische Hochburg New Orleans im Speziellen haben es unter einer republikanischen Präsidentschaft besonders schwer. Zusätzlich ist der Wiederaufbau von weiten Stadtteilen New Orleans’ selbst von konkurrierenden AkteurInnen gekennzeichnet. Ein Konsens ist bei Weitem nicht in Sicht, wie unten noch näher ausgeführt wird. „Schwarze Interessen“, „Weiße Interessen“, BauspekulantInnen und PolitikerInnen aller Ausrichtungen beleben die laufende Diskussion. Zahlreiche Häuser verrotten einstweilen vor sich hin, ganze Stadtviertel („Lower Ninth Ward“ u.a.) sind nach wie vor großflächiges Brachland, zum Teil ohne Wasser- und Stromversorgung. Im Juli 2007, zwei Jahre nach der Katastrophe, standen noch 46.622 Trailer in ganz Louisiana für mobiles Wohnen zur Verfügung (Greater New Orleans Community Data Center 2008, 33). Werden die aktuellen Daten zur Bevölkerungsentwicklung betrachtet, so geht die Rückkehr der Bevölkerung zäh aber stetig vor sich. Waren im Jänner 2006 erst knapp 40 Prozent der Bevölkerung wieder zurück, so geben die regelmäßig aktualisierten Daten, die auf der Zustellung des Postservices[4] basieren, grundsätzlich Anlass zu Hoffnung. Ende 2007 sind 86 Prozent der Bevölkerung wieder retour, wobei es auch zu einer Umverteilung der Bevölkerung innerhalb des Stadtgebietes gekommen ist.
Dennoch, ein Sechstel hat den Weg zurück noch immer nicht gefunden. Die Gründe dafür sind vielfältig und auch komplex. Vielen fehlt es an Privatkapital für den Wiederaufbau. Viele haben ihre Jobs verloren, oder waren zumindest eine Zeit lang arbeitslos. Nachdem in den USA wenn möglich in eigene Immobilien investiert wird, sind zahlreiche zerstörte Häuser noch mit Krediten belastet. Zusätzlich sind die Immobilienpreise enorm und selbst im Umland um etwa 30 Prozent gegenüber vor zwei Jahren gestiegen. Zudem sind die Lebenserhaltungskosten seit dem Aussetzen der staatlichen Notstandsförderungen nicht unbeträchtlich. Von den ehemals verfügbaren Mietobjekten in den fünf New Orleanser Parishes sind bislang nur etwa 20 Prozent durch öffentliche Förderungen wieder aufgebaut worden. Mieten haben sich verdoppelt, manchmal sogar verdreifacht. Generell stellt sich für die Geflüchteten die Frage: Wer kommt als erster zurück? Wo ganze Nachbarschaften zerstört sind, ist das nicht nur eine existenzielle, sondern auch sozial integrative Frage. Zudem haben viele Evakuierte zwei Jahre nach dem Desaster aus der Not heraus eine neue Heimat oder auch neue Arbeit außerhalb von Louisiana gefunden.
Versicherungszahlungen sind zum Teil noch ausständig, da häufig darüber gestritten wird, ob es sich um Sturm- oder Wasserschäden handelt. Zusätzlich muss den Versicherungsgesellschaften eine Dokumentation von schadhaften Gegenständen vorgelegt werden, damit sie bewertet werden können, um Versicherungsgelder flüssig zu machen. Das ist nicht leicht nach den Druckwellen der Dammbrüche, wo Häuser auf Autos gelegen sind und umgekehrt. Vieles ist somit verloren gegangen oder komplett zerstört worden. Viele Haushalte waren auch unterversichert oder gar nicht versichert. Seit Katrina sind die Versicherungsprämien hingegen massiv in die Höhe geschnellt und hemmen Investitionen damit zusätzlich.
Make levees not war![5]
Der Wiederaufbau von New Orleans war von Anfang an von heftigen politischen Revierkämpfen begleitet. Im November 2006 wurde eine von Bürgermeister Nagin und City Council Präsident Thomas bereits angekündigte Präsentation von Aufbauplänen vor dem Louisiana Recovery Authority Board (LRA) wieder zurückgezogen. Ziel war es, dem LRA, der mehr als zehn Milliarden U$-Dollar der bundesweiten Unterstützungsgelder kontrolliert, die Neighborhood Recovery Plans vorzustellen. Dahinter stand jedoch ein heftiger Streit zwischen zwei unterschiedlich verantworteten Stadtplanungsprozessen, dem New Orleans Neighborhood Rebuilding Plan (Lambert Plan) im Auftrag des City Council und dem Unified New Orleans Plan (UNOP), der von der Greater New Orleans Foundation administriert wird (Lewis und Writer 2006, 3).
Beide zitierten Planungsverfahren hatten auf eine Kombination von professioneller Planung und Bürgerbeteiligung gesetzt. Dennoch haftete beiden der Makel der „collision of confusion“ (ebd., 3) an. Bei ohnedies unzureichenden Ressourcen machen parallele Planungsaktivitäten dieser Dimension auch wenig Sinn. Im Gegenteil, es verzögerten sich wichtige Entscheidungen und Infrastrukturmaßnahmen noch zusätzlich. Außerdem stellt sich die Frage, wie die beiden Pläne kompatibel gemacht werden können bzw. welcher der Pläne der „offizielle Plan“ für den Wiederaufbau von New Orleans wird.
Die Hauptkritik am Lambert Plan besteht darin, dass nur die ehemals 49 überfluteten Neighborhoods in den Planungsprozess aufgenommen wurden. Der Plan wird somit als „Stückwerk“ kritisiert. Der UNOP sollte darauf eine Antwort sein, indem er als stadtweiter Planungsprozess – unter der Beteiligung zahlreicher Planungsteams aus den Vereinigten Staaten – auch die 24 nicht-überfluteten Neighborhoods integriert.
Hinter den konkurrierenden Planungsaktivitäten stand jedoch immer eine von Neighborhood-AktivistInnen aufgeworfene interessante und zentrale Frage zur Diskussion, nämlich die der politischen Verantwortung für öffentliche Planung und Stadtentwicklung. Ist eine Nonprofit-Foundation für den Wiederaufbau der Stadt verantwortlich, oder nicht doch eher die gewählten und politisch legitimierten Regierungsverantwortlichen eben dieser? Hinter dieser Frage verbirgt sich jedoch ein äußerst brisanter innenpolitischer Richtungsstreit. Die Bush-Administration lehnt Hilfe nach Naturkatastrophen als zu große Einmischung ab und setzt auf die Kräfte des freien Marktes. Dieser Glaube an die Regulation durch den Markt in Katastrophenfällen unterscheidet auch die Sichtweisen zwischen den USA und der EU. Im Jahr 2007 wurden schließlich die ersten 17 Zielgebiete[6] zum Wiederaufbau ausgewählt. Es handelt sich dabei um strategisch wichtige Gebiete, die auch den Zugang für privatwirtschaftliche Investitionen öffnen sollen. Diese Zielgebiete stellen einen gewissen Konsens mit den früheren Entwicklungsansätzen des UNOP, des Lambert Plan und des Bring New Orleans Back Commission Plan[7] dar. Zusätzlich wurde eine Project Development Unit (PDU) eingerichtet, die seit Anfang 2008 weitere 35 Wiederaufbauprojekte vorantreiben soll. Zu den ausgewählten Projekten zählen viele, die der öffentlichen Infrastruktur und den öffentlichen Dienstleistungen zuzurechnen sind. Einrichtungen der Polizei, Feuerwehr und des Gesundheitswesen zählen ebenso dazu wie Freizeiteinrichtungen, Parks, Straßen und Bibliotheken.
Das öffentliche wie private Interesse am künftigen Wiederaufbau von New Orleans wird aber zusätzlich von weiteren externen Faktoren abhängen bzw. dynamisiert. Findet die abgewanderte Wirtschaft wieder den Weg in die Stadt, um damit auch den regionalen Steuerhaushalt wieder abzusichern? Kehrt der noch ausgebliebene Rest der Evakuierten wieder nach New Orleans zurück? Letztendlich gewinnt auch das Tempo des Wiederaufbaus an immer stärkerer Bedeutung. Das Motto „Laissez les bons temps rouler!“ wirkt etwas strapaziert nach all den Vorgängen im Zeitalter von Post-Katrina.
Fußnoten
Werbeslogan für Generatoren. ↩︎
http://www.fema.gov/ (25.02.2008). ↩︎
Label eines Künstlerkollektivs aus New Orleans (vgl. http://www.proudtoswimhome.com/); sämtliche der beteiligten Künstler waren bereits vor Katrina in New Orleans künstlerisch aktiv und engagieren sich jetzt für die Wiederbelebung der Musikszene. ↩︎
http://www.gnocdc.org/reports/GNOCDC_research_note_May07.pdf (26.02.2008). ↩︎
Aufdruck auf T-Shirt. ↩︎
http://www.cityofno.com/ (26.02.2008). ↩︎
http://www.bringneworleansback.org/ (26.02.2008). ↩︎
Helga Fasching ist Assistentin am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind berufliche Rehabilitation und Integration am Arbeitsmarkt.
Martin Heintel ist Prof am Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Stadt- und Regionalentwicklung, Europäische Integration und grenzüberschreitende Zusammenarbeit.