Second Hand Spaces: Städtische Utopie oder Aufwertungsprofit
Besprechung von »second hand spaces. Über das Recyceln von Orten im städtischen Wandel« herausgegeben von Oliver Hasemann, Michael Ziehl, Sarah Oßwald und Daniel SchnierWas soll mit den Brachen und den baulichen Ruinen des Dienstleistungs- und des Industriefordismus geschehen? Eine Antwort, die in den letzten Jahren zwar vermehrt, aber immer noch nur vereinzelt gegeben wird, lautet »temporäre Nutzung« oder »Zwischennnutzung«. Das Team der in Bremen angesiedelten ZwischenZeitZentrale will mit seinem Buch hinter die Kulissen, auf die AkteurInnen und die Wirkungen von second hand spaces blicken. Die Heraus-geber-Innen und auch etliche AutorInnen benutzen den Begriff second hand spaces (oder auch »Nutzung vakanter Räume«), um sich für einen erweiterten, wenn nicht neuen, Begriff von Zwischennnutzung stark zu machen. Fokussiert Zwischennutzung unwillkürlich auf die zeitliche Befristung des ganzen Unterfangens, so weitet second hand spaces den Blick und hebt Aspekte von Interaktion und Partizipation stärker hervor: »zwischen« also verstanden als Brücke und als Kooperation zwischen verschiedenen Ebenen und Menschen.
Das Buch enthält neun Artikel, je drei zu Rahmenbedingungen, AkteurInnen und Wirkungen von second hand spaces. Dazwischen werden jeweils fünf konkrete Beispiele vorgestellt, unter anderem aus Basel, Berlin, Bremen, Frankfurt, Freiburg und Hamburg. Hier kommen bekannte und weniger bekannte Beispiele ins Bild: Prinzessinengärten, tentstation und RAW aus Berlin oder das Frappant und das Gängeviertel in Hamburg – aber auch Brachen in Bremen oder eine Wagenburg in Freiburg.
Einige Beiträge, vor allem die von AktivistInnen und NutzerInnen selbst, fragen nach den Zwiespältigkeiten von Zwischennutzungen und nach den Ambivalenzen diesbezüglicher Forderun-gen. Ist die Nutzung von second hand spaces nun eine Wiederaneignung der Commons und damit des gesellschaftlich produzierten Reichtums oder doch nur ein Leben vom aktuell Ausgeschiedenen und Unnötigen und damit das Begnügen mit dem Rest und seiner kreativen Verwertung? Der Hamburger Historiker Arndt Neumann etwa fragt deutlich danach, wer die durch temporäre Nutzungen erzeugten Aufwertungsprofite schlussendlich einstreift.
Das Buch entwirft eine Utopie, die zeigt, was Stadt auch sein könnte: nämlich ein Raum, der tagtäglich durch seine NutzerInnen neu produziert wird. Es zeigt aber auch, dass eine Nutzung vakanter Räume ohne ein Bündnis mit aufgeschlossenen Segmenten der Verwaltung und womöglich der Immobilienwirtschaft nur schwer möglich ist. Die Verwaltung wiederum braucht den politischen Druck, der durch soziale Proteste und Bewegungen erst entsteht: Die altbekannte Mehrdeutigkeit von Protest und Modernisierung, von Revolte und Rekuperation also.
Bernd Hüttner ist Politikwissenschaftler und Referent für Geschichtspolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.